Bettina Wissing ist Koordinatorin des Sprachendienstes von IJAB.
„It’s all Greek to me“
In den langen Jahren der bilateralen jugendpolitischen Zusammenarbeit von IJAB sind dreizehn bilaterale Wortlisten zu Schlüsselbegriffen der Kinder- und Jugendhilfe entstanden, die insbesondere die Fachkräfteprogramme zwischen IJAB und seinen Partnern sehr unterstützt haben. Sie greifen Fachbegriffe auf, die in allgemeinsprachlichen Wörterbüchern häufig nicht auftauchen, und unterstützen somit den fachlichen Austausch zwischen Fachkräften aus verschiedenen Ländern. Aufgrund der Weiterentwicklungen in den Themen der internationalen Zusammenarbeit und von Jugendarbeit und Jugendhilfe insgesamt, aber auch in Hinblick auf die verstärkte Kooperation mit Griechenland, hat sich der Sprachendienst für eine Neugestaltung der sprachlichen Unterstützung für Fachkräfte entschieden.
Ende 2018 ging der digitale Youth Work Translator online. Die Idee des digitalen Wörterbuchs entstand im Rahmen des zweiten Deutsch-Griechischen Jugendforums im Mai 2017 in Thessaloniki, wo auch ein intensiver Austausch über Sprache und Kommunikation in deutsch-griechischen und europäischen Jugendbegegnungen stattfand. Gerade im deutsch-griechischen Kontext entstehen viele Strukturen und Kooperationen zum ersten Mal und es ist hier besonders wichtig, dass Begriffe einheitlich verwendet werden und alle Beteiligten wissen, worüber sie eigentlich sprechen. Mit der Finanzierung über das Sonderprogramm zur Förderung des deutsch-griechischen Jugend- und Fachkräfteaustausches konnte das Glossar 2017 online gehen.
Unter www.translation.rocks können User/-innen seither per Mausklick nach Übersetzungen für über 1.000 Begriffe aus den Themenfeldern Internationale Jugendarbeit sowie Kinder- und Jugendhilfe suchen: in den Sprachen Deutsch, Griechisch, Englisch und Chinesisch. Einige sehr spezifische Begriffe sind darüber hinaus in kurzen Sätzen erläutert. Dieses lebendige Tool, das auch mit mobilen Endgeräten genutzt werden kann, wird sich stetig weiterentwickeln. Ergänzungen sind bereits für dieses Jahr in Angriff genommen. Darüber hinaus haben Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit, selbst Begriffe vorzuschlagen. Organisationen können den Youth Work Translator in ihre eigene Webseite einbetten und dabei die Sprachen aus den (derzeit) vier angebotenen auswählen, die für ihren Kontext passend sind.
Sprachlicher Boost für echte Begegnung
Ein weiterer Blick richtet sich auf die Kommunikation zwischen Teilnehmenden von Jugendbegegnungen. Gerade wenn Teilnehmende über wenig oder keine Kenntnisse der Partnersprache verfügen, brauchen sie Ermunterung und Anregung, damit natürliche Kommunikation zwischen ihnen stattfinden und somit wirkliche Begegnung möglich werden kann. Die Sprachanimation ist seit langem eine vielfach eingesetzte Methode bei bilateralen Jugendbegegnungen zwischen Deutschland und Frankreich, Polen, Tschechien Russland oder Israel. Entsprechende Informationen und Methodensammlungen sind auf den Webseiten von DFJW, DPJW, Tandem – Koordinierungszentrum Deutscher-Tschechischer Jugendaustausch, Stiftung DRJA und ConAct zu finden. Auch in trilateralen oder sogar multilateralen Kontexten wird sie angewendet. Die Deutsche Sportjugend hat sie für Programme im Zusammenhang mit Bewegung und Sport angepasst und im Innovationsforum Jugend global von IJAB wurde die Sprachanimation inklusiv gedacht. So lag es fast auf der Hand, dass auf dem Weg zur Vorbereitung eines Deutsch-Griechischen Jugendwerks von Anfang an auch die Sprachanimation auf der Prioritätenliste stand und der IJAB-Sprachendienst diese Entwicklung aktiv begleitete.
Sprachanimation ist eine spielerische Methode, die die Teilnehmenden dabei unterstützen will, Sprachbarrieren zu überwinden und die ihnen das Zutrauen vermitteln will, dass sie sich auch ohne gute Fremdsprachkenntnisse verständigen können. Mit Spaß und Freude aktivieren die Sprachanimationsspiele den direkten Kontakt zwischen den Teilnehmenden und motivieren dazu, die Sprache und Kultur des Gegenübers zu entdecken. Und das ist auch ein wichtiges Ziel für die Begegnungen zwischen jungen Griechen und jungen Deutschen.
Sprachanimation deutsch-griechisch…
Im September 2017 wurde ein erstes Fachkräfteprogramm durchgeführt, dass v.a. den griechischen Teilnehmenden einen Einblick in die Methode der Sprachanimation verschaffte. Organisiert von Tandem – Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch in Kooperation mit IJAB erfuhren die Teilnehmenden, mit welchen Zielen Tandem die Sprachanimation einsetzt, wie Sprachanimateure und Sprachanimateurinnen ausgebildet werden und wie diese an Gruppen vermittelt werden. Daneben boten Besuche beim Deutsch-Polnischen und Deutsch-Französischen Jugendwerk Einblicke in die Umsetzung von Sprachanimation der beiden Jugendwerke; und nicht zuletzt in die Historie der Entwicklung der Sprachanimation beim Deutsch-Französischen Jugendwerk. Ergänzt wurde diese bilateralen Darstellungen um Ausrichtungen von Sprachanimation im Sport (dsj) und in inklusiven Jugendbegegnungen (Kreisau-Initiative).
Nach diesem Fachkräfteprogramm war den griechischen wie den deutschen Beteiligten klar, dass es sinnvoll ist, von Anfang an die Sprachanimation im deutsch-griechischen Jugendaustausch mitzudenken. Das war der Startschuss für die AG Sprachanimation, die der IJAB-Sprachendienst zusammen mit dem Griechenland-Projekt bei IJAB und dem griechischen Generalsekretariat für Jugend und Lebenslanges Lernen gefördert vom BMFSFJ seither begleitet. Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden: Aufbauend auf den theoretischen Einführungen des Fachkräfteprogramms und den bereits existierenden Materialien ist es nun Aufgabe der AG Sprachanimation, Aktivitäten und Spiele für den deutsch-griechischen Kontext anzupassen und weiter zu entwickeln. Angeleitet von Elli Kosek (Kreisau-Initiative e.V.) und Sebastian Maas (Interkulturelles Netzwerk e.V.) erarbeiteten und erprobten die AG-Mitglieder in einem Sprachlabor Aktivitäten auf Deutsch und Griechisch. Als Besonderheit für unseren Kontext stellte sich bald die griechische Schriftsprache heraus. Während griechische Jugendliche mit der lateinischen Schrift durch den Englischunterricht in der Schule vertraut sind, stellt für die meisten deutschen Jugendlichen das griechische Alphabet ein Buch mit sieben Siegeln dar. Daher wurden besonders auch Aktivitäten erdacht, die den deutschen Teilnehmenden die Scheu vor den fremden Schriftzeichen nehmen. Daneben werden griechische Wörter immer auch in phonetischer Umschrift auf Postern und Materialien notiert. Als sehr fruchtbar erweist sich der deutsch-griechische Sprachkontext darüber hinaus, wenn es um Internationalismen geht. Da es sehr viele „Fremdwörter“ im deutschen Sprachgebrauch gibt, die aus der griechischen Sprache kommen, können hier sehr leicht Anknüpfungspunkte für die Teilnehmenden aus beiden Ländern gefunden werden. Die erarbeiteten Methoden werden in den Sommermonaten bei Jugendbegegnungen ausprobiert und im Herbst gemeinsam in der AG ausgewertet und bei Bedarf angepasst. Ziel ist es, im nächsten Jahr eine erste Handreichung mit Methoden für die deutsch-griechische Sprachanimation in beiden Sprachen zu veröffentlichen, die für Jugendbegegnungen eingesetzt werden kann.
Die Entwicklung und Erprobung von Spielen und Aktivitäten ist der erste Schritt auf dem Weg einer deutsch-griechischen Sprachanimation. Diese werden in den kommenden Jahren zu erweitern sein, um einen angemessenen Fundus an Methoden für unterschiedliche Phasen der Begegnungen bereithalten zu können. Weitere Schritte müssen darüber hinausgegangen werden: die Fragen der Ausbildung von Sprachanimateur(inn)en und von Qualitätsstandards sowie Zertifizierung werden dazu gehören. Und noch darüber hinaus kristallisiert sich in der AG ein weiteres zukünftiges Thema heraus, das sich inhaltlich anschließt: die Ausbildung bzw. die Qualifikation von deutsch-griechischen Sprachmittler(inne)n.
…und darüber hinaus
Als zentrale Fachstelle für Internationale Jugendarbeit ist es uns ein wichtiges Anliegen, dass die Methode der Sprachanimation auch über die bestehenden bilateralen Konzepte und Angebote hinaus weiter entwickelt und bekannt gemacht werden kann. So gibt es neben der deutsch-griechischen Sprachanimation weitere Ansatzpunkte zur Verbreitung der Sprachanimation. Im Juni gestaltete IJAB einen Workshop zur Sprachanimation bei der deutsch-türkischen Konferenz „Different Views and New Narratives – (Re)thinking Bridges between Young People in Germany and Turkey“. Der Workshop fand großen Zuspruch vor allem unter den türkischen Teilnehmenden, denen die Methode bislang wenig bekannt ist. Das Feedback auf dieses Angebot lässt erahnen, dass hier ein Potential für weitere Aktivitäten besteht. Auch für einen weiteren bilateralen Kontext wird die Sprachanimation Ende des Jahres aufbereitet: Beim für Dezember geplanten Interkulturellen Trainingsseminar für den deutsch-chinesischen Jugend- und Fachkräfteaustausch wird der Sprachendienst wiederum mit einem Workshop zu Sprachanimation einen Beitrag zur Qualifizierung und Weiterentwicklung von Kooperationsprojekten leisten.