Dr. phil. Hilde Schramm ist Erziehungswissenschaftlerin, ehemaliges Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses in der Fraktion der Grünen, Leiterin der Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen im Land Brandenburg und Mitgründerin und Vorstandsmitglied von „Respekt für Griechenland e.V.“.
„Respekt für Griechenland“ (RfG) gibt es seit März 2015 als kleine Bürgerinitiative, inzwischen auch als eingetragenen, gemeinnützigen Verein. Die Gruppe besteht aus etwa 40 Personen, die unterschiedlich viel Zeit und Kraft in einzelne Vorhaben und die Gesamtverwaltung stecken. Die meisten von uns sind nicht mehr jung, etliche im Renten- und Pensionsalter. Viele bringen Erfahrungen aus der Politik oder den sozialen Bewegungen mit. Was uns zusammenbrachte, war die Empörung über die Politik der Europäischen Union unter der Meinungsführerschaft der Deutschen Bundesregierung gegenüber Griechenland.
Wir fingen an mit Bildungsveranstaltungen im Sinne einer Gegenöffentlichkeit gegen Falschmeldungen und Informationslücken zu Griechenland und machen noch immer Bildungsveranstaltungen. Uns alsbald in der Flüchtlingshilfe in Griechenland zu engagieren, erschien uns notwendig angesichts des Versagens Europas insbesondere auf den Ägäischen Inseln.
Bevor ich speziell auf unsere Flüchtlingsarbeit auf Lesbos eingehe, möchte ich den Radius der Aktivitäten von „Respekt für Griechenland“ skizzieren.
Kooperation mit der Stadt Athen im Bereich Klimaschutz
Ursprünglich wollten wir, gerade angesichts der politischen Konflikte zwischen Deutschland und Griechenland, eine Städtepartnerschaft zwischen den beiden Hauptstädten, Berlin und Athen, auf den Weg bringen. Inzwischen haben wir diese Idee runtergebrochen auf eine „Klimapartnerschaft“. Solange noch kein politischer Beschluss hierzu vorliegt, bauen wir schon mal eine Klimapartnerschaft „von unten“ auf.
Im Jahr 2017 konnten wir das Kooperationsvorhaben „Klimaschulen Athen-Berlin“ mit mehreren Partnern anstoßen. Es wird vom deutschen Umweltministerium im Rahmen der Europäischen Klimainitiative (EUKI) gefördert. Die Federführung liegt bei der Stadt Athen. Dort sind 80 Schulen und an die 200 Lehrer/-innen beteiligt. Der Part von „Respekt für Griechenland“ besteht unter anderem darin, Studienbesuche für Umweltpädagog(inn)en aus Athen in Berlin auszurichten. Das Zusammentreffen von Berliner und Athener Umweltpädagog(inn)en nutzen wir, um Jugendbegegnungen und Schulpartnerschaften anzuregen, möglichst mit inhaltlichem Bezug zu Energiesparen und Klimaschutz. Interessenbekundungen liegen bereits vor.
Unterstützung von „Hilfe zur Selbsthilfe“
Kooperativen und Selbsthilfegruppen haben es einer großen Anzahl von Menschen in Griechenland ermöglicht, die sozialen Auswirkungen der rigiden Sparauflagen zu überstehen. Dabei erwies es sich für die Akteure als besonders schwierig, die Basiskosten z.B. für Miete und Strom aufzubringen. Wegen des immer noch nicht gesicherten Existenzminimums für viele Griech(inn)en, Migrant(inn)en und Geflüchteten wollen wir in diesem Bereich – zumal schon eine geringe finanzielle Förderung relativ viel bewirken kann – weiter tätig bleiben, unter anderem in Piräus. Und dies scheint machbar: Eine unserer Mitglieder hat neue Leute gesucht und gefunden, die als „Patengruppe“ monatlich einen Teil der Basiskosten von „Solidarität Piräus“ übernehmen werden.
Mitarbeit bei „WELcommon“ in Athen
Seit Herbst 2016 haben über 50 Freiwillige, die über "Respekt für Griechenland" vermittelt wurden, in einem Wohnprojekt mit 180 Geflüchteten, dem Model Hostel WELcommon, in Athen mitgearbeitet. Dort fanden vor allem „vulnerable cases“, sogenannte Härtefälle, eine gute Bleibe – bis sie gezwungen wurden, auszuziehen. UNHCR und die Stadt Athen hatten kurzfristig die finanzielle Förderung eingestellt. Näheres zu dieser aus unserer Sicht politischen Fehlentscheidung siehe: Neuer Projektbericht „Freiwillige für WELCommon in Athen“. Notgedrungen hat der Betreiber, die Soziale Kooperative „Wind of Renewal“, ein neues Nutzungskonzept für das siebenstöckige Gebäude entwickelt: Die oberen Stockwerke werden als Gästehostel genutzt (siehe unter „WELcommon Hostel Athens Greece-a new experience in responsible tourism“). Es wurde inzwischen eröffnet und soll zur Finanzierung eines Community Centers für Geflüchtete und Einheimische in den unteren Etagen beitragen. In deren Unterrichts-, Projekt- und Qualifizierungsangebote werden Freiwillige erneut einbezogen.
Volunteers for Lesvos
Auf Lesbos hat „Respekt für Griechenland“ seit Herbst 2015 ein wechselndes Team von jeweils 6 bis 10 Freiwilligen, die „Volunteers for Lesvos.
Bisher haben sich über 100 Personen, davon zwei Drittel Frauen, beteiligt. Ihr Alter reicht von 20 bis über 70 Jahre. Etwa die Hälfte ist zwischen 25 und Mitte 30. Viele bleiben mehrere Monate, manche ein ganzes Jahr und länger. Andere kommen ein zweites, ein drittes oder auch ein viertes Mal zurück.
Die meisten Freiwilligen kommen aus Deutschland, zahlreiche stammen aus Herkunftsfamilien mit Migrations- und Fluchtbiographien. Das Team ist aber auch offen für Interessierte aus anderen Ländern. Ihm gehörten bislang Freiwillige aus sechs europäischen Staaten an. Häufiger als es sich realisieren ließ, wollten Menschen mit eigenen Fluchterfahrungen mitmachen. Aber außer in fünf Fällen scheiterte ihre Mithilfe an den Rahmenbedingungen: keine Erlaubnis, Deutschland zu verlassen, Streichen der Leistungen der Agentur für Arbeit, Verlust der Versicherung.
Die Projektleiterin Anja Schneider stellt aus den eingehenden Bewerbungen das Team zusammen. Besonders gebraucht werden Freiwillige mit Sprachkenntnissen wie Arabisch oder Farsi, außerdem Personen, die juristisch, medizinisch, psychologisch oder pädagogisch geschult sind, und deutlich länger als vier Wochen, die Mindestdauer, bleiben können. Diese Langzeitfreiwilligen sichern die Kontinuität, zugleich haben sie den notwendigen Überblick, um neue Aktivitäten gemeinsam mit anderen Gruppen in der Flüchtlingshilfe initiieren zu können. Zunehmend werden ihnen deshalb Leitungsfunktionen in Kooperationsvorhaben übertragen, so z.B. beim Empfang der ankommenden Boote und der Erstversorgung am Strand oder bei der Errichtung eines Info-Points für Geflüchtete und Volunteers in Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos.
Über die Anfänge und die Entwicklung des Projekts bis Juni 2018 siehe Projektbericht „Volunteers for Lesvos“ und https://volunteersforlesvos.wordpress.com. Fotos und Berichte von Freiwilligen finden sich in der Präsentation (Stand Herbst 2017): http://xt.xn--respekt-fr-griechenland-kpc.de
Zur Situation auf Lesbos
Auf Lesbos werden immer noch an die 8000 Geflüchtete festgehalten, davon über 6000 im berüchtigten Hot Spot Moria. Die unzumutbaren Lebensbedingungen dort werden hier weitgehend als bekannt vorausgesetzt. Aus Verzweiflung kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In den vergangenen Wintern waren viele Geflüchtete schutzlos der Kälte und der Nässe ausgeliefert (siehe Foto). Es ist zu hoffen, dass vor dem nächsten Winter zumindest alle Sommerzelte und ebenso die kleinen Iglozelte gegen große, stabile Zelte, in denen die Menschen wenigstens stehen und sich bewegen können, ausgetauscht werden. Wegen der unhaltbaren Zustände in Moria entfernen sich Flüchtlinge aus dem Camp. Sie leben in leerstehenden Gebäuden, im Wald oder am Strand. Versorgt werden sie von der No Border Kitchen. Dort arbeiten jeweils einige aus unserem Team mit, so gegenwärtig u.a. ein professioneller Koch.
Aus Platzmangel in Moria entstand gleich daneben ein „wildes“ Camp, genannt „olive grove“. Es besteht aus einer slumähnlichen Ansammlung von Zelten und Verschlägen mit völlig unzureichenden sanitären Anlagen, ohne Duschen.
Neben diesen Schandflecken der europäischen Flüchtlingspolitik gibt es auf der Insel einige besser ausgestattete Unterkünfte und Wohnungen überwiegend für „Härtefälle“, außerdem fachkundige Beratungsstellen sowie Sozial- und Gemeinschaftszentren, die Kleidung, Essen, Unterricht, Projekte und Workshops anbieten. Die dort Tätigen wollen so etwas wie normale Lebensbedingungen schaffen und, wenn auch eingeschränkt, Perspektiven bieten. Ihre Arbeit ist ein Lichtblick in all der Hoffnungslosigkeit.
An all diesen Orten, den abschreckenden und den freundlichen, sind Volunteers for Lesvos zu finden.
Kosten und Finanzierung
Bei Bedarf übernimmt der Verein ganz oder teilweise die Kosten für Reise und Lebensunterhalt. So erwünscht „Selbstzahler“ sind - niemand wird abgelehnt, weil er oder sie einen Zuschuss benötigt. „Respekt für Griechenland“ hat in Mytilini ein großes Appartement gemietet, in dem bis zu 10 Teammitglieder kostenfrei wohnen können. Außerdem stellt der Verein einen Mietwagen und andere Infrastruktur bereit.
Für Volunteers for Lesvos erhalten wir keinerlei öffentliche Förderung. Die nicht geringen Kosten werben wir ganz überwiegend von Privatpersonen ein - was zunehmend schwieriger wird. Und so hangeln wir uns von einer Finanzkrise zur anderen.
Auch an den bestehenden europäischen oder deutschen Programmen für Freiwillige partizipiert „Respekt für Griechenland“ nicht. Da wir kein Büro unterhalten, keine Geschäftsführer/-in und auch keine andere bezahlte Verwaltungskraft haben, scheuen wir den administrativen Aufwand, der mit der Registrierung und den Entsendungen verbunden ist - obwohl unsere Kooperationspartner in Athen diese von uns erhoffen.
Auf Lesbos haben wir unser Team aber noch aus anderen Gründen nicht als NGO registrieren lassen. Ein solcher Schritt würde die Unabhängigkeit der Volunteers for Lesvos einschränken und das, was ihr Handeln kennzeichnet, erschweren: flexibles Reagieren auf den jeweils vordringlichen Bedarf; unbürokratische Soforthilfe und sei es nur durch den Kauf von Lebensmittel; Zusammenarbeit mit sehr unterschiedlichen Partnern. Hinzu kommt, dass es gegen eine Unterstützung von Geflüchteten auf den Ägäischen Inseln und eine Parteinahme für sie inzwischen politische Vorbehalte gibt, die schnell in Anschuldigungen umschlagen können. Unter diesen Umständen bewegen sich die Volunteers for Lesvos ohne Registrierung sicherer zwischen den diversen Fallstricken.
Für andere Standorte und andere Tätigkeiten mit und für Geflüchtete in Griechenland wie in Athen aber würden wir gerne mit einer registrierten Entsendeorganisation zusammen arbeiten, die über uns vermittelte Freiwillige unter ihren Schirm nimmt. Leider haben wir eine Organisation, die dazu bereit wäre, trotz entsprechender Bemühungen noch nicht gefunden.
Respekt für Griechenland e.V.
Erreichbarkeit von Respekt für Griechenland: Hilde.Schramm(at)respekt-für-griechenland.de, reinhard.feld(at)respekt-für-griechenland.de
Erreichbarkeit von „Volunteers for Lesvos“: Initiative-rfg(at)posteo.de
Spendenkonto für die Flüchtlingsarbeit in Griechenland bei der GLS Bank
Kontoinhaber: Respekt für Griechenland e.V.
IBAN: DE15 4306 0967 1175 7746 02
BIC: GENO DE M 1 GLS
Steuernummer: 27 / 676 / 52054
Spendenbescheinigungen werden ungefragt bei Angabe von Name und Anschrift am Ende des Jahres ausgestellt.