Bereits seit der Gründung 1998 und während der Aufbauphase der Youth Hostel Association (YHA) China bestehen enge Kontakte zum Deutschen Jugendherbergswerk (DJH). Zahlreiche chinesische Fachkräfte haben während der letzten 15 Jahre in deutschen Jugendherbergen im Rahmen von Praktika und Hospitationen die Arbeit und die pädagogischen Programme der Jugendherbergen in Deutschland kennengelernt. Seit dem Jahr 2014 ist die Zusammenarbeit durch ein „Memorandum of Understanding“ formalisiert, in dem u. a. ein regelmäßig durchzuführender Jugend- und Fachkräfteaustausch von beiden Partnern festgeschrieben wurde. Im August 2015 startete die erste gemeinsam organisierte deutsch-chinesische Jugendbegegnung zum Thema Nachhaltigkeit. Die internationalen Programme von DJH und YHA China werden vom BMFSFJ aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes gefördert.
Projektart: Fachkräfteaustausch (seit 2011) und Jugendbegegnung (seit 2015)
Partnerorganisation: Youth Hostel Association (YHA) China
Frau Yin Chen, was war Ihre Motivation für die Kooperation mit dem Deutschen Jugendherbergswerk?
Yin Chen: Deutschland ist das Mutterland der Jugendherbergen, von wo aus sich seit über 100 Jahren die Jugendherbergen auf der ganzen Welt sehr erfolgreich entwickeln. Die Ursprungsidee der Jugendherbergen war und ist bis heute die Jugendbildung. Daher ist diese Idee auch der Schwerpunkt für die Entwicklung und Existenz der deutschen Jugendherbergen. Die Volksrepublik China hat rund 1,4 Milliarden Einwohner, von denen 225 Millionen Jugendliche sind. Deshalb möchte die Youth Hostel Association (YHA) China seit ihrer Gründung 1998 mit ihren Jugendherbergen die Bildung der chinesischen Jugend in gleicher Weise fördern – auch aufgrund der Tatsache, dass YHA China zahlreiche Erfahrungen mit den Bildungsprogrammen des Deutschen Jugendherbergswerks machen durfte.
Es ist auch in China allgemein bekannt, dass die deutsche Wirtschaft stark zur wirtschaftlichen Entwicklung in Europa sowie in der gesamten Welt beigetragen hat. Nach und nach ist auch die Wirtschaft in China schnell gewachsen, wodurch zwischen China und Deutschland in den Bereichen Politik und Wirtschaft bereits zahleiche Verbindungen bestehen. Dem möchten wir Kontakte auf persönlicher Ebene zwischen jungen Menschen hinzufügen. Basierend auf diesem Hintergrund planen die Jugendherbergsverbände YHA China und DJH Jugendbegegnungen zu organisieren, damit die Jugendlichen aus Deutschland und China sich besser kennen lernen, voneinander lernen und dadurch ihren Horizont erweitern und Gemeinschaft erleben können.
Herr Dohn, wie ist denn der Austausch mit China konkret entstanden?
Bernd Dohn: Die Kontakte nach China entstanden vor rund 20 Jahren, als dort die ersten Jugendherbergen eröffneten und sich ein entsprechender Verband bildete, der Mitglied in unserem weltweiten Netzwerk „Hostelling International“ werden wollte. Maßgeblich waren hier die individuellen Verbindungen wichtiger Entscheidungsträger, so war zu der Zeit beispielsweise der Deutsche Friedrich Muth Präsident des Weltverbandes. Er nahm sich dieser Verbindung persönlich an und unterstützte YHA China und dessen Geschäftsführerin Yin Chen in den Aufbaujahren. Hier hat sich, neben der Kooperation auf Verbandsebene, auch eine außergewöhnliche private Freundschaft entwickelt.
Frau Yin Chen, welche Erfahrungen haben Sie für Ihre Organisation aus dem Austausch bislang mitgenommen?
Yin Chen: Das DJH führt in den Jugendherbergen verschiedene pädagogische Programme zum Thema „Nachhaltigkeit“ durch. Die Herberge und ihre Umgebung sind wie ein „zweites Klassenzimmer“ für die Gäste (Kinder und Schüler/-innen). Die Programmangebote können vieles bieten, was in den Schulen nicht direkt realisierbar ist, wie zum Beispiel am Vormittag das Sammeln von verschiedenen Pflanzen und Tieren im Wald, am Nachmittag findet dann Unterricht im Labor der Jugendherberge statt. Diese Erlebnispädagogik, so finden wir, ist eine gute Methode in der Bildung junger Menschen.
Schließlich werden die derzeit knapp 300 Jugendherbergen Chinas, in denen rund zwei Millionen Übernachtungen gezählt werden, hauptsächlich von chinesischen Schulen und Jugendgruppen besucht. Knapp ein Sechstel der Gäste kommt aus dem Ausland, die Hauptherkunftsländer sind dabei die USA, Taiwan, Frankreich, Deutschland und Südkorea.
Herr Dohn, welche Bedeutung hat für das DJH der Austausch mit China?
Bernd Dohn: Die Partnerschaft zwischen DJH und YHA China ist uns auch aus Verbandssicht sehr wichtig. In regelmäßigen Abständen kommen die Entscheidungsträger zusammen, um die bilaterale Kooperation weiterzuentwickeln, aber auch um unsere Positionen in bezug auf unseren Weltverband Hostelling International und dessen Arbeit zu besprechen. Mit meiner Kollegin Yin Chen besteht eine vertrauensvolle Verbindung, wir stimmen uns in allen wesentlichen Themen eng ab.
Was zeichnet Ihren Austausch aus?
Yin Chen: YHA China arbeitet seit mehr als 15 Jahren mit dem DJH zusammen. Durch die enge und vertrauensvolle Kooperation der beiden Verbände sind alle Programme gut gelaufen. Mittlerweile haben wir gemeinsam verschiedene Arten von Maßnahmen durchgeführt, wie zum Beispiel Delegationsbesuche auf Vorstandsebene, Jugendbegegnungen oder Fachkräfteprogramme.
Bernd Dohn: Seit etwa fünf Jahren wird unsere Partnerschaft mit YHA China durch regelmäßige Austauschprogramme auf der Ebene der Herbergsleiter/-innen vertieft. Beide Verbände verbindet die gemeinsame Werte-Idee, dass Jugendherbergen mehr sind als „nur“ eine Unterkunftsstätte, nämlich Lern- und Bildungsorte für junge Menschen.
Können Sie uns beschreiben, wie der Austausch ausgestaltet wird und welche Inhalte und Themen Ihnen wichtig sind?
Yin Chen: Das Projektthema der gemeinsamen Jugendbegegnungsreihe ist „Nachhaltigkeit“. In den letzten Jahren wird dieses Thema weltweit diskutiert und in den Mittelpunkt gestellt, besonders im Bereich der „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“. Da die deutschen Jugendherbergen viel mit Schulklassen sowie verschiedensten Vereinen und Organisationen zusammenarbeiten, interessiert uns besonders, wie das DJH den Jugendlichen zum Beispiel das Thema „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ nahebringt und die Bildungsprogramme in der Praxis durchführt. Wie bereits erwähnt, wächst zurzeit die Wirtschaft in China sehr stark. Dadurch haben wir momentan einen ähnlichen Zustand wie bei der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert in Europa. Seitdem hat sich Deutschland zu dem umweltfreundlichen und wirtschaftsstabilen Land von heute entwickelt. Deshalb würden wir gerne von Deutschland lernen, wie man eine Balance zwischen einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung und den Belangen des Umweltschutzes erreicht.
Bernd Dohn: Bereits nach den ersten Maßnahmen haben wir gemerkt, dass es vor allem Umweltbildungsprogramme und Angebote aus dem Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) sind, an denen ein gemeinsames Interesse besteht. Dieser Bereich ist daher auch als Leitthema der von Frau Yin Chen angesprochenen neuen deutsch-chinesischen Jugendbegegnung gewählt worden. Hier besitzt das DJH einige Expertise: Die Förderung der Umwelterziehung und des Umweltschutzes ist seit jeher in unserer Satzung verankert. Im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung blicken wir auf über 25 Jahre erfolgreiche Programmarbeit zurück. Jährlich zählen wir mehr als 80.000 Teilnehmende an den BNE-Bildungsprogrammen in deutschen Jugendherbergen.
Können Sie uns die neu entwickelte deutsch-chinesische Jugendbegegnung etwas genauer vorstellen, Herr Dohn?
Bernd Dohn: Bei unserer Jugendbegegnung „United for Sustainability“ kommen jeweils zehn junge Menschen aus beiden Ländern für eine gute Woche zusammen, um über die globale Verantwortung für die Zukunft unserer Welt zu diskutieren. Dies schließt natürlich den Klimawandel und die Potenziale beispielsweise durch erneuerbare Energien ein. Den Teilnehmenden ist es aber genauso wichtig, über den persönlichen Kontakt mehr über die Alltagswelt und die Lebensrealität junger Menschen in Deutschland und China zu erfahren. Wie so oft in solchen Programmen endet der Austausch nicht in den Workshops und Projektbesuchen. Die vielleicht wirklich wichtigen und im Gedächtnis bleibenden Gespräche finden während der Freizeit statt. Und sei es spätabends im Mehrbettzimmer der Jugendherberge, wenn keiner ans Schlafengehen denkt. Dieses Programm hat 2015 - in den Jugendherbergen in München und Oberammergau - erstmals stattgefunden und wird im Sommer 2016 in Guangzhou und Guilin fortgesetzt.
Frau Yin Chen, wie setzte sich denn die Gruppe zusammen, die an der Jugendbegegnung teilgenommen hat; und welche Rückmeldung bekommen Sie von den Teilnehmenden?
Yin Chen: Im Sommer war eine chinesische Gruppe in Deutschland, wobei alle Teilnehmenden junge Mitglieder von YHA China sind. Insgesamt waren es zehn chinesische Teilnehmende im Alter zwischen 18 und 26 Jahren – davon 50 % Studenten, aber auch knapp ein Viertel Mitarbeiter von chinesischen Jugendherbergen. Somit macht der internationale Austausch YHA China unter jungen Menschen bekannter, gleichzeitig trug das Programm aber auch zur Weiterbildung unserer Fachkräfte bei. Dies war das erste Mal, dass ein solches Programm gemeinsam durchgeführt wurde. An dem Projektthema „Nachhaltigkeit“ waren alle Beteiligten interessiert, so dass die Rückmeldungen sehr positiv ausfielen. Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Deutschland erlebt haben, fanden sie sehr sinnvoll und beeindruckend.
Herr Dohn, welche Reaktionen haben Sie bei den Jugendlichen wahrgenommen?
Bernd Dohn: Die Teilnehmenden unserer Jugendbegegnung waren vom ersten Teil des Austauschs begeistert und es versteht sich von selbst, dass insbesondere die Deutschen nun dem Gegenbesuch in China entgegenfiebern. Auch zwischen den beiden Programmen bleiben die Teilnehmenden über das Internet in Kontakt und tauschen sich in einer speziell für das Austauschprogramm geschaffenen internen Gruppe bei einem Instant Messenger intensiv aus.
Und wie bewerten Sie die nachhaltige Wirkung dieses Austauschs, Herr Dohn?
Bernd Dohn: Natürlich müssen wir schauen, inwieweit die Jugendbegegnung langfristige Wirkungen bei den Teilnehmenden auslöst. Es ist gute Tradition in unserem Verband, mit unseren Alumni in Kontakt zu bleiben und die Programme in regelmäßigen Abständen zu evaluieren und unter Einbindung der ehemaligen Teilnehmenden weiterzuentwickeln und zu verbessern. Für den bereits etwas länger laufenden Fachkräfteaustausch auf Herbergsleiterebene kann ich aber schon heute sagen, dass die Teilnehmenden die Inspirationen und Diskussionen mit den Kolleg(inn)en im Partnerland nach der Rückkehr durchaus in ihre alltägliche Arbeit einfließen lassen und nun noch besser auf Gäste aus dem Partnerland - und internationale Einzelgäste und Besuchergruppen im allgemeinen - vorbereitet sind.
Wie schätzen Sie beide das zukünftige Potenzial des Austauschs ein?
Yin Chen: Wir hoffen, dass die Zusammenarbeit mit dem DJH weitergeht, um auch in Zukunft mehr Beispiele für Nachhaltigkeit einbringen, weitere „grüne“ Programme entwickeln sowie die Kommunikation und den Austausch intensivieren zu können. Wir freuen uns sehr, wenn wir im Sommer die jungen Deutschen zum Gegenbesuch bei uns in chinesischen Jugendherbergen begrüßen dürfen.
Bernd Dohn: Die derzeitige Zusammenarbeit und die Fachkräfte- und Jugendaustauschmaßnahmen sind formal zunächst in einem „Memorandum of Understanding“ mit einer Laufzeit bis 2018 festgeschrieben. Ich bin mir aber sicher, dass die Kooperation zwischen Deutschem Jugendherbergswerk und YHA China weit über dieses Datum hinaus fortgesetzt und bestimmt noch weiter vertieft wird.
Herr Dohn, zum Abschluss noch ein Tipp für interessierte Träger in Deutschland: Was sind aus Ihrer Sicht zentrale Gelingensbedingungen für einen Austausch mit China?
Bernd Dohn: Als ideal hat sich erwiesen, dass beide Verbände mit professionellen und hauptamtlichen Geschäftsstellen die Kooperation begleiten können: Die entsprechenden Ansprechpartner/-innen können schnell und unkompliziert Kontakt aufnehmen. Alle Beteiligten sprechen gutes Englisch, ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle von YHA China – als ehemaliger Bundesfreiwilliger in einer deutschen Jugendherberge – kann sogar Deutsch. Bislang haben sich noch keine besonderen Komplikationen ergeben, insbesondere kein Einfluss durch politische Rahmenbedingungen. Wichtig ist – wie in der Internationalen Jugendarbeit generell – die Berücksichtigung eines ausreichenden Vorlaufs bei der Vorbereitung der entsprechenden Programme, so dass gegebenenfalls rechtzeitig und flexibel umgeplant werden kann.
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