Länderinformation China

Bildung

Das aktuelle Schulsystemin China ist das Ergebnis umfassender Reformen seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik in den späten 1970er Jahren. Wesentlicher Meilenstein war der "Beschluss über die Reform des Bildungswesens" aus dem Jahre 1985. Entsprechend investierte der chinesische Staat ab Mitte der 1980er große Summen in das Bildungssystem. So konnte das chinesische Bildungssystem in den vergangenen Jahren reformiert und eine nahezu flächenendeckende Bildung installiert werden. Die durchschnittliche Schulbesuchsquote und -dauer steigen seit Jahren an und auch die Ausgaben für Bildung wachsen jährlich. Aktuell liegt das Investitionsvolumen im Bildungsbereich bei ca. 4% des BIP.

In der Tendenz verbessern sich die Schulen auch in den ländlichen Regionen Chinas. Eines der größten und bekanntesten Bildungsprojekte ist das "Projekt Hoffnung", das seit 1989 in ländlichen Gebieten die Bildungsinfrastruktur ausbaut und Schüler(inne)n beim Zugang zur Bildung unterstützt. Das Projekt wird von der Stiftung zur Entwicklung der chinesischen Jugend (China Youth Development Foundation) getragen (siehe auch Kapitel Soziale Organisationen im Kinder- und Jugendbereich). Bis September 2019 ist es gelungen, mehr als 15 Milliarden Yuan an Spendengeldern für das Projekt einzuwerben. Damit wurden in ländlichen Gebieten rund 6 Millionen Schüler/-innen mit finanziellen Schwierigkeiten unterstützt und 20.195 Hope-Grundschulen gebaut. Ebenso wurden Schulen mit modernem Equipment, mit Mini-Bibliotheken sowie Unterrichtsmaterialien für die Bereiche Sport, Musik und Kunst ausgestattet.

Chinas Alphabetisierungsrate lag 2018 bei 96,84% Prozent, was das Beherrschen von immerhin mindestens 1.500 Schriftzeichen voraussetzt. Die Alphabetisierungsrate der 15- bis 24-Jährigen lag bei 99,78%, die Rate der über 65-Jährigen bei 84,96%. Die Analphabet(inn)en sind demnach insbesondere in der älteren Generation zu finden, wobei ¾ von ihnen Frauen sind.

Struktur des Bildungssystems

Die Verwaltung des chinesischen Bildungssystems ist dezentralisiert mit nachgeordneten Behörden in allen Provinzen, Autonomen Regionen, Kreisen und Städten. Die nationale Ebene ist für die Formulierung der Bildungspolitik und für die Begleitung von Reformen zuständig. Die Kompetenzen umfassen ebenso die Steuerung der Hochschulbildung und die Aufsicht über ausgewählte Eliteuniversitäten. Untere Ebenen können Bildung in finanzieller, personeller und inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich autonom umsetzen. Die Provinzebene ist u.a. auch für die Aufsicht von Universitäten zuständig. Für die Umsetzung der Pflichtschulbildung ist die lokale Ebene zuständig.

Mit dem Inkrafttreten des "Gesetzes der Volksrepublik China zur Schulpflicht" 1986 entstand ein Bildungssystem, das die Kinder mit Vollendung des sechsten Lebensjahres zum Besuch der sechsjährigen Grundschulzeit und dreijährigen Mittelschule verpflichtet und eine gebührenfreie Pflichtschulbildung gewährleistet. Laut aktuellem Bildungsbericht waren 99,95% der Kinder im Schulalter eingeschult. 99,1% aller Grundschüler/-innen konnten in die Mittelschule gehen. 95,2% aller Mittelschüler/-innen konnten nach der Pflichtschulzeit von einer Schule der Sekundarstufe II aufgenommen werden.
Ausführlichere Informationen gibt es auf der Webseite des Bildungsministeriums der Volksrepublik China.

Charakteristika des Bildungswesens

Der Unterricht erfolgt in Ganztagsschulen. Die durchschnittliche Klassengröße lag laut aktuellem Bildungsbericht bei 38 Schüler(inne)n pro Klasse in Grundschulen und bei 46 Schüler(inne)n pro Klasse in Mittelschulen. Die Sekundarbildung an den Mittelschulen ist in drei Jahre Unterstufe und drei Jahre Oberstufe aufgeteilt. Für den Übergang von der Unterstufe der Mittelschule in die Oberstufe gibt es je Provinz einheitlich geregelte Abschluss- und Aufnahmeprüfungen. Die für die Hochschulreife erforderliche Oberstufe ist nach wie vor gebührenpflichtig, womit eine Gleichstellung im Bildungssystem bei höheren Abschlüssen nach wie vor nicht erreicht wird. Nach erfolgreichem Bestehen der Oberstufe kann man sich für ein Studium entweder an der Universität (im Normalfall vierjährig) oder an der Fachhochschule (zweijährig) entscheiden. Die am Ende der Oberstufe stehenden landesweiten Prüfungen, welche über die Möglichkeit der Aufnahme eines Studiums entscheiden, werden „Gaokao“ genannt. Das Ergebnis dieser Prüfung ist entscheidend dafür, ob und an welcher Universität ein Studium aufgenommen kann. Mehr als 60% der Oberstufenschüler/-innen können sich an einer Hochschule einschreiben. In den 1980ern lag die Zahl noch bei 20%.

Neben den allgemeinbildenden Mittelschulen, die auf die Universitäten vorbereiten, gibt es berufsbildende sowie technische Mittelschulen. Diese können bspw. forstwirtschaftliche und landwirtschaftliche Einrichtungen ebenso wie technische Fachmittelschulen unter Leitung eines Unternehmens sein. Die Ausbildung dort dauert zwei bis vier Jahre. Danach folgt in der Regel der direkte Einstieg in das Berufsleben.

Die Kinder stehen oftmals unter Lern- und Erwartungsdruck. Als Kleinkinder verwöhnt und wie „kleine Kaiser“ behandelt, setzt mit dem Eintritt in die Grundschule häufig die „Bildungswut“ der Eltern ein. Oftmals endet der Schulalltag erst spät abends nach Ende der privaten Nachhilfekurse.  Konflikte in den Familien sind vorprogrammiert. Auch nach der Schulzeit stehen die Jugendlichen unter großem Lern- und Erwartungsdruck. Nur jede/r Zweite/r kann einen Platz an einer höheren Bildungseinrichtung bekommen, so dass die Prüfungen eine besondere Bedeutung haben. Junge Menschen mit Wohnsitz am Standort der Universität müssen bei den Prüfungen eine geringere Punktzahl erreichen. Dies bevormundet junge Menschen, die ihren Wohnsitz in Städten mit vielen Eliteuniversitäten (wie Beijing und Shanghai) haben. Durch die Selektionsmechanismen beim Zugang zu Bildungseinrichtungen werden die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten des Landes verstärkt. So herrscht trotz der Bildungsoffensive Ungleichheit.

Die Zahl der Studierenden wächst rasant. Bezogen auf die altersgleiche inländische Bevölkerung schrieben sich 2018 48,1% der jungen Menschen für ein Studium an einer Fachhochschule oder Hochschule ein. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Chinas Hochschulwesen in absehbarer Zukunft in die Phase der Breitenbildung eintreten wird. Im Bereich der Hochschulbildung hat sich die Zahl der Studierende seit dem Jahr 2000 mehr als vervierfacht.

Bildungsgefälle

Auch wenn die offizielle Einschulungsrate 99,78% beträgt, ist das Bildungssystem nach wie vor von starken regionalen Unterschieden gekennzeichnet. In China gibt es weiterhin ein Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land. Schulen in den ländlichen Regionen sind meist schlechter ausgestattet und die Gehälter der Lehrkräfte niedriger, wodurch die Lehrstellen an Attraktivität verlieren, was ein Grund für die häufig geringere Bildungsqualität sein mag. Im Nord- und Südwesten Chinas kommen zudem durch einen Mangel an Schulen und Lehrer(inne)n infrastrukturelle Probleme hinzu, die einen Schulbesuch erschweren. Aufgrund der meist schlechteren Einkommenssituation in ländlichen Regionen verlassen viele Kinder, insbesondere Mädchen, die Schule vor Abschluss der gesetzlichen Mindestschulausbildung, um ihre Familien finanziell zu entlasten und beispielsweise auf den Feldern und in der Landwirtschaft zu helfen. Auch der Analphabetismus ist auf dem Land höher als in den städtischen Gebieten. Laut aktuellem Bildungsbericht wurden 79,4% aller Kinder von Wanderarbeiter(inne)n an öffentlichen Schulen unterrichtet.

In den städtischen Gebieten dagegen sind durch den wirtschaftlichen Aufschwung immer mehr gut situierte Familien in der Lage, ihren Kindern über private Bildungseinrichtungen eine bessere Ausbildung zu ermöglichen. Bei den Großstädten im Osten des Landes (insbesondere Peking und Shanghai) wird auch von „Eliteninseln“ gesprochen. Seit den frühen 1990er Jahren bildete sich in den Städten ein breiter privater Bildungsmarkt heraus und Privatschulen entstanden auf allen Ebenen des Bildungssystems, von der Vorschuleinrichtung bis zur Hochschule. Bereits in der Verfassung von 1982 wurde private Bildung wieder erlaubt, das erste Gesetz zur Förderung von privaten Bildungseinrichtungen trat im Jahr 2003 in Kraft. Die Anzahl von privaten Bildungsangeboten ist in den letzten Jahren zwar angestiegen, spielt aber im Vergleich zum staatlichen Sektor eine untergeordnete Rolle. Laut aktuellen Bildungsbericht machten die Schüler/-innen an Privatschulen im Grundschulbereich 8,6% der gesamten Schülerzahl Chinas aus, im Mittelschulbereich 13,7%, im Oberschulbereich 13,8%, im Berufsschulbereich 17,3% und im Hochschulbereich 22,9%.

Der Jugendentwicklungsplan (2016-2025) knüpft an die Herausforderungen an und formuliert u.a. dahingehend Zielsetzungen, das Bildungsrecht der Jugendlichen noch besser zu gewährleisten und die Bildungschancen deutlich gerechter zu machen. Insbesondere sollen die Bildungsrechte der Kinder ländlicher Wanderarbeiter/-innen, welche in Städten leben, besser gewährleistet werden, so dass sie in den Städten ihre Schulpflicht erfüllen und an Prüfungen der fortführenden Schulen teilnehmen können. Allen Menschen die Teilhabe an der höheren Schulbildung zu ermöglichen wird als eine der wichtigsten Maßnahmen zur Erhöhung des Lebensniveaus der Bevölkerung gesehen. Bis 2030 soll ein modernes Bildungssystem nach chinesischem Verständnis etabliert sein.

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