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Bildung und Beschäftigung

Bildung

Bildung ist in Japan stark an den schulischen Bereich gebunden und wird nach dem Prinzip der ganzheitlichen Bildung verfolgt. Non-formale Bildung bzw. (außerschulische) Jugendbildung ist zumeist strukturell an die Schule gebunden, bspw. in Form von Nachmittagsaktivitäten, oder ist in Form von erlebnispädagogischen Angeboten der Bildungsstätten des National Institution for Youth Education (NIYE) stark institutionalisiert.

Der allgemeine Zugang zu Bildung wird durch Artikel 26 der japanischen Verfassung abgesichert, laut dem jeder Mensch das Recht hat, Bildung entsprechend seiner Fähigkeiten zu erhalten. In Japan genießt gute Bildung ein hohes Ansehen. Es herrscht die Überzeugung, dass der-/diejenige, der/die viel und fleißig lernt, zuletzt einen guten Beruf und somit einen hohen Lebensstandard erreichen wird. Dabei wird die Weichenstellung von den Eltern bereits in der Vorschule vorgenommen: Wessen Kind eine gute bzw. namenhafte Vorschule besucht hat, hat auch höhere Chancen, eine qualitativ hochwertige Grundschule zu besuchen usw. Diese Logik setzt sich bis zur Universität fort, wobei ein erfolgreicher Abschluss an einer renommierten Hochschule einen fließenden Übergang in einen gut bezahlten Job verspricht.

Das japanische Bildungssystem besteht aus einer sechsjährigen Grundschulzeit sowie jeweils drei Jahren Mittel- und Oberschule. Der größte Teil der Schüler/-innen (ca. 98 %) geht nach der Mittelschule auf die Oberschule und etwa die Hälfte besucht im Anschluss eine Universität, Fachhochschule oder Kurzuniversität. Wie in Deutschland liegt das Einschulungsalter bei 6 Jahren, der Schulbeginn für alle Schulformen bzw. der Semesterstart für die Universitäten fällt auf den 01. April. Auch wenn die Vorschule bzw. der Kindergarten nicht verpflichtend sind, werden diese von ca. 90% aller 4-bis 5-jährigen Kinder besucht.

Neben dem regulären – zumeist frontalen – Unterricht in Klassen von bis zu 40 Schüler(inne)n finden nachmittags zusätzlich sportliche und kreative Aktivitäten statt, in denen die Kinder und Jugendlichen sich ihren Interessen entsprechend entfalten können. Viele besuchen am Abend zusätzlich die sogenannten Pauk-Schulen (juku), in denen der in der Schule behandelte Stoff erneut durchgenommen wird, um sich für die Abschluss- und Aufnahmeprüfungen zwischen jeweils Mittel- und Oberschule und Universität vorzubereiten, die von hoher Bedeutung für den weiteren Werdegang sind.

Auch im internationalen Vergleich misst die japanische Regierung einem solch strikten Bildungssystem eine hohe Bedeutung zu: Nachdem man sich Anfang des Jahrtausends noch für eine lockere Bildungsform eingesetzt hat, die den allgegenwärtigen Druck aus dem System herausnehmen sollte, fiel man nach dem Pisa-Schock Mitte der 2000er in alte Strukturen zurück.

Vor allem in der Prüfungszeit verbringen japanische Kinder und Jugendliche den Großteil des Tages mit schulischen Aktivitäten und Lernen. Dadurch fehlt ihnen nicht nur Raum und Zeit für die persönliche Entfaltung und die Verfolgung eigener Interessen; der permanente Bildungs- und Wettbewerbsdruck ist für ein Drittel aller Suizide in der Altersgruppe der bis 19-Jährigen verantwortlich (JPN; PDF 759 KB).

Auch wenn die verpflichtende Schulzeit von 9 Schuljahren (im Alter von 6 bis15 Jahren) laut japanischer Verfassung kostenlos ist, tragen im Vergleich zum deutschen Schulsystem die Eltern des Schulkindes in den fortführenden Bildungsstufen einen erheblich höheren Eigenkostenanteil. Dies liegt auch daran, dass der Anteil an privaten Einrichtungen mit jeder weiterführenden Schule zunimmt: Während die Einrichtungen in der Grund- und Mittelschule noch zu über 90% aus staatlicher Hand kommen, sind es in der Oberschule nur noch 68%. Bei den Universitäten fallen nur noch 21% der Einrichtung unter die staatliche Verantwortung; die übrigen 79% der Universitäten sind auf private Anbieter zurückzuverfolgen (Entrich, 2018: 35). [1]

Obwohl die Schulkosten einkommensabhängig gestaffelt sind, ergibt sich so zunehmend eine „Bildungsschere“, da sich einkommensniedrige Haushalte weniger angesehene Schulen für ihre Kinder leisten können. Da die renommierten japanischen Firmen ihren Nachwuchs zumeist nur von den Top-Universitäten beziehen, ist die Gefahr der „Armutsvererbung“ in Japan sehr hoch. Zusätzlich können sich durch den hohen Eigenkostenanteil japanische Familien zumeist nur die Ausbildung für ein Kind leisten, was wiederum Auswirkungen auf die Geburtenrate und die Bevölkerungsentwicklung hat. Dementsprechend wichtig ist es für viele Familien, dass ihr Kind die Aufnahmeprüfung für eine der staatlichen Hochschulen und Universitäten besteht.

Inzwischen gibt es politische Bestrebungen, den gesamten Pflichtschulbesuch tatsächlich kostenlos werden zu lassen. Erste Schritte dafür ging die japanische Regierung mit dem Inkrafttreten des Free education program, das Bildungseinrichtungen dazu verpflichtet, die Schulkosten für Schüler/-innen aus einkommensniedrigen Haushalten zu verringern bzw. ganz zu streichen. Die Unterstützung entfällt jedoch, wenn der/die Schüler/-in keine zufriedenstellenden Schulleistungen vorweisen kann oder häufig fehlt. Ebenso greift die Regelung zwar bei fast allen staatlichen Institutionen, jedoch nicht bei Berufsschulen oder privaten Bildungsbetrieben.

Währenddessen häufen sich die Fälle von mangelnder Schulleistung, unzureichender Lernbereitschaft, medialem Suchtverhalten und Schulabstinenz, weshalb Letzteres in Japan zunehmend in den Blick gerät. Um den Herausforderungen zu begegnen ist unter anderem ein Gesetz zur Sicherstellung von Chancengleichheit für schulische Erziehung und Bildung erlassen worden. Durch alternative Lernmöglichkeiten wie Free Spaces bzw. Free School soll schulabsenten Kindern und Jugendlichen durch individuelle Förderung der Zugang zum Bildungssystem offengehalten werden.

 

[1] Entrich, Steve (2018): Shadow education and social inequalities in Japan, Heidelberg: Springer Verlag.

Beschäftigung

Eine erfolgreich abgeschlossene Bildungslaufbahn zog in den vergangenen Jahrzehnten einen schnellen Berufseinstieg nach sich, dem im Normalfall eine lebenslange Beschäftigung, also bis zur Rente, in derselben Firma folgte.

Die Schulen nehmen bei diesem Übergang in die Arbeitswelt eine wichtige Funktion ein. Sie haben gute Kontakte zu Unternehmen und arbeiten eng mit öffentlichen Arbeitsvermittlungen zusammen. Zudem wird in den Schulen das Konzept von Career Education umgesetzt, das auf die Karriere- und Lebenswegplanung abzielt und die jungen Menschen u.a. auch charakterlich auf eine möglichst hohe Identifizierung mit dem Arbeitgeber vorbereiten soll.

Im Idealfall erfolgt so ein sanfter und komplikationsloser Übergang in den Beruf. Die weitere berufliche Bildung übernimmt die Firma durch ein training on the job, das an die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst ist. So soll der/die Berufseinsteiger/-in auch in möglichst hohem Maße an das Unternehmen gebunden werden.

Aufgrund des demographischen Wandels gibt es zurzeit auf dem japanischen Arbeitsmarkt mehr Berufsstellen als Bewerber/-innen. Die Gesamtarbeitslosenquote lag 2023 bei 4,2 % (zum Vergleich 2019: 3,9 %).*

Im Gegensatz zu älteren Generationen ist für viele junge Berufstätige eine lebenslange Beschäftigung in derselben Firma jedoch unattraktiv oder unrealistisch. Zusätzlich treffen junge Absolvent(inn)en zunehemend auf (prekäre) Beschäftigungsverhältnisse, die durch befristete Arbeitsverträge, einen hohen Leistungsdruck, eine schlechte Bezahlung und fehlende Sozialversicherungen zusätzlich unattraktiv sind. Die in klassischen japanischen Unternehmen herrschenden starken Hierarchien und der ausgeprägte Paternalismus entsprechen teilweise auch nicht dem Zeitgeist und den Vorstellungen junger Menschen.


* International Labour Organization: “ILO Modelled Estimates and Projections database ( ILOEST )” ILOSTAT. Online: ilostat.ilo.org/data (aufgerufen am 10.04.2024)

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