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Länderinformation Japan

Digitalisierung und Medien

Um das mediale Verhalten junger japanischer Nutzer/-innen einordnen zu können, muss ein kurzer Blick auf die japanische Medienlandschaft geworfen werden, die aufgrund spezifischer Eigenmerkmale nicht automatisch mit der deutschen Medienlandschaft verglichen werden kann.

Japanische Medienlandschaft

Im Vergleich zu Deutschland werden die Printmedien in Japan noch wesentlich mehr genutzt: Die fünf größten japanischen Tageszeitungen gehören zu den auflagestärksten der Welt. Hinter diesen Tageszeitungen befinden sich in Japan fünf große, fast gleichstarke Mediengruppen, die jeweils eine Zeitung und einen nationalen Fernsehsender betreiben. Obwohl somit eine große mediale Bandbreite gegeben ist, die viel Potential für Informationsvielfalt hat, weisen diese fünf Mediengruppen in ihrer Berichterstattung große Ähnlichkeiten auf. Auch die Rangliste der Pressefreiheit 2019 von Reporter ohne Grenzen kritisiert, dass der Medienpluralismus „zunehmend durch Medienbesitzkonzentration und Wirtschaftsinteressen unter Druck“ gerät und regierungskritische Medienschaffende systematisch benachteiligt werden.

Da die japanische Verfassung Zensur verbietet, bezieht sich diese Kritik auf die von den japanischen Medien ausgehende Selbstzensur, die ein wesentlicher Bestandteil des Presseclubsystems ist, „das in seiner institutionalisierten Form weltweit einzigartig ist“ (Nicolaysen in Wördemann, S. 204 [1]). Jede wichtige Institution und somit potentielle Nachrichtenquelle, so zum Beispiel Ministerien, politische Parteien oder Verbände, hat einen solchen Presseclub. Diese Räume werden ausgewählten Journalisten aus den führenden Medienorganisationen zur direkten Nachrichtenweitergabe gestellt.

[1] Nicolaysen, Lars: Japans Massenmedien, in: Wördemann, Raimund; Yamaguchi, Karin (Hrsg.) (2014): Länderbericht Japan. Die Erarbeitung der Zukunft, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 201-212

Junge Menschen und Social Media in Japan

Aufgrund dieser einzigartigen Selektion und Verteilung von Informationen in der traditionellen japanischen Medienlandschaft wird das Internet mit seinen Plattformen immer mehr als alternatives Medium zur Meinungsartikulation und Verbreitung von Informationen genutzt. Vor allem junge Menschen, die sich aufgrund der Verteilung in der japanischen Regierung unter- bzw. gar nicht repräsentiert fühlen, nutzen die sozialen Medien, um sich außerhalb realer Demonstrationen als Gruppe zu akkumulieren und ihre Meinungen auszutauschen. Sofern die online geführten Diskussionen genug Aufmerksamkeit erregen bzw. Unterstützung finden, werden sie teilweise auch in die nationale, offizielle Berichterstattung übernommen und können reale Konsequenzen nach sich ziehen.

Junge Menschen nutzten die sozialen Netzwerke in letzter Zeit beispielsweise, um auf die schlechte Bezahlung von Teilzeitkräften, (digitales) Mobbing oder die mangelnde Sicherheit für Frauen an Bahnhöfen aufmerksam zu machen. Auch soziale Bewegungen wie #WeToo und #KuToo, die sexuelle Belästigung bzw. die Diskriminierung am Arbeitsplatz von Frauen kritisieren, werden über soziale Medien und den weit genutzten Messenger-Dienst LINE organisiert und verbreitet.

Neben den dargestellten positiven Effekten durch die digitalen Medien hat Japan aufgrund ausbaufähiger Regulationsmechanismen und teils fehlender lokaler Unterstützungssysteme auch mit den negativen Folgen der neuen (sozialen) Medien zu kämpfen. In Japan entwickelt sich in Zusammenhang mit einer extremen Form der sozialen Isolation eine neue Problemebene von Computer- bzw. Videospielsucht. Die als hikikomori (dt. „ins Haus Zurückgezogene“) bekannten, zumeist – aber nicht ausschließlich – jungen Menschen, schließen sich in ihr Zimmer/ihre Wohnung ein und reduzieren den sozialen Kontakt auf das absolute Minimum. So entstehende Beziehungsverluste in der realen Welt werden vermehrt über mediale Netzwerke kompensiert. Schätzungen zufolge – da statistische Erhebungen aufgrund der schweren Erreichbarkeit der Betroffenen kaum möglich sind – fallen unter diese Definition ein bis zwei Millionen Japaner/-innen.

In Japan ist man technischen Neuerungen gegenüber grundsätzlich sehr aufgeschlossen, wobei die Vermittlung eines breiten Verständnisses von Teilhabe, Partizipation und eigenverantwortlicher Nutzung, wie es im Rahmen der medienpädagogischen Ansätze in Deutschland üblich ist, eher weniger im Fokus stehen. Stattdessen wird in Schulen der Umgang mit Medien im Fach Informationsbildung sehr systematisch behandelt, wobei dort der Umgang mit Falschmeldungen, die Prävention von digitalem Mobbing oder Robotik thematisiert werden.

Robotik und KI

Japan ist wie kaum ein anderes Land für seine Entwicklungen in der Robotik und der Künstlichen Intelligenz (KI) bekannt. Nachdem beide Bereiche vor allem im Service- und Entertainmentbereich erstarkt sind, versucht die japanische Regierung seit einiger Zeit auch mit neuen Entwicklungen systemischen Problemen entgegenzuwirken. So veröffentlichte die dem Kabinettbüro unterstellte Leitstelle für die Revitalisierung der japanischen Wirtschaft im Februar 2015 eine Neue Roboter Strategie (EN; PDF 1,1 MB). Diese sieht vor allem in den Bereichen Produktion/Wertschöpfung, Pflege/Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Katastrophenprävention eine Weiterentwicklung bestehender Systeme sowie eine Unterstützung dort tätiger Arbeitskräfte vor. So soll die Gesellschaft nach und nach in allen Lebens- und Arbeitsbereichen von Robotik und KI durchzogen werden. Besonders für Jugendliche zieht dies in Bezug auf ihre Berufswahl und auf ihren späteren Berufsalltag Konsequenzen nach sich, da neue Arbeitsbereiche anfallen bzw. andere wegbrechen. Da das Strategiepapier auf fünf Jahre ausgelegt ist kann davon ausgegangen werden, dass 2020 eine Überarbeitung erfolgen wird.

Staatliche Maßnahmen

Es lassen sich grundsätzliche Bemühungen der japanischen Legislative erkennen, um Kinder und Jugendliche vor schädlichen Inhalten im medialen Raum zu schützen. Als gesetzlicher Grundstein ist hier das Youth Net Regulation Law zu nennen, das am 01.04.2009 in Kraft trat. Es soll vor allem die Konfrontation von jungen Leuten (unter 18 Jahre) mit schädlichen Inhalten verhindern.

Als Erweiterung dieses Gesetzes kann das Gesetz zur Erhaltung eines sicheren Internetumfelds für Kinder und Jugendliche angesehen werden, das seit Februar 2018 den Schutz von Kindern und Jugendlichen im medialen Raum erhöhen soll. Das Gesetz verpflichtet die Telekommunikationsanbieter zu Filtermaßnahmen, um vor allem Jugendliche unter 18 Jahre durch bereits installierte Filterprogramme zu schützen oder durch Informationsbroschüren für das Thema zu sensibilisieren bzw. zu schützen. Durch das Gesetz sind Smartphone-Hersteller zusätzlich zu einer Altersüberprüfung des/der Käufers/-in verpflichtet und – falls diese/-r jünger als 18 Jahre ist – Schutzprogramme auf das Handy aufzuspielen. Die Einhaltung der Auflagen wird kontinuierlich mithilfe von Testkäufen überprüft.

Hauptakteur auf staatlicher Seite ist das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT), in dessen Aufgabenbereich auch der Kinder- und Jugendmedienschutz fällt. Viele gesetzliche Maßnahmen und landesweite Studien zum medialen Umfeld junger Menschen werden durch MEXT initiiert. Die Zuständigkeit liegt jedoch nicht immer alleine bei MEXT. Manche Maßnahmen werden ressortübergreifend unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Justiz- und Gesundheitsministerium durchgeführt.

Zusätzlich zu den staatlichen Trägern gibt es im Vergleich zu Deutschland eine kleinere Landschaft von nichtstaatlichen Akteuren, die vor allem auf lokaler Ebene mit Infobroschüren und Vorträgen in Schulen für die Probleme des digitalen Raumes zu sensibilisieren versuchen und so städtische und kommunale Angebote ergänzen. Landesweit agierende NGOs tragen zumeist durch Studien zu der Datenlage bei, um Lösungen für die medialen Herausforderungen zu finden.

Für weitere Informationen kann auch in diesem IJAB-Reader weitergelesen werden, der für die 2019 und 2020 durchgeführten deutsch-japanischen Fachkräfteprogramme unter dem Thema „Das mediale Umfeld junger Menschen: Herausforderungen und Lösungsansätze“ erstellt wurde.

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