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Länderinformation Japan

Partizipation und Citizenship

Das Verständnis von (politischer) Partizipation und Citizenship ist in Japan ein anderes, als in Deutschland. Der Inselstaat ist offiziell seit 1945 eine parlamentarische Demokratie. Es ist zu beobachten, dass manche traditionellen demokratischen Instrumente - z.B. Demonstrationen - seltener und weniger intensiv genutzt werden. Dies mag teilweise auch auf kulturelle Gegebenheiten der japanischen Gesellschaft zurückzuführen sein, nach denen beispielsweise öffentliche Kritik ungern gesehen wird.

Politische Bildung

Laut der Internationalen Vergleichsstudie zu den Grundeinstellungen der japanischen Jugend hatten 2018 nur 43,5% der befragten japanischen Jugendlichen ein Interesse an politischen Prozessen (Vergleich Deutschland: 70,6%).

Politisches Interesse wird oft bereits in frühen Altersstadien genährt. Prägende Instanzen stellen dabei vor allem die Familie, aber auch die Schule oder außerschulische Angebote dar, die politische Diskurse bzw. Bildung ermöglichen und so politisches (Eigen-)Interesse schärfen sollen. In Japan sind diese Grundpfeiler politischer Bildung teilweise nicht zu finden: Japanische Lehrer/-innen sind wie in Deutschland zwar „nur“ an das politische Neutralitätsgebot gebunden, allerdings ist es im Unterricht nicht üblich, die Schüler/-innen zu politischem Denken zu stimulieren. Politische Bildung ist im japanischen Schulunterricht somit grundsätzlich erlaubt, die Gründe für ihr Ausbleiben sind jedoch spekulativ, da es keine offiziellen, landesweiten Erhebungen zu diesem Thema gibt. Auch in der Familie als Ort der politischen Erziehung finden eher selten politische Diskussionen statt.

Politische Partizipation

Wer das partizipative Verhalten einer Gesellschaft einschätzen will, blickt zunächst auf die Wahlbeteiligung der Bevölkerung. In Japan lässt sich im Vergleich zu Deutschland bei den Oberhauswahlen von 1989-2016 ein auf niedrigerem Niveau stagnierender Urnengang von ca. 55,6% feststellen (Deutschland 2017: 76,2%). Die Prozentzahl verschärft sich nochmals bei der jüngeren Wahlbevölkerung.

Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass sich die jungen Wähler/-innen aufgrund der Verteilung in der japanischen Regierung unter- bzw. gar nicht repräsentiert fühlen. So beträgt das Durchschnittsalter des jetzigen Oberhauses 57 Jahre, wobei lediglich 50 der 244 Amtsträger Frauen sind. Auch das Maßnahmenpaket Womenomics der japanischen Regierung hat noch nicht die gewünschten Absichten erreichen können, Frauen im Berufsalltag und in Führungspositionen abzusichern bzw. zu etablieren.

Insgesamt scheint laut dem Edelman Trust Barometer von 2019 (EN; PDF 20,2 MB) in Japan ein Vertrauen in die eigene Politik zu fehlen: Japan liegt mit 39 von 100 Punkten auf einem der letzten Plätze aller befragten Länder. Selbiger Bericht zeigt auch, dass die Befragten in Japan am wenigsten an eine Verbesserung ihrer Lebenssituation in den kommenden fünf Jahren glauben. Beide Elemente - Vertrauen in die Politik und Hoffnung für die Zukunft - sind für eine aktive politische Partizipation jedoch notwendig.

Abseits öffentlicher Wahlen ließ sich politische Partizipation durch die Bevölkerung in Japan vor allem bei den zwei Anti-Atomkraft-Bewegungen nach Tschernobyl 1979 und der Dreifachkatastrophe 2011 beobachten. Ansonsten sind Demonstrationen im Sinne von „auf die Straße gehen“ in Japan jedoch nicht gerne gesehen, da sie mit den relativ gewaltgeprägten Demonstrationen der 60er und 70er Jahre gleichgesetzt werden. Trotzdem lässt sich nun mit den Protesten gegen die Olympischen Spiele, der Fridays for Future Bewegung und jüngst auch der Black Lives Matter Bewegung wieder öffentliches politisches Verhalten (der sonst als apolitisch verurteilten japanischen Jugend) abseits des Urnengangs beobachten.

Aufgrund dieser gesellschaftlichen und systemischen Umstände verlagert sich inzwischen ein Großteil politischer Partizipation bei Jugendlichen in den medialen Raum, in dem vor allem über Social Media-Kanäle Bewegungen wie #KuToo und #WeToo initiiert werden.

Freiwilliges Engagement

Im Vergleich zu Deutschland hat zivilgesellschaftliches Engagement in Japan eine jüngere Geschichte. Erst im Laufe der 1990er Jahre entwickelte sich in Japan nach langjähriger Debatte eine neue gesellschaftliche Bedeutung und Bewertung von zivilgesellschaftlichem Engagement, das in dem Begriff borantia shakai (ehrenamtlich-orientierte Gesellschaft) zum Ausdruck kam.

Das Erdbeben von Kobe 1995, in dessen Folge und als Reaktion auf eine desorganisierte Regierung sich spontan 1,3 Mio. freiwillige Helfer/-innen organisierten, hat zu diesem gesellschaftlichen Wandel beigetragen. Weiterhin wurde 1998 mit der Verabschiedung des sog. NPO-Gesetzes Gesetz zur Förderung von besonderen nonprofit-orientierten Aktivitäten der Weg für die Gründung vieler Organisationen mit freiwilligen Aktivitäten geebnet. Das Gesetz formulierte außerdem das Ziel, bürgerschaftliches Engagement zu fördern und konstituierte erstmals eine neue Organisationsform für Bürger/-innen, indem der Rechtsstatus der Nonprofit-Organisation eingeführt wurde.

Im Zuge dessen engagieren sich jährlich circa 7,1 Millionen Japaner/-innen in circa 190.000 Freiwilligengruppen (Stand April 2017). Die Internationale Vergleichsstudie zu den Grundeinstellungen der japanischen Jugend von 2018 belegt zusätzlich, dass jeder dritte Jugendliche (vor allem Studierende) Interesse an Freiwilligentätigkeiten hat, wobei sich die Motivation vor allem auf die Unterstützung von Hilfsbedürftigen und die Verbesserung der eigenen Gemeinschaft und Gesellschaft konzentriert. Weiterhin zeigt das White Paper on Children and Young People von Juni 2019, dass sich in Freiwilligenaktivitäten gesammelte Erfahrungen positiv auf die Grundeinstellungen junger Menschen auswirken: Sie haben im Vergleich zu ihren Mitbürger(inne)n ohne Freiwilligenerfahrungen nicht nur ein größeres Interesse an Auslandaufenthalten, sondern auch mehr Glauben in sich und an die eigene Selbstwirksamkeit. So wiederum steigt ihr Interesse an der eigenen Landespolitik und internationalem Austausch.

Für einen ersten Eindruck gibt es (auf Japanisch) die Homepage der NPO activo, die als eine erste Anlaufstelle für interessierte Freiwillige dient. Auch die Japan International Corporation Agency (JICA) bietet jungen Menschen die Möglichkeit, sich in entwicklungspolitischen Projekten weltweit als Freiwillige zu engagieren.

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