Der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 sieht erhebliche Kürzungen vor und trifft das zentrale Förderinstrument, den Kinder- und Jugendplan (KJP) mit voller Härte. Standen 2023 für die Soll-Ausgaben 239.134.000 € zur Verfügung, sind für 2024 nur noch 194.549.000 € vorgesehen. Eine Kürzung um 44.585.000 €, also um 18,64 %, steht ins Haus.
Eine solche Kürzung trifft die Kinder- und Jugendarbeit insgesamt sehr hart und bedeutet für viele Träger existenzielle Einschnitte. Massive Auswirkungen wird das auch auf die internationale Arbeit haben. Träger, die ihre Strukturen nicht mehr sicher finanzieren können, werden keine internationalen Aktivitäten mehr anbieten können.“
IJAB-Vorsitzender Rolf Witte
Dabei kann die Nachfrage nach internationalen Begegnungen und Freiwilligendiensten schon jetzt nicht mehr angemessen bedient werden. Austausche mit Israel beispielsweise können kaum noch gefördert werden aufgrund der gestiegenen allgemeinen Kosten, insbesondere für die Anreise. Auch im Austausch mit anderen Ländern müssen die einzelnen Förderquoten bereits gesenkt werden, um mit den verfügbaren Mitteln eine größere Anzahl Anträge unterstützen zu können.
Der internationale Jugendaustausch ist in der gegenwärtigen Zeit der Umbrüche durch die Pandemie, globale Herausforderungen wie die Klimakrise und den Krieg gegen die Ukraine, ein wichtiges Element, um jungen Menschen Erfahrungen des interkulturellen Lernens und der internationalen Zusammenarbeit zu ermöglichen. Diese Erfahrungen erhöhen die Chancen, auf globale und internationale Herausforderungen auch in Zukunft passende Antworten zu finden. Statt der geplanten Kürzungen wäre deshalb eine Aufstockung der Mittel für die internationale Arbeit im KJP nötig.
Internationale Jugendarbeit braucht eine starke bundeszentrale Infrastruktur, um die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen meistern zu können. Ohne eine bedarfsgerechte Ausstattung wird
- die Zahl der Teilnehmenden am Jugendaustausch aufgrund der verschlechterten Rahmenbedingungen, wie höhere Kosten für Transport, Unterkunft, Verpflegung, Versicherung und Programmausgaben sowie aufgrund der geringeren Förderung deutlich sinken,
- es durch eine unvermeidliche Erhöhung der Teilnehmenden-Beiträge wieder stärker von den finanziellen Möglichkeiten der Kinder- und Jugendlichen und ihrer Familien abhängen, ob sie an einer internationalen Aktivität teilnehmen können,
- der Austausch mit Ländern erschwert, die nicht im Fokus einer besonderen bilateralen Förderung stehen,
- eine langfristige Zusammenarbeit mit Partnerstrukturen im Ausland in Gefahr gebracht – gerade, wenn dort keine staatlichen Mittel für Jugendaustausch zur Verfügung stehen.
Junge Menschen mussten schon in der Pandemie extrem zurückstecken. Die Nachfrage nach Auslandsaktivitäten ist jetzt sehr hoch, die Jugendlichen haben Nachholbedarf. Internationaler Austausch ist ein Schlüsselelement für eine nachhaltige und der Wahrung der Menschenrechte verpflichtete Welt, in der junge Menschen selbstbestimmt handeln und sich als Europäer*innen und Weltbürger*innen erleben können. Diese Chance dürfen wir ihnen nicht erneut nehmen! Wir appellieren eindringlich an die Bundestagsabgeordneten, nachzusteuern.“
IJAB-Vorsitzender Rolf Witte
IJAB-Vorstand, 28. August 2023
Nachfolgend Reaktionen und Positionen einzelner Mitglieder von IJAB zu den geplanten Kürzungen kurz zusammengefasst:
DBJR
Daniela Broda, die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR), kommentierte den beschlossenen Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2024 wie folgt: „Aus unserer Sicht ist die Entscheidung der Bundesregierung, den Kinder- und Jugendplan des Bundes massiv um fast ein Fünftel zu kürzen, ein fatales Signal für junge Menschen in Deutschland. Die Bundesregierung nimmt in Kauf, etablierte Strukturen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in kurzer Zeit zu zerschlagen. Der Umgang der Bundesregierung mit der Zivilgesellschaft, welche die Demokratie in Deutschland trägt, macht mir große Sorgen.“
Nach Ansicht des DBJR https://www.dbjr.de/artikel/haushalt-2024-bundesregierung-will-kjp-um-19-prozent-kuerzen werden die Kürzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch Einschnitte für das Handlungsfeld Jugendverbandsarbeit im Kinder- und Jugendplan und für die Leistungsfähigkeit selbstorganisierter Jugendverbandsstrukturen in Deutschland nach sich ziehen.
BKJ
In der Meldung der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) vom 7. Juli 2023 https://www.bkj.de/news/bundeshaushalt-2024-kuerzt-kinder-und-jugendplan-und-freiwilligendienste/ heißt es: „Sicher ist […], dass der Haushaltsentwurf Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe vorsieht, die die Strukturen der Kulturellen Bildung treffen werden. Darüber hinaus ist die tarifliche Bezahlung von Fachkräften in der Kulturellen Bildung nicht sichergestellt. Denn während in anderen Häusern Tarifsteigerungen eingeplant wurden, wurden diese in der Planung des KJP ausgeschlossen.“
dsj
Die Deutsche Sportjugend (dsj) https://www.dsj.de/news/haushaltsentwurf-der-bundesregierung-fuer-2024-sendet-falsches-signal-fuer-kinder-und-jugendliche meint, dass der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2024 ein falsches Signal für Kinder und Jugendliche sende. „Der Sport erreicht über 9 Millionen junge Menschen. Die Jugendarbeit, die in unseren Verbänden und Vereinen stattfindet, leistet einen elementaren Beitrag zum gesunden Aufwachsen unserer Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Die signifikanten Kürzungen für die Kinder- und Jugendarbeit und die Freiwilligendienste im Haushalt der Bundesregierung bedeuten für den Kinder- und Jugendsport enorme Einschnitte in der Qualität und Quantität. Damit wird nach der Coronapandemie erneut zum Nachteil der Kinder und Jugendlichen entschieden. Ich halte das für ein absolut falsches Signal!", so der 1. Vorsitzende der dsj, Stefan Raid
AdB
Auch der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) macht seine Position deutlich: https://www.adb.de/pm/adb-gegen-drastische-kuerzungsabsichten-bei-politischer-bildung-und-jugendarbeit „Wenn die Kürzungen so umgesetzt werden, droht uns ein Substanzverlust für die wichtige Arbeit der Demokratiebildung.“ Zitat AdB-Vorsitzender Boris Brokmeier
In der Meldung des AdB heißt es weiterhin, dass die Kürzungen im Kinder- und Jugendplan sich auch in der Fläche deutlich bemerkbar machen würden, da Träger auf Bundesebene Fördermittel für nationale und internationale Arbeit für und mit Kindern und Jugendlichen an ihre Mitglieder weitergäben. In der Folge hieße das: weniger Angebote politischer Bildung für junge Menschen.
AGJ
Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) hat mit den zuvor genannten und weiteren Trägern einen Aufruf an die Jugendpolitiker*innen und Haushaltspolitiker*innen im Bundestag https://www.agj.de/fileadmin/files/230713_Aufruf_an_BT_zum_Kinder-_und_Jugendplan_des_Bundes_final_akt..pdffür den Erhalt und die Stärkung der bundeszentralen Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe initiiert, dem sich innerhalb kürzester Zeit die überwiegende Mehrheit der KJP-Träger angeschlossen hat. Darin heißt es unter anderem: „Wir vertrauen darauf, dass Sie sich in den kommenden Haushaltsberatungen gegen die geplanten Kürzungen, für einen starken, bedarfsgerecht ausgestatteten KJP und damit für Kinder, Jugendliche und ihre Familien einsetzen.“
Arbeit und Leben
Nach Ansicht des Bundesarbeitskreises Arbeit und Leben steht mit den Kürzungen im Haushalt die politische Jugendbildung „auf der Kippe“ https://www.arbeitundleben.de/aktuelles/politische-jugendbildung-steht-auf-der-kippe.
„Die geplanten Einsparungen im Kinder- und Jugendplan sind existenzgefährdend für die politische Kinder- und Jugendbildung. Wenn es darum geht, gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen, wird nach den Trägern gerufen. Stattdessen ist der Haushaltsentwurf nicht die im Koalitionsvertrag versprochene bedarfsgerechte Ausgestaltung, sondern ein Schlag ins Gesicht.“ Zitat Elke Hannack, Präsidentin von Arbeit und Leben
AKSB
Auch die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB) warnt vor massiven Kürzungen in der politischen Bildung https://www.aksb.de/aktuelles/kjp-kuerzung-verhindern. Nach deren Meinung gefährden die für den Kinder- und Jugendplan sowie den Etat der Bundeszentrale für politische Bildung geplanten Kürzungen die demokratiebildende Arbeit der Bildungsträger.
(Zusammenstellung: Stephanie Bindzus, Susanne Klinzing)