Internationalisierung

Youth23 Konferenz für die Jugendarbeit in Finnland

Größtes Treffen der Jugendarbeit findet jährlich statt

Wege in eine gute Zukunft – so lautete der Titel der finnischen nationalen Tage der Bildungs- und Jugendarbeit Youth23 (Nuori23), die Ende April in Jyväskylä in Mittelfinnland stattfanden. Die jährlich organisierte dreitägige Veranstaltung richtet sich an Fachleute, Entscheidungsträger*innen, Studierende und Freiwillige aus dem Bildungs- und Jugendbereich (Jugendarbeit und Forschung) in Finnland. IJAB hat auf Einladung von Allianssi an der Veranstaltung teilgenommen.

19.05.2023 / K. Wondratschek

Als größte Veranstaltung und größtes Treffen von Personen aus dem Bildungs- und Jugendbereich war die YOUTH23 auch dieses Jahr mit ca. 2 500 finnischen Fachleuten wieder sehr gut besucht. Hier kommen Personen aus verschiedenen Kommunen, Regionen, Kirchengemeinden und Bildungseinrichtungen aus ganz Finnland teil sowie eine internationale Delegation zusammen. Ähnlich wie auch beim Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag gibt es für die Besucher*innen ein umfangreiches Programm auf Finnisch und Englisch und ca. 80 Messestände, auf denen sich Projekte, Organisationen sowie Netzwerke aus dem Jugend- und Bildungsbereich präsentieren. Ziel der Veranstaltung ist es, Fachwissen zu entwickeln, sich landesweit auszutauschen und die Wertschätzung für den Bildungs- und Jugendsektor zu erhöhen. 

Parallel dazu findet jährlich auch ein vielfältiges internationales Begleitprogramm für Fachkräfte europäischer Organisationen aus dem Bereich der Jugendarbeit statt. Rund 50 Personen aus 17 Ländern nahmen in diesem Jahr an dem Programm teil. IJAB war Teil der internationalen Delegation. Die Vorträge, Workshops und Podiumsdiskussionen in englischer Sprache waren auch für das finnische Fachpublikum geöffnet. Dies bot den europäischen Partnerorganisationen sehr viel Gelegenheit, Praktisches und neueste Entwicklungen über die finnische Jugendarbeit zu erfahren, mit finnischen und anderen europäischen Kolleg*innen gemeinsam zu diskutieren und sich zu vernetzen, zum Beispiel zu den Themen soziale Inklusion, Innovationen in der Jugendarbeit, Jugendbeteiligung und Interessenvertretungen, aktuelle Jugendforschung und Digitalisierung.

Jugendarbeit und Jugendpolitik in Finnland

Juha Nieminen, Universitätsdozent für Jugendforschung und Jugendarbeit an der Tampere Universität, stellte die Struktur und die Finanzierung der finnischen Jugendarbeit und die finnische Jugendpolitik vor. Das Ministerium für Bildung und Kultur ist zuständig für die allgemeine Verwaltung, Koordinierung und Entwicklung der nationalen Jugendpolitik in Finnland und soll günstige Bedingungen für die Umsetzung schaffen. Die Verantwortung für die lokalen Verwaltungsaufgaben im Bereich der Jugendarbeit und -politik liegt bei den regionalen Landesverwaltungsbehörden. Das nationale Programm für die Jugendarbeit und Jugendpolitik wird alle vier Jahre erneuert. Zurzeit wird ein neues Programm erarbeitet, das ab 2024 greifen soll. Thematisch wird für das neue Programm erwartet, dass die beiden großen Themen des aktuellen Programms ‚soziale Inklusion‘ und ‚Partizipation‘ auch ab 2024 weiterhin die Hauptthemen sein werden, laut Nieminen.

Im Jahr 2024 wird die Finanzierung der finnischen Jugendarbeit reformiert und umstrukturiert. Lotterieeinnahmen sollen dann nicht mehr wie bisher zu einem bestimmten Prozentanteil direkt in die Jugendarbeit fließen, sondern gehen zunächst in den Staatshaushalt über. Erst danach werden die Finanzen vom Staatshaushalt verteilt. Der Bereich der Jugendarbeit befürchtet einen hieraus entstehenden Nachteil, da nicht mehr per se mit einer jährlich festen Summe aus den Lotterieeinnahmen gerechnet werden kann.

Outreach Youth Work in Finnland

In einem weiteren Vortrag stellte Miikka Piiroinen das Modell der aufsuchenden Jugendarbeit (outreach youth work) in Finnland vor. Piiroinen arbeitet als Fachkraft für Into – das Kompetenzzentrum für aufsuchende Jugendarbeit und Jugendwerkstatt-Aktivitäten und er ist an der Weiterentwicklung der aufsuchenden Jugendarbeit auf nationaler Ebene beteiligt.

Aufsuchende Jugendarbeit soll die Eigenmotivation, Selbstständigkeit und die sozialen Fähigkeiten junger Menschen fördern. Sie sollen darin bestärkt werden ihren eigenen Weg in die Zukunft zu finden und Dienstleistungen, die speziell an sie gerichtet sind, kennenzulernen und zu nutzen. Das Angebot der aufsuchenden Jugendarbeit richtet sich an alle jungen Menschen zwischen 15 und 28 Jahren unabhängig davon, wie ihre Situation, ihre Frage, ihr Anliegen oder ihr Problem sein mag. In der Praxis wird die aufsuchende Jugendarbeit mehr oder weniger gezielt angeboten, vor allem für junge Menschen, die nicht in einer schulischen Laufbahn oder beruflichen Ausbildung sind ("NEETs") und auch nicht von einer anderen z.B. sozialen oder gesundheitlichen Leistung profitieren.

Auf regionaler Ebene gibt es ein Netzwerk von 18 Koordinator*innen in 17 Regionen, die die Sozialarbeiter*innen bei ihren täglichen Arbeit der aufsuchenden Jugendarbeit unterstützen und die Kommunikation zwischen aufsuchender Jugendarbeit und den regionalen Verwaltungsbehörden, für Ministerium für Ministerium für Bildung und Kultur und dem Kompetenzzentrum übernehmen. 2021 wurden ca. 20 000 junge Menschen von Sozialarbeiter*innen in diesem Rahmen betreut. Ca. 50% dieser Personen waren zwischen 16 und 20 Jahre alt. Das finnische Jugendgesetz sieht vor, dass in jeder Gemeinde eine Servicestelle für junge Menschen eingerichtet sein muss. In diesen Servicestellen dockt auch die aufsuchende Jugendarbeit auf lokaler Ebene an. Eine 2020 veröffentlichte Studie (englische Zusammenfassung auf S. 124-126) hat herausgefunden, dass die aufsuchende Jugendarbeit in Finnland Erfolg gezeigt hat und diejenigen Jugendlichen erreicht hat, die sich auf dem sozialen Abstieg befanden. Ebenso wurde deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit aus dem Schul- und Ausbildungssystem zu fallen, durch die vor Ort agierende aufsuchende Jugendarbeit, deutlich reduziert wurde.

In einer englischen Broschüre Outreach Youth Work Handbook – the finnish way (2022) (PDF 2,6 MB) hat die Organisation 'Into' alles zu diesem Thema zusammengefasst. Gerne kann auch Miika Piiroinen persönlich bei weiterem Interesse zu dem Thema oder Fragen kontaktiert werden (auf Englisch).

Haus der Jugend – multidisziplinärer Servicepunkt

Bei einem weiteren Programmpunkt besuchte die internationale Delegation das Haus der Jugend in Jyväskylä ‚Nuorten Talo‘. Es ist ein Multi-Service-Center, weil es sämtliche für junge Menschen (13-29 Jahre) relevante Dienste unter einem Dach vereint. Es ist ein zu bestimmten Zeiten zugänglicher multidisziplinärer Servicepunkt, den die Jugendlichen mit oder ohne Termin aufsuchen können. Parallel können die Jugendlichen die gleichen Informationen alle auf der dazugehörigen Online-Plattform finden. Sie erhalten alle Informationen kostenfrei und können auf Wunsch auch anonym bleiben. Das Ziel dieses Hauses ist es, dass die Jugendlichen alles, was sie betrifft oder wovon sie profitieren können, an einem Ort finden und dass die Zusammenarbeit zwischen den Fachleuten aus der Jugendarbeit, dem Schul-, Ausbildungs- oder Gesundheitswesen vereinfacht und verbessert wird. Das Nuorten Talo-Haus ist auch eine Anlaufstelle für die aufsuchende Jugendarbeit.

Als weitere Themen standen auf dem englischen Programm: Ukraine und die Effekte des Kriegs auf die Jugend, Regionale Jugendkooperationen in Europa, EU Youth Dialogue, Jugendparlament in Portugal, Beteiligung von Jugendlichen in Entscheidungsprozessen auf lokaler und nationaler Ebene in Estland.

Zur Organisation der Konferenz

YOUTH23 wird jährlich von Allianssi in Zusammenarbeit mit Kirkkohallitus organisiert. Allianssi ist der Nationale Jugendrat Finnlands und eine Dienstleistungs- und Interessenvertretungsorganisation auf dem Gebiet der Jugendarbeit. Es ist eine gemeinnützige NGO mit mehr als 140 nationalen Mitgliedsorganisationen. Ebenso ist Allianssi Mitglied mehrerer europäischer Jugendnetzwerke, z. B. des YFJ (European Youth Forum) und der ERYICA (European Youth Information and Counselling Agency). Allianssi Youth Exchanges ist Mitglied von EYCA (European Youth Card Association) und der Alliance of European Voluntary Service Organisations.

Die YOUTH2023-Veranstaltung wird auf nachhaltige Weise durchgeführt.

Um einen Eindruck der Konferenz zu erhalten, ist ein Video von YOUTH22 auf Youtube verfügbar. 

Vier Uhren mit unterschiedlichen Uhrzeiten
Über die Internationalisierung

Die Kinder- und Jugendhilfe mit ihren Fachkräften und Strukturen muss sich auf die wachsende Bedeutung grenzüberschreitender Lernerfahrungen einstellen.