Worum geht es bei dieser neuen Studie? Das Projekt „Wirkungen internationaler Jugendarbeit im Kontext beruflicher Bildungswege“ erforschte bei Jugendlichen Wirkungen
- auf ihre Mobilität in Bezug auf eine häufigere Teilnahme an internationalen Begegnungsprogrammen,
- in Bezug auf das Interesse zum Leben, Lernen, Arbeiten im Ausland,
- auf das Interesse an beruflichen Angeboten im Ausland und an Auslandseinsätzen sowie an Bildungsangeboten mit einer internationalen Thematik,
- auf Studienentscheidungen, Berufsentscheidungen und die Motivation zur Fort- und Weiterbildung, auf die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung.
Seit der Langzeitwirkungsstudie durch Prof. Dr. Thomas und seinem Team 2005 (kurz: LIJAP-Studie) hat sich manches in den vergangenen zehn Jahren sozial, medial und auch in der Jugendarbeit verändert. Gründe genug, eine aktuelle und an neue Fragestellungen anknüpfende empirische Studie zu wagen.
Jugendpolitische Bedeutung der Studie
Vor rund 50 bis 60 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern aus Forschung und und Praxis der Internationalen Jugendarbeit verwies einleitend Hans-Peter Bergner, Geschäftsführer der Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V., in seinem Grußwort auf das einmütige Votum der Stiftungs-Mitgliederversammlung, die Studie zu fördern und erinnerte an die wichtigen Erkenntnisse aus der Vorgänger-Studie LIJAP. Diese ging allerdings seinerzeit nicht der Frage nach den Wirkungen internationaler Begegnungsmaßnahmen auf den beruflichen Einstieg und Werdegang von jungen Menschen sowie den Bildungswirkungen nach. Angesichts der Übergangsproblematik Schule-Ausbildung-Beruf und der Frage, welchen positiven Einfluss non-formale Bildungsangebote an dieser Schnittstelle haben können, zielt das Forschungsprojekt eine zentrale Fragestellung für den Bereich der europäischen und internationalen Jugendarbeit ab, betonte Hans-Peter Bergner. Er verknüpfte damit ausdrücklich die Erwartung der Stiftung, dass die Ergebnisse der Studie bei Partnern und Multiplikator(inn)en im In- und Ausland möglichst breit gestreut werden.
Anlage der Studie und exemplarische Einzelergebnisse
Aus dem Forscherteam um Prof. Dr. Alexander Thomas stellten Heike Abt (IKO-Institut Regensburg) und Prof. Dr. Siegfried Stumpf (Technische Hochschule Köln) wichtige Ergebnisse der empirischen Untersuchung vor. Ausgewertet wurden 321 online ausgefüllte Fragebögen von ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern an internationalen Austausch- und Begegnungsprogrammen, die mindestens 3 Jahre, oftmals aber zeitlich sehr viel länger zurücklagen. Die Auswertung ergab eine Vielzahl an Anregungen, von interessanten Zusammenhängen und neuen Ergebnissen. Heike Abt präsentierte die Ergebnisse der Antworten auf wichtige Items, die besonders hohe Zustimmung erhielten oder nach Untergruppen besonders trennscharf ausfielen.
Aus den Ergebnissen nannte sie beispielhaft folgende Punkte:
- Die Auslandsmobilität war in mehrfacher Hinsicht anregend. So stieg dadurch nicht nur das Interesse an späterer internationaler Mobilität, sondern auch an sozialer und virtueller Mobilität. Personen mit Auslandserfahrungen fühlten sich durch diese angeregt, in ihrem heimischen sozialen Umfeld neue Bekanntschaften zu knüpfen sowie sich stärker virtuell international stärker zu vernetzen.
- Die Auslandserfahrungen von jenen Personen, die zum Zeitpunkt in einer betrieblichen Ausbildung oder in der Berufsschule waren, führten zu mehr Sicherheit gegenüber Kunden und ermunterten, in internationalen betrieblichen Bereichen tätig zu werden. Teilnehmende an beruflichen Schulen nannten zudem zu 85 Prozent, dass Auslandserfahrungen ihnen Vorteile bei Bewerbungen brachten.
- Bestätigt wurden überzeugend und in sehr eindrucksvoller Weise die Ergebnisse aus der Langzeitwirkungsstudie zu den Themen selbstbezogene Eigenschaften und Kompetenzen (Selbstbewußtsein, Selbstsicherheit, Selbstwirksamkeit/Selbstvertrauen). Wie die Antworten auf mehrere Fragen ergaben, wurden die berufliche Motivation und das berufliche Empowerment eindeutig gefördert.
Auch das berufsrelevante Wissen nahm durch Auslandsaufenthalte ebenso zu wie die Offenheit gegenüber anderen Kulturen oder Migrant(inn)en.
Neben den überwiegend positiven Aspekten konnte wie in der LIJAP-Studie auch diesmal über nichtintendierte Wirkungen von Auslandsaufenthalten berichtet werden, die aus den Interviews gewonnen und im Fragebogen entsprechend abgefragt wurden (schlechte Erfahrungen, falsche Gastfamilie, Überforderung etc.). Sie sind allerdings nicht unisono negativ zu sehen, denn auf die Frage, wie wichtig die Auslandserfahrung persönlich war, antworteten 98,4 % mit „wichtig“,
Was wurde „gemessen“?
Prof. Dr. Stumpf vertiefte im Anschluss die Ausführungen von Frau Abt und stellte die Skalenbildung der Studie vor. Für die Wirkungsbereiche wurden aus den über 100 Items insgesamt sieben Skalen generiert:
- Fremdsprachenkompetenz,
- Mobilität,
- Offenheit,
- Interkulturelle Kommunikationskompetenz,
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung,
- berufliches Empowerment und
- persönliche Bedeutsamkeit.
Die Auswertung der empirischen Daten konzentrierte sich nun vor allem darauf zu schauen, welche Erklärungsfaktoren für Unterschiede in den Skalenbereichen messbar sind und wenn ja, wie sie zu erklären sind.
Zentrale Ergebnisse der Studie
Hierzu ergab die empirische Analyse insgesamt folgende zu beobachtende zentrale Zusammenhänge und Ergebnisse:
- Die Auslandserfahrung hat auch für Befragte mit beruflichem Bildungsschwerpunkt eine sehr hohe persönliche Bedeutung im Lebensverlauf;
- Offenheit gegenüber anderskulturellen Menschen wird durch den Auslandsaufenthalt aus Sicht der Befragten unabhängig von deren Bildungsschwerpunkt eindeutig gefördert;
- Die Auswirkungen auf Mobilität sind aus Sicht der Befragten geringer als auf die anderen Haltungen/Kompetenzen;
- Die Auswirkungen hinsichtlich internationaler Mobilität und virtueller Mobilität sind für Befragte aus berufsorientierten Schulen geringer als für Gymnasiast(inn)en;
- Die Auswirkungen auf die berufliche Entwicklung (z.B. Vertrauen in berufliche Leistungsfähigkeit, Motivation zur beruflichen Weiterentwicklung ...) werden positiv beurteilt und sind für Befragte aus berufsorientierten Schulen größer als für Gymnasiasten;
- Die wahrgenommen Auswirkungen auf Kompetenzen/Haltungen und persönliche Bedeutsamkeit sind umso stärker, je länger die Maßnahmendauer ist. Das heißt aber nicht, dass Kurzzeitmaßnahmen wirkungslos sind!
Podiumsfachgespräch
Heike Abt (IKO Regensburg), Rita Steegen (Pädagogisches Institut München), Dr. Werner Müller (transfer/Forscher-Praktiker-Dialog), Prof. Dr. Alexander Thomas (Uni Regensburg), Rebekka Hof (Mobilitätsberatung der Handwerkskammer Düsseldorf) und Rolf Witte (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung) bewerteten in einem anschließenden Fachgespräch die wichtigsten Ergebnisse aus ihrer Sicht. Einigkeit herrschte, dass die berichteten Ergebnisse der Studie in entsprechend aufbereiteter Form eine wichtige Argumentationshilfe sind – und zwar arbeitsfeldübergreifend z.B. in Schule und Wirtschaft. Der Blick richtete sich aber nicht nur auf diesen Aspekt. Mehrere Diskutant(inn)en betonten insbesondere auch die Bedeutung des Befunds, dass das berufliche und persönliche Empowerment durch den internationalen Austausch ganz klar gefördert wird. Dies sei den Betrieben gar nicht so sehr bekannt – und hier liegt in Zukunft ein Ansatzpunkt für die Sensibilisierung. Prof. Dr. Thomas, der aus wissenschaftlich-methodischer Sicht trotz mancher Einschränkungen die Studie für belastbar hält, brachte den Tenor des weiteren Vorgehens auf den Punkt: „Alle diejenigen in dieser Gesellschaft, die für die nachwachsende Generation und deren berufliche Ausbildung verantwortlich zeichnen, sollten Zielgruppe der Verbreitung der Erkenntnisse dieser wichtigen Studie sein“.