Eine junge Frau arbeitet an einem Laptop Eine junge Frau arbeitet an einem Laptop
Digitale Jugendbildung

Strategie für digitale Internationale Jugendarbeit

Wandel aktiv gestalten

Angesichts von Reise- und Kontaktbeschränkungen hat sich die Corona-Pandemie als Katalysator für den digitalen Wandel in der Internationalen Jugendarbeit erwiesen. Träger, die neuen Technologien bisher zögernd gegenüberstanden, machten die Erfahrung: Digitale Formate sind möglich und sie sind bereichernd. Wir sollten also nicht abwarten, was davon bleibt, sondern den Wandel aktiv gestalten.

12.02.2021 / Daniel Poli und Christian Herrmann

Die Schockstarre war nur kurz, als im Frühjahr 2020 deutlich wurde, dass die Corona-Pandemie und ihre Folgen uns lange beschäftigen werden. Träger stellten ihre Konferenzen und Seminare auf Online-Formate um, Online-Beratungsangebote erreichten neue Zielgruppen, junge Kolleginnen und Kollegen bekamen die Chance, ihre digitalen Kompetenzen einzubringen und zum Beispiel mit Online-Workcamps zu experimentieren, Jugendbegegnungen fanden mit einem bunten Medienmix statt. Fördergeber machten die Erfahrung, dass Antragszahlen für digitalen Austausch und Vernetzung sprunghaft anstiegen und ermöglichten meist einen flexiblen Einsatz von Mitteln, um Kooperationen virtuell am Leben zu erhalten.

Diese Erfahrungen schließen an Fragestellungen an, die längst vor der Corona-Krise bestanden und auch nach ihr weiterbestehen werden. Wie können wir internationalen Austausch und Begegnung nachhaltiger gestalten? Wie können wir junge Menschen in ihren gewohnten Interaktionsräumen zielgruppengerecht erreichen? Wie können wir mit unseren Angeboten Schritt halten mit einer Welt, in der künstliche Intelligenz und virtuelle Realität eine wachsende Rolle spielen? Wie können wir die neuen technischen Möglichkeiten für uns nutzbar machen, ohne von ihnen dominiert zu werden?

Wir wissen noch zu wenig

An günstigen politischen Rahmenbedingungen für Schritte nach vorne mangelt es nicht. In den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union zur smarten Jugendarbeit (2017/C 418/02) heißt es: „Smarte Jugendarbeit bedeutet, digitale Medien und Technologien zu nutzen und sich mit ihnen zu beschäftigen, um allen jungen Menschen mehr Möglichkeiten der Information, des Zugangs zur Jugendarbeit, der Teilhabe sowie des informellen und nicht formalen Lernens zu eröffnen, indem neue Räume und Formate für die Jugendarbeit sinnvoll genutzt werden.“ Auch die Bundesregierung räumt der Digitalisierung in ihrem Regierungsprogramm zu Recht viel Raum ein. Woran es mangelt ist eine Strategie, wie die Digitalisierung in der Internationalen Jugendarbeit „sinnvoll genutzt“ werden kann.

Währen der Corona-Krise hat IJAB mit nationalen und internationalen Partnern Kontakt gehalten und auch immer wieder die Frage gestellt, wie die Partner in dieser besonderen Situation digitale Tools für die Internationale Jugendarbeit nutzen. Im Video-Livestream „At Home Around The World“ und einer Interviewserie auf ijab.de waren die Antworten – hoffentlich inspirierend – nachzuvollziehen. Zugleich wurde eine Broschüre erarbeitet, in der digitale Tools für internationalen Austausch und Begegnung vorgestellt und durch Praxisbeispiele illustriert werden. Dennoch müssen wir uns eingestehen: Wir wissen noch zu wenig. Weder wissen wir, in welchem Umfang digitale Formate schon heute von den Trägern Internationaler Jugendarbeit genutzt werden, noch können wir verbindlich etwas über die Palette der bisher erprobten Formate selbst sagen. Am wenigsten wissen wir darüber, welche digitalen Angebote gut funktionieren und wo ihre Grenzen liegen. Hier ist die Wissenschaft gefragt. Ihr Focus muss sich auch auf die spezifischen Aufgaben unseres Arbeitsfeldes richten. Eine einfache Übertragbarkeit von smart youth work auf eine digitale Internationale Jugendarbeit gibt es nicht. Wir müssen Aussagen darüber treffen können, welche digitalen Formate besonders dazu geeignet sind, interkulturelles Lernen zu befördern, junge Menschen dazu zu befähigen, sich in einer globalisierten Welt zurechtzufinden oder ein friedliches Miteinander zu unterstützen. IJAB führt hierzu mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis ein Forschungsprojekt durch und hat zu einem Fachsymposium am 10. Dezember 2020 eingeladen, um erste Grundlagen einer digitalen Methodik der Internationalen Jugendarbeit zu diskutieren.

Internationale Partner und junge Menschen einbeziehen

Wir müssen uns auch bei unseren internationalen Partnern umsehen – denn mit ihnen wollen wir ja Austausch betreiben. Von welchen positiven Erfahrungen können wir profitieren und sie in unsere eigene Praxis übernehmen? Welche Partnerschaften können geschlossen werden – gerade weil sie digital sind? Zugleich müssen wir sensibel sein für internationale Partner, die nur auf begrenzte Ressourcen zurückgreifen können – schwache Internetanbindungen, mangelnde Hardware oder geringe Erfahrungen mit digitalen Tools. Digitalisierung darf nicht spalten, sie muss Menschen zusammenbringen.

Vor allem müssen wir junge Menschen einbeziehen. Sie können am ehesten etwas darüber aussagen, was ihnen Spaß macht, was ihre favorisierten Kommunikationswege sind und welche Themen sie interessieren. Gemeinsam mit ihnen müssen wir experimentieren und nach neuen, interessanten Wegen des internationalen Austauschs suchen. Wir müssen einen Fundus unterschiedlicher Projekte entwickeln, aus denen wir Schlussfolgerungen ziehen können. Zugleich eröffnet sich hier eine medienpädagogische Aufgabenstellung, denn Datenschutz, Fake News und staatliche Überwachung spielen auch und gerade im internationalen Kontext eine wichtige Rolle. Denn ein zentrales Ziel digitaler Jugendbildung ist es, die digitale Selbständigkeit junger Menschen zu fördern und die Digitalkompetenzen aller Jugendlichen im Rahmen non-formaler Jugendbildung zu stärken. Hier gilt es, bestehende Ansätze der Medienkompetenz hinsichtlich neuer Herausforderungen zu überprüfen, weiterzuentwickeln und entsprechende Unterstützungsangebote speziell für die Internationale Jugendarbeit bereitzustellen.

Qualitätskriterien und Förderung

Aus all dem müssen wir Qualitätskriterien ableiten, was eine digitale Internationale Jugendarbeit ausmacht. Eins können wir schon sagen: Bei der üblichen Good-Practice-Broschüre darf es nicht bleiben. Fachkräfte benötigen Qualifizierung, um sich neuen Aufgaben stellen zu können. Alle Erfahrungen von IJAB in medialen Projekten – von der Bundesinitiative Jugend ans Netz bis zu jugend.beteiligen.jetzt – zeigen: Je näher die Unterstützung an jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder einzelnen Mitarbeiterin ist, desto wirkungsvoller und nachhaltiger ist sie. Dies schließt auch die Unterstützung vor Ort mit ein, denn nicht nur technische Kenntnisse müssen erworben werden, ihre Übertragung in die pädagogische Praxis muss eingeübt und oft genug müssen auch Unsicherheiten überwunden werden.

Wer eine digitale Internationale Jugendarbeit will, der muss sie auch auf ein finanzielles Fundament stellen. Bisherige Förderrichtlinien sehen sie nicht explizit vor. Gezählt werden Teilnehmende und Kilometer, nicht Hard- und Software oder Begleitung sowie Vor- und Nachbereitung durch qualifiziertes Personal. Zwar haben sich die unterschiedlichen Fördergeber in der Krise flexibel gezeigt, aber die Förderoptionen für Digitales erstreckten sich weitgehend auf Kleinprojekte. Sie müssen jedoch zu einem Standard werden, der gleichberechtigt neben den analogen Formaten steht.

Dieser Text stammt aus dem kürzlich erschienenen IJAB journal 2/2020. Das IJAB journal kann als PDF heruntergeladen oder als Printausgabe kostenfrei bestellt oder abonniert werden.

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INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0
Dieses Werk ist lizenziert unter einer INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0 Lizenz.
Mehrere junge Menschen sitzen an einem Tisch und arbeiten an Laptops.
Über Digitale Jugendbildung

Digitale Jugendbildung ermöglicht jungen Menschen, das Internet als Kommunikations- und Kulturraum verantwortungsvoll zu nutzen und gesellschaftlich und politisch teilzuhaben.