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Demokratie und Menschenrechte

Materialien zur Demokratiebildung

Demokratie gibts nicht umsonst, wir müssen etwas für sie tun

Rechte Rhetorik stößt in die Mitte der Gesellschaft vor. Auch die Internationale Jugendarbeit wird damit konfrontiert. Sie hat Mittel, mit der antidemokratischen Gefahr umzugehen, aber sie muss sich auch selbst auf den Prüfstand stellen und fragen, ob ihr Konzept von Internationalität den aktuellen Herausforderungen noch gerecht wird. Wir möchten Sie in Ihrer Arbeit für den Erhalt der Demokratie unterstützen und haben unsere Materialien und die unserer Partner zu diesem Thema zusammengetragen.

20.03.2024 / Christian Herrmann

8 Uhr morgens in einer Kleinstadt in Thüringen. In einer Bäckerei, die auch Frühstück anbietet, versammelt sich eine Rentnerrunde zu einem morgendlichen Kaffee. Sie ist im Beschwerdemodus. Der eine kann wegen des Lärms der Ausländerkinder in seinem Haus nicht schlafen und diese Familie bekommt auch noch mehr Geld als er. Der andere hat die Hundehaufen in der Einkaufsstraße gezählt. Neun Stück sind es. Die Ausländer haben jetzt auch noch Hunde. Irgendwo in Richtung Bahnhof hört man die Traktoren der protestierenden Bauern hupen. „Ganz recht“, sagt die Verkäuferin, „die da sollen mal am richtigen Ende sparen!“

In der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde beobachtet man diese Mischung aus Missgunst und Rassismus mit Sorge. „Hier geht es ja noch“, meint eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, „hier hat die AfD 30% der Stimmen. Aber geh mal auf die Dörfer, da haben sie 70, 80%“.

Diese Geschichte ist nicht erfunden und man kann ähnliches überall in Deutschland beobachten. Man muss dafür nicht in die thüringische Provinz. Eins ist dabei immer wieder zu spüren: Der Wunsch von der Welt in Ruhe gelassen zu werden. Sollen ihre Probleme doch dort bleiben, wo sie hingehören: weit weg. Die Globalisierung ist die Mutter aller Ängste derjenigen, die die Welt nicht kennen. Internationale Jugendarbeit muss dagegenhalten und kann es.

Internationale Jugendarbeit ist nicht automatisch immun

Die Anti-Globalisierungs-Rhetorik der Neuen und Alten Rechten stößt in die Mitte der Gesellschaft vor, weil die Welt ein gefährlicher Ort ist und es leichter ist, sie zu leugnen oder umzudeuten, als ihr ins Auge zu blicken: Den Klimawandel gibt es nicht, Corona hat es nie gegeben, Männer werden vom „Gender-Wahn“ unterdrückt und den Krieg gegen die Ukraine hat eigentlich die NATO angefangen. An der Spitze der Nahrungskette der Globalisierung stehen die „internationalen Finanzeliten“ – gemeint sind die Juden. Das alles funktioniert auch deshalb so gut, weil es sich Verlustängste zunutze macht. Rentner*innen fürchten die Kosten der Migration, Eigenheimbesitzer*innen die Kosten des Klimawandels und Unternehmer*innen den Verlust von Subventionen. Alle haben etwas zu verlieren.

Die Mitte der Gesellschaft hat glücklicherweise nicht stillgehalten. Millionen von Menschen sind in den vergangenen Wochen und Monaten auf die Straße gegangen, weil sie die Demokratie nicht sehenden Auges hergeben wollen. Das macht Hoffnung. Hoffnung machten auch die Parlamentswahlen in Polen, bei der die Bürger*innen eine zunehmend autoritär agierende Regierung abwählten. Beides zeigt, dass Trends nicht unumkehrbar sind. Als Internationale Jugendarbeit haben wir etwas dazu beizutragen.

Dennoch dürfen wir uns nichts vormachen: Die Werteorientierung des Arbeitsfeldes Internationale Jugendarbeit macht junge Menschen, die an einem Jugendaustausch teilnehmen, sowie Haupt- und Ehrenamtler in den Trägerstrukturen nicht automatisch immun gegen Rassismus und Antisemitismus. IJAB bietet Materialien zur Arbeit gegen Rassismus an, die jetzt wieder eine ungewollte Aktualität gewinnen.

Für uns und die Partner, mit denen wir sie entwickelt haben, war es wichtig zugleich das Selbstverständnis der Internationalen Jugendarbeit weiterzuentwickeln. Denn im internationalen Austausch begegnen sich keine homogenen Nationen. In allen europäischen Ländern und auch darüber hinaus haben wir es mit vielfältigen Gesellschaften zu tun, die unter anderem durch Einwanderung geprägt sind und damit lange nicht mehr zu einem von nationalen Leitkulturen geprägten Kulturbegriff passen. Mit einem „internationalen Abend“ im Verlauf einer Jugendbegegnung, an dem „typische Landesspeisen“ serviert und „typische Volkslieder“ gesungen werden, kann auch die Identitäre Bewegung gut leben.

Europäisch und international denken und handeln

Auch über unseren pädagogischen Kernauftrag hinaus, gibt es einiges zu tun. Dazu gehört der Erhalt demokratischer Strukturen, beispielsweise die der Jugendverbände, die eine wichtige Schule für ein demokratisches Gemeinwesen sind. Die leichtfertigen Sparpläne für den Bundeshaushalt 2024 haben dies infrage gestellt. Nach massiven Protesten wurden die Budgetkürzungen zurückgenommen. Auch das zeigt: Protest hilft.

Und: Wir müssen endlich anfangen, international und europäisch zu denken und zu handeln. Das, was sich in Deutschland zusammenbraut, steht nicht allein. In vielen europäischen Ländern sind neu-rechte Parteien auf dem Vormarsch oder sitzen bereits fest im Sattel. In den USA führt Donald Trump die Wahlprognosen an. Internationale Jugendarbeit ist auch die Begegnung der Zivilgesellschaften. Wir haben Partner, mit denen wir gemeinsam aktiv werden können. Wir erreichen junge Menschen, mit denen wir uns gemeinsam für die Demokratie engagieren können. Es ist oft gesagt worden: Internationale Jugendarbeit muss politischer werden. Die nächste Gelegenheit dafür sind die Europawahlen.

(Autor: Christian Herrmann | IJAB)

Zur Sammlung von Material zur Demokratiebildung:

Wir möchten Sie in Ihrer Arbeit für den Erhalt der Demokratie unterstützen und haben unsere Materialien und die unserer Partner zu diesem Thema zusammengetragen. Einige sind neu, andere bereits gut erprobt. Eines sind sie aber alle: ein Beitrag für Menschen- und Bürgerrechte sowie eine offene und freiheitliche Gesellschaft.

IJAB-Materialien

Unsere Materialien zum Thema Internationale Jugendarbeit und Demokratie- und Menschenrechtsbildung

Materialien unserer Partner

Ein junger Mann spricht in ein Mikrofon
Über Demokratie und Menschenrechte

Internationale Jugendarbeit und jugendpolitische Zusammenarbeit versteht IJAB als Beitrag zur Entwicklung einer starken Zivilgesellschaft und zur Förderung eines demokratischen Gemeinwesens.