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Demokratie und Menschenrechte

„Die Ukraine braucht Hilfe wie nie zuvor“

Eine erste Stimme aus Kyjiw

Am frühen Morgen des 24. Februar hat die russische Luftwaffe begonnen, Ziele in der gesamten Ukraine zu bombardieren. Davon ist auch die Hauptstadt Kyjiw betroffen. Maxim Kovalev vom belarusischen Jugendrat RADA lebt dort im Exil. Lavon Marozau hat für ijab.de mit ihm über die Situation gesprochen.

24.02.2022 / Lavon Marozau

Lavon Marozau: Max, wo bist du jetzt und warum hast du Belarus verlassen?

Maxim Kovalev: Mein Name ist Maxim Kovalev, ich bin Mitglied von RADA, dem Nationalen Jugendrat von Belarus und juristischer Sekretär des Verbandes der belarusischen Studenten, einer RADA-Mitgliedsorganisation. Außerdem bin ich Mitglied des erweiterten Lenkungsausschusses und der Arbeitsgruppe Christliche Vision. In meinem normalen Leben bin ich IT-Spezialist und Projektmanager. Am 31. Dezember 2020 verließ ich Belarus aufgrund der drohenden Strafverfolgung. Am 5. Januar 2021 flog ich von der Türkei nach Kyjiw und bin seitdem hier.

Lavon Marozau: Was glaubst du, was in der Ukraine im Moment passiert?

Maxim Kovalev: Die Russische Föderation hat eine Militäroperation gegen die Ukraine gestartet. Es gibt Kämpfe an der Front und Berichte über Explosionen in Iwano-Frankiwsk, Boryspil und Zhytomyr. Meiner Meinung nach wird dies alles getan, um Panik in der Zivilbevölkerung zu schüren. Aber jeder wusste, dass es Krieg geben würde: die Armee wusste es, die Polizei wusste es, die Menschen wussten es. Und alle waren darauf vorbereitet.

Ich werde in Kyjiw bleiben

Lavon Marozau: Was denken Belarusen wie Du? Gibt es Panik?

Maxim Kovalev: Die Belarusen koordinieren sich jetzt. Es herrscht ein leichtes Gefühl der Panik, aber wie gesagt, alle haben sich seit langem vorbereitet. Einige werden die Stadt in Richtung Westukraine verlassen, andere in europäische Länder. Einige bleiben hier.

Lavon Marozau: Was sind deine Gedanken im Allgemeinen? Die Rückkehr nach Belarus ist in noch weitere Ferne gerückt.

Maxim Kovalev: Ich werde in Kyjiw bleiben. Ich werde die Straßen säubern, Wasser tragen und allgemein nach Dingen suchen, mit denen ich mich nützlich machen kann. Falls Kiew besetzt wird, plane ich, in die Westukraine zu ziehen. Aber jetzt bleibe ich erst einmal hier. Ich habe Lebensmittel für drei Wochen, und in meinem Haus gibt es einen Luftschutzkeller. Die Belarusen lassen ihre Leute nicht im Stich.

Lavon Marozau: Wie sollten Europa und der Rest der Welt deiner Meinung nach reagieren?

Maxim Kovalev: Europa und der Rest der Welt sollten umfassende Unterstützung leisten: Information, humanitäre und militärische Hilfe. Ein zweites "München" darf nicht zugelassen werden. Mit Krieg darf nicht gescherzt werden. Die Ukraine braucht Hilfe wie nie zuvor.

Humanitäre Korridore

Lavon Marozau: Welche Hilfe brauchen die Belarusen in der Ukraine jetzt?

Maxim Kovalev: Die Belarusen in der Ukraine brauchen humanitäre Korridore, ebenso wie die Ukrainer. Die Ukraine grenzt an 7 Länder, von denen 2 Aggressorländer sind, denn wir erhalten Informationen, dass auch militärische Ausrüstung in Richtung Belarus gegangen ist. Daher ist es notwendig, all jenen, die sich zur Ausreise entschlossen haben, einen Ausweg zu bieten.

Lavon Marozau: Wann, glaubst du, wird Frieden einkehren und du kannst in Ruhe in dein Heimatland zurückkehren?

Maxim Kovalev: Der Frieden wird kommen, wenn wir anfangen, das Gute als gut und das Böse als böse zu bezeichnen und uns daran erinnern, dass das Wichtigste das menschliche Leben ist. Ich vermisse Belarus sehr, ich möchte wirklich nach Hause zurückkehren. Ich hoffe, dass ich das in den nächsten ein oder zwei Jahren tun kann. Aber wenn wir die russische Aggression nicht abwehren, wenn das belarusische Regime sich mit dem Krieg gegen das brüderliche Volk der Ukraine befleckt, und wenn die zivilisierte Welt, jeder von uns, sich dem nicht entgegenstellen kann, wird mein Traum vom neuen Belarus und der Rückkehr in die Heimat nur ein Traum bleiben.

Ein junger Mann spricht in ein Mikrofon
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