SchutzJu − Schutzkonzepte erarbeiten

Es ist ein Marathon, kein Sprint

Reger Austausch zu Schutzkonzepten in Köln

Es ist kompliziert, es ist herausfordernd, manchmal auch überfordernd: Rund 50 Teilnehmende tauschten sich in einem internationalen Workshop am 30. November und 1. Dezember 2023 über das Thema „Sexualisierte Gewalt und Schutzkonzepte in der Internationalen Jugendarbeit“ aus. Die Universität Kassel und IJAB hatten in die Jugendherberge Köln-Riehl eingeladen.

11.12.2023 / S. Klinzing

Die Universität Kassel (Fachgebiet Soziologie der Diversität) und IJAB arbeiten im Teilprojekt Internationale Jugendarbeit des Gesamtprojekts „SchutzJu“ zusammen, das kooperativ und partizipativ die Ermöglichungen und Barrieren der Implementierung von Schutzkonzepten in der Kinder- und Jugendarbeit & Jugendsozialarbeit erforscht. Verglichen mit den vorherigen Veranstaltungen im Projekt feierte der Workshop gleich mehrere Premieren: Arbeitssprache war dieses Mal Englisch, denn auch internationale Gäste waren in der Kölner Jugendherberge mit dabei. Zudem wurde die Funktion der übersetzten Untertitel des Videokonferenztools ZOOM als Unterstützung für die Teilnehmenden eingesetzt, um die Gesprächsverfolgung zu erleichtern.

Einstieg ins Thema und erste Sessions

Beim Walk & Talk zu Begrifflichkeiten wie Sexualisierte Gewalt, Schutz, Schutzkonzepte, Risiko, Aufarbeitung und Sexualität kamen die ersten Teilnehmenden ins Gespräch. Schnell füllten sich die dafür bereit gestellten Poster mit Assoziationen und boten Anlass und Ansatzpunkte für weiterführende Diskussionen im größeren oder kleineren Kreis.

Mit der Jugendgruppe „Wolfsrudel“ aus Wiesbaden gab es den ersten Praxisbezug. Das „Wolfsrudel“ ist eine feste Gruppe Jugendlicher im Jugendzentrum Georg-Buch-Haus im Wiesbadener Westend. Gemeinsam unternahmen sie unter anderem Freizeitfahrten nach Spanien und Malta. Im Workshop nahmen sie die Teilnehmenden mit auf ihre Reise und berichteten von ihren Erfahrungen und was das Wort Schutz für sie bedeutet, wenn sie an internationale Freizeiten denken. In erster Linie sei Schutz mit dem Wort Vertrauen verbunden, so ein Teilnehmer. Auch eine gute Vorbereitung, und insbesondere eine gemeinsame Vorbereitung einer solchen Fahrt ins Ausland, sei ihnen wichtig, um im Ausland Sicherheit zu bieten. Denn, so ein anderer Teilnehmer, man sei erstmal überfordert, wenn man im Ausland dann auf Dinge trifft, die nicht mit einem bestehenden Bild im Kopf zusammenpassen.

In den Sessions am späten Nachmittag konzentrierten sich die Teilnehmende auf die Analyse von Risiken in Settings der internationalen Jugendarbeit. Dabei wurden kurz- bis mittelfristige Gruppenprogramme, größere Events wie Festivals und Workshops sowie der Individualaustausch und Freiwilligendienste in den Blick genommen. Die hier identifizierten Risikofaktoren überschnitten sich zum Teil: Orte, die an einer Maßnahme beteiligten Personen, wie Jugendliche, betreuende Personen/Teamer*innen, Kooperationspartner, sowie deren Hintergründe, aber auch unterschiedliche gesetzliche Regelungen in den an den internationalen Maßnahmen beteiligten Ländern und die Erwartungen der jeweils Beteiligten wurden benannt. Ebenso wurden Aspekte wie Machtgefüge, fehlendes Bewusstsein für bestimmte Zielgruppen oder fehlendes Qualitätsmanagement angesprochen.

Aktuelle Debatten und Perspektiven aus Polen, der Türkei und Lateinamerika

Tag 2 startete mit einem Workshop zur aktuellen Debatte über das Thema Schutz in Polen. Grzegorz Zbioczyk vom polnischen Jugendverband Socio Movens stellte hier die wesentlichen Eckpunkte vor. Zbioczyk berichtete, dass in Polen im Juli 2023 ein Gesetz verabschiedet wurde, das im Februar 2024 in Kraft treten soll. Es sieht vor, dass alle Organisationen, die in irgendeiner Form mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, einen entsprechenden Schutzstandard vorlegen und umsetzen müssen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes haben sie dafür 6 Monate Zeit. In dem Zusammenhang betonte Zbioczyk, wie wichtig es sei, die Perspektiven von Jugendlichen in die Entwicklung eines Schutzkonzeptes einzubeziehen, damit nicht schon der erste Schritt zu einem Hindernis wird.

Ela Evliyaoğu und Ezgi Gedik vom türkischen Jugendring (Gençlik Örgütleri Forumu - GoFor) berichteten über die Neuaufstellung in ihrer Organisation mit Blick auf das Thema Psychische Gesundheit. Unter anderem arbeiten sie daran, die Richtlinien der WHO zu psychischer Gesundheit stärker in ihre Arbeit einzubinden, sowohl nach innen mit Blick auf den Schutz der Mitarbeiter*innen als auch nach außen, indem sie z.B. Lobbyarbeit machen, damit Beratungsdienste für Jugendliche mit psychischen Problemen besser und mehr unterstützt und gefördert werden.

Eleonor Faur von der Universidad Nacional de San Martín, zugeschaltet aus Buenos Aires, sprach in ihrem Beitrag über geschlechtsspezifische Gewalt in Lateinamerika und machte deutlich, welche Rolle Machtbeziehungen in diesem Themenfeld spielen und dass der Begriff immer noch sehr stark mit Gewalt gegen Frauen verbunden ist. Unter anderem wies sie darauf hin, wie wichtig eine adäquate umfassende Sexualerziehung ist, um bestimmten herrschenden sozialen Normen, insbesondere auch unter Jugendlichen, entgegenzuwirken. Beispielhaft verwies sie diesbezüglich auf die Studie von Oxfam „Breaking the mould: changing belief systems and gender norms to eliminate violence against women in Latin America and the Caribbean”. Dieser Bericht bietet Einblicke in die Ausprägung von Denkmustern und Geschlechternormen unter jungen Frauen und Männern in Bolivien, Kolumbien, Kuba, der Dominikanischen Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nikaragua.

Ausblick und Fazit

Für 2024 kündigte die Universität Kassel den Launch der Plattform schutzkonzepte-partizipativ.de an. Im Juni 2024 findet dann die Abschlussveranstaltung des Gesamtprojekts „SchutzJu“ statt.

Zu Beginn des Workshops war bereits mehrfach betont worden: Schutzkonzepte (in der Internationalen Jugendarbeit) sind Organisationsprozesse und zugleich Beteiligungsprozesse. Letztere sind insbesondere als zentraler Startpunkt zu sehen, um ein Schutzkonzept zu entwickeln. In diesem Sinne spielte Moderatorin Margaux Richet am Ende der Veranstaltung den Ball wieder zurück an die Teilnehmenden und forderte sie auf, loszulegen, Partner für diese Prozesse zu finden und sich zu vernetzen und am Thema (weiter) zu arbeiten. Kein einfacher Weg, wie die meisten nickend zustimmten, eben ein Marathon und kein Sprint.

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Eine vor lilafarbenem Hintergrund in die Höhe gestreckte Hand, auf der 'No' steht
Über das Projekt

Ziel des Projekts ist es, Träger Internationaler Jugendarbeit bei der Entwicklung von Instrumenten und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt zu unterstützen.

Eine junge Frau spricht in ein Megafon, andere hören ihr zu.
Über Jugendbeteiligung

Jugendliche sollen ihre Meinung äußern und bei politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungen, die ihr Lebensumfeld betreffen, mitbestimmen dürfen.

Ansprechpartner
Christoph Bruners
Koordinator
Qualifizierung und Weiterentwicklung der Internationalen Jugendarbeit
Tel.: 0228 9506-120