Audrey Frith Audrey Frith
Audrey Frith, Direktorin von Eurodesk
Eurodesk

„Corona zwingt uns kreativ zu sein“

Ergebnisse einer Eurodesk-Umfrage

Eurodesk Brussels Link hat sein Netzwerk nach den Erfahrungen in der Coronakrise gefragt. Im Interview berichtet Audrey Frith gegenüber IJAB, wie Jugendinformation auf Online-Angebote umgestellt werden musste, welche Herausforderungen dabei zu überwinden waren und weiterhin sind, aber auch, welche kreativen Momente es dabei gab.

29.07.2021 / Christian Herrmann

ijab.de: Im Report zu eurer Umfrage heißt es, die Arbeitsbelastung der Jugendinformationsdienste habe während der Coronakrise zugenommen und das, obwohl die Einrichtungen in 2020 im Schnitt 17 Wochen lang geschlossen waren. Was ist der Hintergrund?

Audrey Frith: Jugendinformation ist oft in die allgemeine Jugendarbeit eingebettet und die beruht darauf, dass wir jungen Menschen von Angesicht zu Angesicht begegnen. Das war über eine lange Zeit nicht möglich und viele Einrichtungen mussten ihre Arbeit komplett neu organisieren. Sie mussten sich an die Arbeit mit digitalen Tools anpassen, vieles lernen und vieles ausprobieren. Wenn Plan A nicht funktionierte mussten sie Plan B entwerfen und dann vielleicht Plan C. Das braucht Zeit und kostet viele zusätzliche Arbeitsstunden.

ijab.de: Habt ihr von der Brüsseler Zentrale von Eurodesk dabei unterstützen können?

Audrey Frith: Ja, das haben wir als eine unserer Aufgaben angesehen. Wir haben Zoom- und Google Meet-Accounts angelegt, die alle unsere Mitglieder nutzen können. Und natürlich haben wir auch Trainings angeboten, wie man diese Tools sinnvoll nutzen kann. Ich denke, das war eine gute Unterstützung für unsere Mitglieder.

ijab.de: Werden diese Tools auch nach dem Ende der Pandemie weiter genutzt werden?

Audrey Frith: Die erworbenen Kompetenzen bleiben ja. Das gilt vor allem für soziale Medien, deren Nutzung für die Kommunikation sich viele in den letzten Monaten angeeignet haben. Das wird sicher bleiben. Was ich aber auch von vielen höre: Sie wollen zurück zu den Wurzeln ihrer Arbeit, zur realen Begegnung und Arbeit mit jungen Menschen. Das wundert mich auch nicht. Viele haben so viel Zeit in Zoom-Meetings verbracht, dass sie es einfach nicht mehr sehen können. Das gilt nicht nur für unsere Kolleg*innen, es gilt auch für junge Menschen. Was wir auch merken: Wir verlieren aus unterschiedlichen Gründen den Kontakt zu benachteiligten jungen Menschen. In jüngster Zeit sind unsere Mitglieder verstärkt in Schulen eingeladen worden, um dort über die Möglichkeiten von Auslandsaufenthalten zu berichten. Das ist eine Rückkehr zur direkten Begegnungen und eröffnet Chancen für neue Partnerschaften.

Droht eine neue digitale Kluft?

ijab.de: Du hast gesagt, dass die Jugendinformation Gefahr läuft, benachteiligte junge Menschen zu verlieren. Hat die Corona-Pandemie zu einer neuen digitalen Kluft geführt?

Audrey Frith: Die größte Schwierigkeit ist für viele das fehlende Equipment, um an digitalen Angeboten teilnehmen zu können. Nicht alle haben ein Notebook oder Tablet. Das trifft für unsere Kolleg*innen ebenso zu, wie für junge Menschen – vor allem für die Benachteiligten. Da haben wir es tatsächlich mit einer neuen digitalen Kluft zu tun.

ijab.de: Sind mehr Finanzierung, Fortbildung und Unterstützung nötig, um dieses Problem zu lösen?

Audrey Frith: Ja, natürlich. Viele der Befragten sagen uns, dass sie Equipment brauchen, aber auch Kommunikationsexperten, die ihnen zeigen können, wie man mit den Geräten umgehen kann und die sie bei ihren Online-Aktivitäten anleiten. Natürlich ist das sehr stark länderabhängig. Nur 11% der Kolleg*innen sagten uns, sie hätten ausreichend finanzielle Unterstützung bekommen. Bei der überwiegenden Mehrheit war die Unterstützung nicht ausreichend und viele Einrichtungen laufen sogar Gefahr, dass ihnen in den kommenden Jahren die Mittel gekürzt werden. Das hat viel damit zu tun inwiefern Jugendinformation und Jugendarbeit generell in den jeweiligen Ländern anerkannt sind. Von irgendwo wird das viele Geld herkommen müssen, das in der Coronakrise ausgegeben wurde und da muss man mit Sorge auf den Jugendbereich schauen.
Einige Einrichtungen konnten Lücken schließen, indem sie sich auf Netzwerke wie Eurodesk stützten – dies betrifft zum Beispiel den Zugang zu Tools und Schulungen, nicht aber die strukturelle Seite.

„Wir möchten eine positive Botschaft senden“

ijab.de: Der Bericht zur Umfrage kommt zum Ergebnis, die Jugendinformation werde gestärkt aus der Coronakrise hervorgehen. Nach allem, worüber wir gesprochen haben, klingt das optimistisch.

Audrey Frith: Ja, das klingt sehr optimistisch. Aber was die Digitalisierung angeht, sind wir eben auch sehr weit gekommen. Da sind wir wirklich stärker geworden. Natürlich wollten wir auch eine positive Botschaft senden und unseren Mitgliedern sagen, dass sie jetzt nicht den Kopf hängen lassen sollen. Trotzdem müssen wir die Rahmenbedingungen von Jugendarbeit und Jugendinformation im Auge behalten und da bin ich weniger optimistisch. Wir brauchen mehr Anerkennung der Mitgliedsländer für unsere Arbeit, aber darauf haben wir nur begrenzten Einfluss.

ijab.de: Du hast gesagt, dass viele Befragten wieder zurück zu Begegnungen von Angesicht zu Angesicht wollen. Wann könnte das der Fall sein?

Audrey Frith: Das ist eine sehr schwierige Frage. Auch wir von Eurodesk Brussels Link tun uns ja schwer damit, Treffen unserer Mitgliedsorganisationen zu planen. Immer mehr Länder sind in der Lage, wieder analoge Treffen zu organisieren, mit intelligenten Initiativen wie Informationstouren mit dem Fahrrad, um Abstände einzuhalten. Aber gleichzeitig deutet vieles auf eine vierte Corona-Welle hin.
Demnächst startet die Time to Move-Kampagne und wir werden Leitlinien für digitale und Outdoor-Aktivitäten bereitstellen. Wir werden sehen, wie das funktioniert und werden es entsprechend auswerten. Generell denke ich, dass wir auf zwei Beinen stehen müssen. Wir müssen unsere Online-Angebote aufrechterhalten und gleichzeitig ausprobieren, was offline möglich ist.
Was die Online-Angebote angeht: Sie müssen Spaß machen, sonst sind sie für junge Menschen unattraktiv. Viele gehen ja schon online zur Schule, in ihrer Freizeit wollen sie nichts machen, was so ähnlich ist. Eurodesk hat zum Beispiel einen neuen Online-Escape Room entwickelt, der während der Kampagne Time to Move vorgestellt wird. Die Pandemie zwingt uns kreativ zu sein – sogar mehr als in unserer üblichen Arbeit.

Über Eurodesk

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