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USA

Soziale Arbeit in den USA

Einblick in ein stark ausdifferenziertes Arbeitsfeld

Dreh- und Angelpunkt sozialer Arbeit (Social Work) in den USA ist es, benachteiligten Menschen zu helfen und Strukturen, die Benachteiligungen begünstigen, zu verändern. Heute stellt soziale Arbeit in den USA ein ausdifferenziertes Arbeitsfeld mit vielen Einsatzbereichen dar, dass sich kaum in wenigen Worten erklären lässt. Eine kleine Einführung dazu gibt Zak Reimer.

28.02.2023 / Zak Reimer

Sozialarbeit in den Vereinigten Staaten hat sich zu einem vielseitigen Arbeitsfeld entwickelt, das sich von Medizin, Psychologie und anderen sozialen Berufen dadurch abhebt, dass es sich sowohl mit den individuellen als auch den umgebungsbedingten Faktoren befasst, die menschliches Wohlergehen verbessern. Diese besondere Kombination ist in der Geschichte der Sozialarbeit verwurzelt. Viele frühe Sozialarbeiter*innen waren in der direkten Hilfe für benachteiligte Menschen tätig, gleichzeitig aber auch aktivistisch engagiert. Die moderne Sozialarbeitspraxis beruht auf dem doppelten Ziel, dem Einzelnen zu helfen und gleichzeitig die grundlegenden Probleme der Gesellschaft anzugehen. Daher sind Sozialarbeiter*innen vom Klassenzimmer bis hin zur Vorstandsetage in einer Vielzahl von Bereichen anzutreffen.

Bildungswege in die Sozialarbeit

Der Weg der meisten US-amerikanischen Sozialarbeiter*innen beginnt an der Universität. Zwar hat nicht jeder Sozialarbeiter*in einen Bachelor (BSW) oder Master of Social Work (MSW), aber die meisten Menschen, die sich als Sozialarbeiter*in bezeichnen, haben eine gewisse formale Ausbildung in diesem Bereich. Viele öffentliche und private Universitäten bieten vierjährige Studiengänge in Sozialarbeit an. Absolvent*innen dieser Studiengänge erwerben einen BSW-Abschluss und sind qualifiziert, in einer Reihe von Bereichen z. B. als Verhaltenshelfer*innen (behavioural aids), Betreuer*innen, Programmkoordinator*innen und Fallarbeitende tätig zu werden.

Nach zwei weiteren Jahren intensiven Studiums an einer Hochschule können Studierende einen MSW-Abschluss erwerben. Im Anschluss an die formale Ausbildung können diese Absolvent*innen dann nach zwei bis fünf Jahren beaufsichtigter Praxis eine Lizenz als klinische*r Sozialarbeiter*in (Licensed Clinical Social Worker, LCSW) erwerben (klinische Titel können je nach Bundesstaat stark variieren). LCSWs sind von ihrem Bundesstaat für die psychologische Beratung von Einzelpersonen und Gruppen zugelassen und bezeichnen sich oft auch als Sozialarbeiter*innen. Sie können auch die Titel Therapeut*in, Berater*in oder klinische*r Sozialarbeiter*in verwenden. Einige klinische Sozialarbeiter*innen sind auch auf die Behandlung von Suchtkrankheiten spezialisiert und können zusätzliche Bezeichnungen wie Licensed Addiction Counselor (LAC) oder Certified Alcohol Drug Counselor (CADC) tragen.

Einsatzbereiche

Moderne Sozialarbeit in den USA ist breit gefächert, aber immer noch darauf ausgerichtet, benachteiligten Menschen direkt zu helfen und gleichzeitig die systembedingten Ungerechtigkeiten in der modernen Gesellschaft zu bekämpfen. Daher sind Sozialarbeiter in einer Vielzahl von Bereichen tätig.

Gesundheitsfürsorge

Einige Organisationen stellen regulär Sozialarbeiter*innen ein. Allen voran gehören dazu Organisationen im Gesundheitswesen, z. B. psychiatrische Einrichtungen, Krankenhäuser, Kliniken, Seniorenzentren/Hospize und alle anderen Einrichtungen, in denen Gesundheitsversorgung geleistet wird. Diese Organisationen beschäftigen oft LCSWs, die Psychotherapie anbieten, sowie Fallarbeiter*innen (case worker), die sich auf verhaltensbezogene Gesundheitsfürsorge konzentrieren und Überweisungen in weiterführende Unterstützungsangebote vornehmen (community referral). Fallarbeiter*innen kennen sich oft gut mit lokalen, staatlichen und föderalen Sozialprogrammen aus, da sie ihre Klienten regelmäßig dahingehend beraten, welche Programme für sie in Frage kommen und sie bei der Beantragung unterstützen.

Schule

Sozialarbeiter*innen sind auch üblicherweise in Schulen beschäftigt. In großen öffentlichen Schulen sind sie oft sowohl als Therapeut*innen als auch als sog. Community Resource Manager tätig. Therapeut*innen arbeiten eng mit Lehrpersonen und anderen Schulmitarbeitenden zusammen, um psychosoziale Dienste direkt vor Ort anzubieten, so dass Schüler*innen weniger Unterricht versäumen, um sich in Behandlung zu begeben. Community Resource Manager helfen den jungen Menschen außerdem dabei, die Betreuung zu erhalten, die sie brauchen, um in der Schule erfolgreich zu sein. Je nach Umfang und Qualität der Ressourcen an der Schule können Sozialarbeiter*innen in Schulen bei einer Reihe unterschiedlicher Probleme helfen: Sie organisieren Busse, damit die Kinder zur Schule kommen, helfen obdachlosen Familien bei der Suche nach Unterstützung, koordinieren kostenlose Frühstücks- und Mittagessenprogramme, helfen bei der Beschaffung von Schulmaterial, vermitteln bei Konflikten und bieten sogar Berufsberatung an. In kleinen öffentlichen Schulen füllt ein*e Schulberater*in oft viele Rollen und kümmert sich um die gerade akuten Bedürfnisse der Schüler*innen.

Finanziert werden diese Art von Stellen entweder durch lokale Steuern, die zur Unterstützung von Schulen erhoben werden, oder, im Falle von therapeutischen Diensten, von lokalen Einrichtungen für psychische Gesundheit, die wiederum durch staatliche, bundesstaatliche und private Versicherungsprogramme finanziert werden.

Soziale Arbeit mit jungen Menschen

Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit an Schulen organisieren Sozialarbeiter*innen oftmals weitere Programme für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Beispielsweise können dies außerschulische Aktivitäten sein, um Jugendliche in der Zeit zwischen Schulschluss und Feierabend der Eltern zu beschäftigen. Diese können in den Schulen selbst oder an einem anderen Ort stattfinden, der für die Jugendlichen attraktive Aktivitäten wie z. B. Billard oder Tischfußball anbietet. Gemeinsam mit den Jugendlichen planen die Sozialarbeiter*innen oft Workshops oder Aktivitäten, die sich mit sozialen Themen befassen und Möglichkeiten für Diskussionen, Sport, Meditation und Spiele bieten.

Kinderschutz

Sozialarbeiter*innen sind die Hauptmitarbeitenden des US-Kinderschutzdienstes (Child Protection Services - CPS), also der Bundesbehörde, die für das Wohlergehen und den Schutz von Minderjährigen zuständig ist. Die CPS-Büros werden entweder auf Bundesstaats- oder Bezirksebene geführt und sind mit Mitarbeitenden besetzt, die einen Abschluss in Sozialarbeit oder einem eng verwandten Bereich haben.

Die Aufgabe des CPS besteht vorrangig darin, die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten und, wenn möglich, die ursprüngliche Familie zusammenzuhalten. Wird dem CPS ein Verdachtsfall von Missbrauch gemeldet, trifft sich ein*e Sozialarbeiter*in mit der Familie, um den Fall zu prüfen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Familie das Umfeld für die Sicherheit des Kindes verbessern kann. Der*die Sozialarbeiter*in kann in solchen Fällen auch Überweisungen an kommunale Dienste wie psychologische und verhaltensbezogene Gesundheitsfürsorge, öffentliche Unterstützung oder Suchtbehandlung vornehmen.

Sollten Sozialarbeiter*in und ein Richter nach mehreren Beratungen zu dem Schluss kommen, dass die Umgebung für das Kind nicht sicher ist, wird das Kind aus der Familie genommen und bei Verwandten, in einer Pflegefamilie oder in einer therapeutischen Wohngruppe untergebracht. Letzteres ist bei Kindern, die schwere Traumata erlitten haben oder Verhaltensauffälligkeiten zeigen, oft notwendig. Ziel ist dabei weiter die Wiederzusammenführung der Familie. Wenn eine Zusammenführung nicht möglich ist, wird sich der*die Sozialarbeiter*in um eine dauerhafte Unterbringung des Kindes bemühen.

Handelt es sich bei dem Kind um ein Kind der Native American Community, sind Sozialarbeiter*innen gemäß dem Indian Child Welfare Act verpflichtet, alles zu unternehmen, um das Kind bei Verwandten oder in einer Pflegefamilie innerhalb der Stammesgemeinschaft unterzubringen.

Weitere Bereiche

Zusätzlich zu diesen üblichen Praxisfeldern engagieren sich Sozialarbeiter*innen häufig in der politischen Interessenvertretung und der Organisation von Gemeinschaften. Gelegentlich kandidieren Sie auch für Ämter und dienen als gewählte Beamt*innen auf allen Regierungsebenen. Sozialarbeiter*innen können sogar in der Wirtschaft tätig sein, um Angestellten beim Aufbau emotionaler Intelligenz zu fördern oder Anti-Bias-Training anzubieten. In Gefängnissen und Justizvollzugsanstalten werden Sozialarbeiter*innen oft eingesetzt, um verurteilte Straftäter*innen zu rehabilitieren. In den Vereinigten Staaten gibt es außerdem neun Organisationen für die Aufnahme von Geflüchteten, die Sozialarbeiter*innen beschäftigen, um Neuankömmlingen bei der Eingliederung in ihre neue Umgebung zu helfen.

Förderung

Die Finanzierung von Sozialarbeiter*innen ist so vielfältig wie der Beruf selbst. Jedes Praxisfeld hat andere Finanzierungsparameter und Herausforderungen. Diejenigen, die privat praktizieren, legen ihre Sätze für Einzel- und Gruppensitzungen fest und müssen mitunter mit der Krankenkasse ihrer Klienten verhandeln. Sind Klienten über ein staatlich finanziertes Versicherungsprogramm versichert, werden die Sätze des Therapeuten durch staatliche und bundesstaatliche Gesetze festgelegt.

Diejenigen, die in gemeinnützigen Organisationen arbeiten, sind oft an der Mittelbeschaffung für ihre Organisation beteiligt und schreiben Zuschussanträge an staatliche, lokale und bundesstaatliche Behörden sowie an private philanthropische Organisationen. Einige Sozialarbeiter*innen bei gemeinnützigen Organisationen organisieren sogar Spendenaktionen in ihren Gemeinden. Wie gemeinnützige Organisationen finanziert werden, hängt von der Struktur und den Prioritäten der jeweiligen Organisation ab und kann sehr unterschiedlich sein.

Fazit

Sozialarbeiter*innen sind auf fast allen Ebenen der amerikanischen Gesellschaft tätig, von der Arbeit mit Einzelpersonen über die Organisation in ihrer Gemeinde bis hin zur Arbeit für multinationale Unternehmen oder als gewählte Beamte. Dieser Überblick bot zwar einen kleinen Einblick in diesen vielseitigen Beruf, konnte aber nicht alle Aspekte eines Bereichs abdecken, der sich auch heute noch weiterentwickelt. Jeder US-Bundesstaat und jedes Territorium hat seine eigenen Gesetze, die den Beruf prägen, und jede Universität mit einer Fakultät für Sozialarbeit verfolgt einen anderen Ansatz in ihrer Ausbildung. Die beste Möglichkeit, mehr zu erfahren, besteht darin, sich mit US-amerikanischen Sozialarbeiter*innen auszutauschen und ihre Perspektiven kennenzulernen.

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Zum Autor: Zak Reimer ist Sozialarbeiter und lebt in Berlin, Deutschland. Er ist Fellow bei Social Science Works in Potsdam, Therapeut/Gründer von Calibrated Counselling und Lehrbeauftragter an der University of Montana, Hochschule für Sozialarbeit.

Nahaufnahme der US-amerikanischen Flagge
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