Menschen in roten Westen geben einer älteren Frau Essen Menschen in roten Westen geben einer älteren Frau Essen
Freiwillige von Uluslararası Damla Gönüllüleri Derneği geben Essen aus
Türkei

„Es ist schön, für Menschen da zu sein“

Ehrenamt in der Türkei

Feyza Kılınç arbeitet als Ehrenamtlerin für eine NGO in Ankara, die Essen an bedürftige Menschen ausgibt. Seit der Corona-Pandemie ist ihre Arbeit noch wichtiger geworden. Sie sagt: „Es löst bei mir ein Glücksgefühl aus, wenn Menschen, denen wir helfen können, strahlen.“ IJAB hat im Nachgang zum Deutsch-Türkischen Fachtag zu freiwilligem Engagement mit ihr gesprochen.

16.11.2021 / Christian Herrmann

ijab.de: Feyza, erzähl uns etwas über dich und deine Organisation Uluslararası Damla Gönüllüleri Derneği (International Damla Volunteers Association). Was macht ihr?

Feyza Kılınç: Ich bin eigentlich Psychotherapeutin, arbeite aber als ehrenamtlich Engagierte – auf Türkisch sagt man „aus freiem Herzen“ – für Uluslararası Damla Gönüllüleri Derneği.
Uluslararası Damla Gönüllüleri Derneği ist eine Organisation mit vielen Freiwilligen im ganzen Land, die unterschiedlich Freiwilligenprojekte in vielen Arbeitsfeldern durchführen – Umwelt, benachteiligte Gruppen, Kinder, alte Menschen oder Menschen mit Behinderungen.

Ich koordiniere mehrere ehrenamtlich Engagierte – jüngere und ältere – in unserem Projekt „Teile dein Essen“. Wir geben Essen an Hilfsbedürftige aus.

ijab.de: Wie geschieht das?

Feyza Kılınç: Wir haben ehrenamtliche Köche, die vom frühen Morgen an Mahlzeiten zubereiten. Danach verpacken andere das Essen steril und bringen es zu vorher festgelegten Sammelpunkten in den Stadtteilen, in denen bedürftige Menschen leben. Entsprechend der Anzahl der Angehörigen kann jede Familie ausreichend Essen mitnehmen. Gegessen wird also zuhause und nicht in unserem Treffpunkt. Auf diese Weise können wir jeden Tag 2.000 Menschen mit Essen versorgen.

ijab.de: Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Feyza Kılınç: Während der Corona-Pandemie hat sich die wirtschaftliche Situation vieler Menschen verschlechtert. Das hat vor allem mit dem Verlust von Arbeitsplätzen zu tun. Der Lockdown hat dazu geführt, dass viele Jobs verlorengegangen sind – zum Beispiel in Cafés und in der Gastronomie. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch, dass wir das soziale Miteinander und den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken möchten.

ijab.de: Wer nimmt eure Hilfe vor allem in Anspruch?

Feyza Kılınç: Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, sind ein Teil. Auch ältere Menschen brauchen unsere Unterstützung und oft sind es ganze Familien, die zu uns kommen.

ijab.de: Wie finanziert ihr das? 2.000 Mahlzeiten täglich sind eine ganze Menge.

Feyza Kılınç: Das nötige Geld kommt von unserem Projekt-Förderer, dem Ministerium für Jugend und Sport.

ijab.de: Ihr seid aber trotzdem weiterhin eine unabhängige NGO, oder?

Feyza Kılınç: Ja, natürlich.

ijab.de: Umfasst die Förderung auch euer Personal – zum Beispiel die Köche – oder sind es ausschließlich Mittel für das Essen?

Feyza Kılınç: Wir bekommen die Förderung ausschließlich für die Lebensmittel, die wir benötigen. Wer hier arbeitet, tut es zu 100% ehrenamtlich und bekommt kein Geld dafür. Unsere ehrenamtlich Engagierten möchten nichts. Das betrifft nicht nur die Köche, sondern zum Beispiel auch die Kinderbetreuung, die wir anbieten, wenn ganze Familien zu uns kommen.

Unsere Arbeit gründet auf dem Herzen, nicht auf Geld

ijab.de: Beim ersten Teil des Deutsch-Türkischen Fachtags im Oktober hast du über deine Arbeit berichtet und dabei viel Begeisterung ausgestrahlt. Wo kommt die her?

Feyza Kılınç: Es löst bei mir ein Glücksgefühl aus, wenn Menschen, denen wir helfen können, strahlen. Es ist schön, für Menschen da zu sein. Wenn du nach meinem Motiv fragst: Ich möchte Menschen lachen sehen.

ijab.de: Ist das eine Lebenshaltung, die man aus dem Ehrenamt mitnehmen kann?

Feyza Kılınç: Das nimmt man definitiv mit. Ich arbeite jetzt schon 6 Jahre für Uluslararası Damla Gönüllüleri Derneği und möchte das, was ich hier mache, mein Leben lang tun.

ijab.de: Aber von irgendwas musst du auch leben? Wäre zumindest eine Aufwandsentschädigung nicht angemessen? Wie denkst du über die Professionalisierung von sozialem Engagement?

Feyza Kılınç: Nun, wir arbeiten ja professionell. Wir wissen genau, was wir tun. Wir tun es eben freiwillig, ohne Geld. Ich arbeite als Psychotherapeutin und bin daher nicht darauf angewiesen, für mein Ehrenamt Geld zu bekommen. Natürlich ist mir der Gedanke der Professionalisierung, die du ansprichst, nicht völlig fremd. Ich merke auch, wie mein Beruf und mein freiwilliges Engagement immer mehr zusammengehen. Meine Kenntnisse als Psychotherapeutin helfen mir sehr bei meiner Freiwilligenarbeit.

ijab.de: Wie hast du die Unterschiede bei freiwilligem Engagement in Deutschland und der Türkei während des Deutsch-Türkischen Fachtags wahrgenommen?

Feyza Kılınç: Die Unterschiede scheinen wirklich groß zu sein. Nach dem Fachtag habe ich Freunde in Deutschland kontaktiert, um mehr darüber zu erfahren, wie es dort funktioniert. Mir kommt es fast wie ein Arbeitszweig vor, der gut finanziert ist. In der Türkei bedeutet Freiwilligkeit 100% Freiwilligkeit. Unsere Arbeit gründet auf dem Herzen, nicht auf Geld. Niemand denkt daran, irgendetwas zu bekommen.

Vier Menschen sprechen miteinander.
Über den Austausch mit der Türkei

IJAB führt mit der Türkei Fachprogramme und Partnerbörsen durch. Außerdem bieten wir interessierten Trägern Information und Beratung zum Austausch mit der Türkei an.

Ansprechpersonen
Christiane Reinholz-Asolli
Referentin für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit
Tel.: 0228 9506-112
Timo Herdejost
Sachbearbeitung
Tel.: 0228 9506-130