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Glaubenspraxis

Textauslegung

Im Christentum

Textauslegung

In der katholischen und evangelischen Kirche werden die biblischen Texte heute mit wissenschaftlichen Methoden untersucht. Dabei geht es darum, den Sinn eines Textes herauszuarbeiten, den der Verfasser in seinem jeweiligen historischen Umfeld zum Ausdruck bringen wollte.

Historisch-kritische Methode

Die historisch-kritische Methode ist die bekannteste Form der biblischen Textauslegung. Historisch ist die Auslegung, weil sie davon ausgeht, dass der zu untersuchende Text eine Geschichte hat, zum Beispiel durch mündliche Überlieferung. Kritisch, dies aber nicht im umgangssprachlichen Sinn, ist die Methode, weil sie davon ausgeht, dass es allgemein einsichtige Kriterien für die wissenschaftliche Untersuchung der Geschichte von Texten gibt.

Kriterien sind beispielsweise

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen (die verschieden sein können) sind in so genannten Kommentaren zu den Bibeltexten nachzulesen. Aufgrund der Textuntersuchungen gibt es einen Grundkonsens, wie ein Text auszulegen sei, es gibt aber keine allgemein verbindliche Interpretation.

Texthierarchien

Nicht alle Bibeltexte sind gleich wichtig. Grundsätzlich gilt vor allem für das Neue Testament: Je „älter“ ein Text ist, das heißt je getreuer er das wiedergibt, was damals gesprochen und gesagt wurde, desto wichtiger ist er. Zum Beispiel ist die Jesusrede (Bergpredigt Matthäus 5,1) wichtiger als die Aussagen der Nachfolger und ersten Christen, wie zum Beispiel des Apostel Paulus, über die Stellung der Frau („die Frau schweige in der Gemeinde“), die nur im Zusammenhang im damaligen gesellschaftlichen Kontext zu verstehen sind.

Für die ganze Heilige Schrift gilt: Je mehr ein Text den Grundlinien des Evangeliums als froher und befreiender Botschaft für alle Menschen entspricht, desto bedeutender ist er.

Im Islam

Textauslegung

Die unterschiedliche Auslegbarkeit des Koran war bereits in der Frühzeit des Islam gegeben. Schon die Gründung unterschiedlicher Rechtsschulen zeugt von einer muslimischen Meinungsvielfalt. Grob gesehen gibt es zum einen eine orthodox-konservative Auslegung, die von der Mehrheit innerhalb der muslimischen Gemeinschaften geteilt wird, zum anderen eine liberale Lesart.

Bei der Textauslegung wird oft die Hierarchisierung der Quellen vernachlässigt und die Sunna mit den Ahadith (Singular Hadith, Aussagen und Handlungsweisen des Propheten Muhammad) als erste Quelle herangezogen. Das hat im so genannten Volksislam dazu geführt, dass viele Gläubige Ahadith-Texte für Korantexte halten. Grundsätzlich gilt allerdings, dass ein Hadith in keiner Weise dem Koran widersprechen darf. 

Die meisten Musliminnen und Muslime gehören einer der vier Rechtsschulen an und beten zum Beispiel nach deren Ritus. Die größeren Rechtsschulen akzeptieren sich gegenseitig. Bei einem Vertragsabschluss, zum Beispiel auch einem Ehevertrag, wird in den meisten Fällen schriftlich niedergelegt, nach welcher Rechtsschule ausgehandelt und entschieden werden soll.

In einigen (auch europäischen) Ländern existieren zum Beispiel auch so genannte Fatwakommissionen, die zu Fragen des heutigen Alltags Rechtsgutachten erstellen. Diese sind zumindest für diejenigen verbindlich, die sich daran gebunden fühlen.

In der Theologie bilden sich neue Richtungen heraus, die neue und zeitgemäße Interpretationsmöglichkeiten anstreben, so zum Beispiel die Ankaraer Schule.

Im Judentum

Textauslegung

Seit Generationen beschäftigen sich jüdische Gelehrte mit dem Studium und der Auslegung der Heiligen Schriften und des Talmuds. In nahezu jeder Generation finden sich Kommentatoren, deren Auslegungen bis zum heutigen Tag von Bedeutung sind.

Die wissenschaftliche Bibelforschung des 18. und 19. Jahrhunderts fußte auf der Beobachtung, dass im Pentateuch (Fünf Bücher Mose) verschiedene Gottesnamen auftauchen. Forschungen zu Erzählstil, Theologie und weiteren Aspekten ergaben, dass die Bibel ein Produkt mehrerer Verfasser sei. Ausgehend von dieser Erkenntnis entwarfen in der Mehrzahl christliche Bibelwissenschaftler verschiedene Hypothesen, wie die Bibel entstanden sein könnte.

Manche jüdischen Gelehrten, so auch in Deutschland, übernahmen die von der Bibelwissenschaft entwickelten Methoden. Andere hingegen lehnten sie entschieden ab und verstanden manche Interpretationen von Forschungsergebnissen als Delegitimierung der jüdischen Religion und ihrer Traditionen.

Diese jüdischen Gelehrten bemühten sich in ihrer Arbeit um die Erforschung der Bibel und des Judentums auf Grundlage neuer Mittel. Sie zeigten sich bemüht, moderne, wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden mit dem Glauben an die Tora als Fundament der jüdischen Religion und des jüdischen Selbstverständnisses in Einklang zu bringen. Vor allem auf nicht-orthodoxer, liberaler Seite entstand so eine bis heute fortgeführte jüdische Bibelwissenschaft, die den biblischen Text mit kritischen Methoden auf eigene Weise untersucht, ohne jüdische nachbiblische Traditionen zu übergehen und seinen historischen Hintergrund zu vergessen.

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