Rote Figuren eines Mannes und einer Frau. Rote Figuren eines Mannes und einer Frau.
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Glaubenspraxis

Rolle von Frau und Mann

Im Christentum

Frau und Mann sind nach der Heiligen Schrift gleichberechtigte Geschöpfe Gottes. In der Schöpfungsgeschichte (1. Mose 2,18 ff) ist beschrieben, dass Mann und Frau als Ebenbild Gottes geschaffen wurden. Die Geringerstellung der Frau, die in einigen biblischen Texten zum Ausdruck kommt, gehört zum patriarchalischen Kontext des Altertums. Jesus betont ausdrücklich die Gleichstellung von Mann und Frau (Matthäus 19,4ff).

Dennoch wurde die Herrschaft der Männer über die Frauen (Patriarchat) durch das Christentum maßgeblich ideologisch gestützt. Das Bild der Frau, wie es seit über 2000 Jahren in der Kirche gelehrt wird, ist häufig noch das Bild vom „anderen“ Geschlecht. Nach wie vor gibt es in der katholischen und orthodoxen Kirche keine Priesterweihe für Frauen. Beide Kirchen halten noch stark am traditionellen Frauenbild fest. Das kirchliche Ideal der Frau als Hausfrau und Mutter dominiert in den ländlichen und katholischen Gebieten am stärksten.

Die Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts hat vor allem die evangelische Kirche und ihre Theologie beeinflusst und dazu geführt, dass sich die Situation der Frau innerhalb der Kirchen langsam verändert hat. So dürfen seit Mitte des vorigen Jahrhunderts Frauen als Pastorinnen arbeiten. 1992 wurde erstmals eine Frau zur evangelischen Bischöfin gewählt.

Dennoch ist die Gleichberechtigung nicht erreicht. Nach wie vor gibt es subtile Mechanismen, um Frauen von einflussreichen Ämtern fernzuhalten. Die überwiegende Zahl der in den Kirchen ehrenamtlich Engagierten sind Frauen, in den Entscheidungsgremien hingegen sind wiederum deutlich mehr Männer als Frauen vertreten. Die berufliche Mitarbeit zeigt eine ähnliche Struktur: Zwar sind mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer in der Kirche tätig, jedoch überwiegend in Bereichen, die dem klassischen mittelständischen Frauenbild entsprechen (Hauswirtschaft, Kindererziehung, Pflege).

Im Islam

Der Koran geht von der Gleichheit der Geschlechter aus. In der koranischen Schöpfungsgeschichte wird davon gesprochen, dass Gott den Menschen aus einer einzigen Substanz geschaffen hat.

Mann und Frau im Koran

„Ihr Menschen, fürchtet euren rabb (Schöpfer), Der euch erschaffen hat aus einer einzigen Substanz; und aus dieser erschuf Er das entsprechende Partnerwesen, und aus den beiden ließ Er viele Männer und Frauen entstehen. Und fürchtet Gott, in Dessen Namen ihr einander bittet, sowie (im Namen eurer) Blutsverwandtschaft. Tatsächlich, Allah wacht über euch.“ (Koran 4:1)

Im Koran wird nicht einem Geschlecht allein die Last der Verantwortung für das Verlassen des Paradieses angelastet.1 Auch an vielen anderen Stellen im Koran wird die Gleichheit der Menschen durch die Geschöpflichkeit betont. Wenn alle Menschen aus derselben Substanz geschaffen sind, sind sie als Geschöpfe gleich und ebenbürtig, das heißt niemand kann sich über den anderen erheben. 

Gott betont stets, dass er dem Menschen nahe ist2 und sich ihm gegenüber zur Barmherzigkeit verpflichtet hat3, ohne dabei eine bestimmte Gruppe oder Gemeinschaft zu bevorzugen. So wie die Gleichwertigkeit aller Menschen als Geschöpfe Gottes betont wird, so wird auch an vielen Stellen die Gleichberechtigung der Geschlechter benannt. Frauen gelten in ihrem Sein als den Männern gleich (siehe Vers 4:1). An sie werden gleiche Erfordernisse gestellt und ihnen wird gleicher Lohn in Aussicht gestellt. Diese Gleichwertigkeit der Geschlechter lässt sich mit den folgenden Koranzitaten belegen:

„Die muslimischen Männer und die muslimischen Frauen, die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen, die gehorsamen Männer und die gehorsamen Frauen, die ehrlichen Männer und die ehrlichen Frauen, die geduldigen Männer und die geduldigen Frauen, die demütigen Männer und die demütigen Frauen, die Männer, die Almosen geben, und die Frauen, die Almosen geben, die Männer, die fasten, und die Frauen, die fasten, die Männer, die ihre Keuschheit wahren, und die Frauen, die ihre Keuschheit wahren, die Männer, die Allahs häufig gedenken, und die Frauen, die (Allahs häufig) gedenken - Allah hat ihnen (allen) Vergebung und großen Lohn bereitet.“ (Koran 33:35)

„Und die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen sind einer des anderen Beschützer: Sie gebieten das Gute und verbieten das Böse und verrichten das Gebet und entrichten die Zakat und gehorchen Allah und Seinem Gesandten. Sie sind es, derer Allah Sich erbarmen wird. Allah ist Erhaben, Allweise.“ (Koran 9:71)

„...Die Männer sollen ihren Anteil nach ihrem Verdienst erhalten, und die Frauen sollen ihren Anteil nach ihrem Verdienst erhalten. Und bittet Allah um Seine Gnade. Allah hat vollkommene Kenntnis von allen Dingen.“ (Koran 4:32)

Gesellschaftliche Realität

Trotz dieser koranischen Grundlage beanspruchen Männer überwiegend für sich die Macht – sowohl in der Familie als auch in den Gemeinden. Dies ist auf die meist traditionelle Sozialisation und den damit verbundenen gesellschaftlichen Zwang zurückzuführen.

Auch die Interpretation bestimmter Koranverse ist meist noch sehr patriarchal. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Übersetzung des viel zitierten Verses 4:34, mit dem versucht wird, das Schlagen von Frauen religiös zu legitimieren. Ein Großteil der muslimischen Männer würde in der Realität zwar sicher nicht so handeln. Trotzdem möchten sie aber die herkömmliche patriarchale Lesart des Verses beibehalten. Die beiden Übersetzungsmöglichkeiten werden hier dargestellt:

Herkömmliche Übersetzung 
„Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen und diejenigen, die (ihrer Gatten) Geheimnisse mit Allahs Hilfe wahren. Und jene, deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet: ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht gegen sie keine Ausrede. Wahrlich, Allah ist Erhaben und Groß.“ [Koran 4:34]4  

Geschlechtergerechte Perspektive
„Die Männer5 stehen ein für die Frauen6, wegen dem womit All?h die jeweils einen vor den jeweils anderen ausgezeichnet hat, und weil sie (als die wirtschaftlich Unabhängigen) aus ihrem Vermögen (Unterhalt und Versorgung) ausgeben. Darum sind loyale Frauen (Allah gegenüber) ergeben. (Sie sind) diejenigen, welche die Geheimnisse, (in der Ehe, was nicht öffentlich gemacht wird und Außenstehenden verborgen bleiben soll in Bezug auf die Beziehung der Eheleute) gemäß All?hs Weisung bewahren. Und wenn ihr annehmt, dass Frauen sich (einen Vertrauensbruch) begehen, beratschlagt euch mit ihnen und (falls keine Veränderung eintritt) verlasst den Privatbereich (kehrt ihnen den Rücken zu und meidet Intimitäten) und (als letztes) trennt euch von ihnen.7 Wenn sie zur loyalen Haltung zurückkehren, so sucht gegen sie keine Handhabe (um ihnen zu schaden). Wahrlich, All?h ist erhaben, größer (als alles Vorstellbare).“
[Erläuterung zu Sure 4.34]8 

Frauen in Ämtern

In vielen Moscheen ist das Amt des Hodschas beziehungsweise Imams grundsätzlich für Männer vorgesehen, vor allem seit es zu einer Professionalisierung in diesem Bereich gekommen ist.

Wenn Moscheegemeinden erzählen, dass sie durchaus weibliche Hodschas haben, sind meist damit Lehrerinnen für den Koranunterricht oder sonstigen Unterricht für die Mädchen gemeint.

Eine Ordination gibt es im Islam nicht, trotzdem gibt es kaum eine Gemeinde, die eine weibliche Vorbeterin akzeptieren würde. Theologisch gesehen ist diese Frage durchaus strittig.

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Fußnoten

1 „Da aßen sie beide davon, so dass ihnen ihre Blöße ersichtlich wurde, und sie begannen, Blätter des Gartens über sich zusammenzustecken.“ (Koran 20:121)

2 „Wirklich, Wir erschufen den Menschen, und Wir wissen, was er in seinem Innern hegt; und Wir sind ihm näher als (seine) Halsschlagader.“ (Koran 50:16)

3 „Sprich: ‚Wem gehört das, was in den Himmeln und was auf Erden ist?’ Sprich: ‚Allah.’ Er hat Sich Selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben.“ (Koran 6:12)

4 Übersetzung nach Muhammad Rassoul (1996): Die ungefähre Bedeutung des Qur'an Karim in deutscher Sprache. Köln: Verlag Islamische Bibliothek

5 Etymologische Bedeutung auch: "Jemand, der auf eigenen Füßen stehen kann, der ein Standbein in der Gesellschaft hat" (ri?l/ra?ila = per Fuß laufen). In den so genannten Ri??l-Werken ('Ilmu'r-ri??l), welche die Biographien bekannter Gelehrter aus der Frühzeit des Islams enthalten, kommen auch weibliche Wissenschaftlerinnen vor. Demnach ist erkennbar, dass der Begriff Ri??l nicht nur auf Männer im biologischen Sinne angewandt wurde. 

6 Qaww?m 'ala: „Jemand, der fest für die Sache eines anderen einsteht, seine Interessen schützt und für seine Angelegenheiten Sorge trägt“. Es kann auch bedeuten: „Jemand, der für seine eigene Sache einsteht und mit stetiger Entschlossenheit seine Angelegenheit regelt.“ Yusuf 'Ali, zitiert nach Bavaria, Fußnote 84, S. 31.

7 In den meisten Koranübersetzungen und bei Kommentatoren oft mit "schlagt sie" übersetzt.

8 Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung (ZIF): „Ein einziges Wort und seine große Wirkung - Eine hermeneutische Betrachtungsweise zu Koransure 4, Vers 34, mit Blick auf das Geschlechterverhältnis im Islam“, Köln/Zürich 2005

Im Judentum

Rolle von Mann und Frau

In orthodox ausgerichteten jüdischen Gemeinschaften ist die Beziehung zwischen Mann und Frau durch eine strikte Geschlechtertrennung gekennzeichnet. Während sich hier die Frau in der Regel um den Haushalt und die Erziehung der Kinder kümmert, sorgt der Mann für das materielle Auskommen der Familie und widmet sich seinen religiösen Studien. 

In stark religiösen Familien ist der Mann so sehr in das Talmud-Tora-Studium eingebunden, dass seine Frau mit für den Unterhalt der Familie aufkommt. In orthodoxen Gemeinden engagieren sich Frauen zwar auch in bestimmten Institutionen der Synagogengemeinde, etwa dem sozialen Bereich, übernehmen in aller Regel jedoch keine öffentliche Position mit größerer Breitenwirkung, wie zum Beispiel den Gemeindevorsitz. Öffentliche religiöse Ämter wie das des Vorbeters oder des Rabbiners bekleiden Frauen in der Orthodoxie nicht. 

Völlig anders sieht dies in nicht-orthodoxen jüdischen Gemeinschaften aus. Die Geschlechtertrennung machte hier einer Gleichberechtigung Platz, die die Frau von der vergitterten Synagogenempore bis direkt an das Vorlesepult der Tora führte. Engagierte Frauen übernehmen hier Ämter wie Gemeindevorsitz, Lehrerin, Vorbeterin oder Rabbinerin.

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