Theologie
Christusverständnis und Trinitätslehre
Wer war Christus? War er ein Gott oder ein Mensch? Um diese Frage ging es in den Anfängen der Kirchengeschichte. Das Kernproblem war: Wie lässt sich der Glaube an den einen wahren Gott vereinen mit dem Glauben an Christus, den Sohn Gottes?
Als monotheistische Religion, die nur an einen Gott glaubt, entwickelte die Kirche in Konzilien (Versammlungen der Bischöfe) im 4. und 5. Jahrhundert die Trinitätslehre (Lehre von der Dreieinigkeit Gottes). Die Trinitätslehre behandelt das Verhältnis zwischen Gott, Jesus Christus und dem Heiligen Geist. Einerseits geht es darum, dass es in einer monotheistischen Religion nicht zwei Götter geben kann, und andererseits kann Christus die Menschen nicht erlösen, wenn er nur ein vergöttlichter Mensch ist. So wurde festgelegt, dass Christus von Gott „gezeugt“ und „nicht geschaffen“ wurde, „weseneins mit dem Vater“ ist (Konzil von Nicäa 325) und Gottes Sein sich in drei Seinsweisen darstellt: als Vater, als Sohn und als heiliger Geist (Konzil von Konstantinopel 381). Es handelt sich dabei nicht um drei verschiedene Götter, sondern um einen einzigen Gott.
Bei der Frage um das richtige Christusverständnis kam es 1054 zur Trennung zwischen den Kirchen des oströmischen Reiches (Byzanz) und der römisch-katholischen Westkirche. Die orthodoxen Kirchen entstanden.
Orthodoxe Kirchen
Orthodoxe Kirche (griechisch: rechtgläubig, das heißt die rechte Verehrung oder rechte Lehre Gottes) nennen sich die christlichen Kirchen, die ihren Ursprung im byzantinischen Reich haben. Deshalb spricht man von den Ostkirchen im Gegensatz zur katholischen Westkirche.
Die orthodoxen Kirchen eint die Überzeugung, das urchristliche Erbe richtig zu bewahren. Sie verstehen sich als die ursprüngliche christliche Kirche und erkennen als höchstes Leistungsorgan nicht den Papst, sondern das Konzil an. Die höchste Autorität hat die Kirche. Sie kann sich nicht irren und gilt als unfehlbar.
Die Theologie der orthodoxen Kirche ähnelt in vieler Hinsicht der der katholischen Kirche. Im Detail gibt es allerdings viele Unterschiede. Im Mittelpunkt steht vor allem das Wirken des heiligen Geistes in Kirche und Welt und die Menschwerdung Gottes („und dadurch die Gottwerdung des Menschen“ - Theosis).
Zu den orthodoxen Kirchen zählen 20 Kirchen, die in Kirchengemeinschaft stehen und sich in Bekenntnis und Liturgie als eine orthodoxe Kirche verbunden fühlen. Zu ihnen gehören:
- Altkirchliche Patriarchate (ab 330 bis 500 nach Christus): Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel, Griechisch-Orthodoxes Patriarchat von Alexandria, Griechisch-Orthodoxes Patriarchat von Antiochien, Patriarchat von Jerusalem,
- Patriarchate der nachkaiserlichen Zeit (ab 500 nach Christus): Patriarchat von Georgien (Georgisch- Orthodoxe Kirche), Patriarchat von Bulgarien (Bulgarisch-Orthodoxe Kirche), Russisch-Orthodoxes Patriarchat von Moskau, Patriarchat von Serbien (Serbisch-Orthodoxe Kirche), Patriarchat von Rumänien (Rumänisch-Orthodoxe Kirche),
- Orthodoxe Erzbistümer (die "autokephal" sind, das heißt sich "selbst regieren“ und ihren Vorsteher und ihre Bischöfe selbst bestimmen dürfen): Erzbistum von Zypern, Erzbistum von Griechenland, Erzbistum von Polen, Erzbistum von Albanien, Erzbistum von Tschechien und der Slowakei, Orthodoxe Kirche in Amerika (Russisch Orthodoxe Kirche gewährte ihr die "Selbstregierung"),
- Autonome Kirchen (das heißt eine andere Kirche hat Mitspracherecht bei der Bestimmung des Vorstehers): Britisch-Orthodoxe Kirche, Erzbistum von Finnland, Erzbistum von Japan, autonome russisch-orthodoxe Auslandskirche, Erzbistum Sinai.
Die orthodoxe Kirche ist nach der katholischen Kirche weltweit gesehen die zweitgrößte christliche Kirche.
Im Gegensatz zu den westlichen Kirchen sind die Mehrzahl der Priester keine Theologen. Die Ausbildung zum Priester ist kurz und sehr praxisbezogen. Auch sind die Mehrzahl der Theologen (die die Lehre bestimmen) Laien und keine Priester.
An der Spitze der orthodoxen Kirche steht der Patriarch, Erzbischof oder Metropolit, dann kommen Bischof, Priester und Diakon (griechisch diakonos: Helfer). Hoch geschätzt wird die Frömmigkeit der asketisch lebenden Mönche. Aus dem Mönchstand gehen die Bischöfe hervor.
Frauen sind von klerikalen Ämtern ausgeschlossen. Es gibt keine Frauenordination (Priesterweihe für Frauen) und auch keinen Altardienst für Frauen. Ansonsten können Frauen sämtliche Gemeindefunktionen ausüben.
Priester dürfen heiraten. Die Ehefrau des Priesters hat eine Sonderstellung in der Gemeinde und einen speziellen Titel.
Eine wichtige Rolle spielt die Praxis des immerwährenden Herzensgebetes („Herr Jesu rette mich, erbarme dich meiner“).
Das orthodoxe Kirchengebäude bildet den Jerusalemer Tempel ab. Ikonen (griechisch eikon: Bild), auf denen Christus, Maria oder andere Heilige abgebildet sind, sind ein wesentliches Merkmal der Frömmigkeit.
Die Praxis des Fastens hat einen hohen Stellenwert. Mittwoch und Freitag sind regelmäßige Fastentage.
Sünde und Erlösung
Das Christentum ist eine Erlösungsreligion. Sie verspricht den Gläubigen eine Befreiung aus der das menschliche Dasein prägenden Unheilssituation. In dem Zusammenhang spielt der Begriff Sünde eine große Rolle. Er versucht die Tatsache zu erklären, dass es in der Welt neben den Mächten Heil, Glück und Liebe auch Unheil, Leid und Hass gibt. Im Glauben an Jesus Christus, der durch seine Auferstehung vom Tod die Mächte des Unheils und des Todes überwunden hat, können die Menschen erlöst werden. Die Erlösung wird nicht durch Leistung erlangt, also etwa durch die Befolgung der Gesetze, sondern allein durch den Glauben. Diese Überzeugung war in der Kirchengeschichte jedoch immer wieder gefährdet durch Leistungsgedanken, nach denen man sich durch Askese oder den Erwerb von so genannten Ablassbriefen von den Sünden freikaufen könne. Der Grundgedanke der Erlösungsreligion ist: Die Erlösung und das Heilswirken Gottes geschehen schon in der Gegenwart im Leben der Menschen. Die Vollendung dieser Erlösung findet jedoch erst in der endzeitlichen Zukunft statt. So befindet sich die christliche Existenz in der Spannung zwischen „schon“ und „noch nicht“.
Die alte Theologie hat den Begriff der Erbsünde geprägt. Sie beschreibt die allgemeine Schuldhaftigkeit des Menschen. Es handelt sich nicht um ein moralisches Versagen, sondern um eine unvermeidbare Gesamtsituation, in der sich der Mensch vor allem Tun befindet. Sie ist „Nicht-Bestandteil“ der guten Schöpfung Gottes und bricht dämonisch aus den Tiefen der Menschen hervor. Die Erzählung vom Sündenfall im 1. Buch Mose beschreibt das bewusste Übertreten eines Gottesgebotes durch Adam und Eva. Die Konsequenz dieses Verstoßes ist die Vertreibung aus dem Paradies, einem Ort völliger Unschuld. Nach der Erbsündenlehre besaß der Mensch vor dem Sündenfall das Vermögen, nicht zu sündigen. Nach dem Fall wurde daraus ein prinzipielles „Unvermögen, nicht zu sündigen“ (Augustin, Kirchenvater). Im Gegensatz dazu gibt es die aktuellen und konkreten Sünden, die im (Fehl-)Verhalten des Menschen zum Ausdruck kommen. Sie können vermieden bzw. durch Gesetze (Zehn Gebote) eingedämmt werden. Dazu gehören konkrete Verfehlungen gegenüber Gott und den Menschen.
In der kirchlichen Praxis kam es zu einer Sündenstaffelung, in der zwischen einer Sünde zum Tode und einer Sünde nicht zum Tode (1. Johannesbrief) unterschieden wurde. Daraus entwickelte sich die Unterscheidung von Todsünden und lässlichen Sünden. Diese unterscheiden sich in der Gewichtigkeit und Schwere der Sünde, im Bewusstsein und in der Freiwilligkeit der Tat. Die Vergebung der Todsünde kann nur in der Beichte oder durch vollkommene Reue erreicht werden. Ohne Beichte befindet sich der Gläubige im Zustand der Sünde, was die Teilnahme an der Kommunion nicht erlaubt.
Bedeutung der Institution Kirche
Dieser Erlösungsglaube konnte nach dem Selbstverständnis der Kirche nur innerhalb der Institution gelebt werden. Die Gläubigen bekamen Zugang zu Gott und damit zur Erlösung und zum Heil nur „in und über die Kirche“. Nach damaligem Verständnis bedeutete dies die katholische Kirche, die sich als die einzige Kirche Jesu Christi verstand. Sie wurde für alle Menschen als heilsnotwendig und allein selig machend gesehen.
Der Satz „Es gibt kein Heil außerhalb der Kirche“ galt bis ins 20. Jahrhundert. Dementsprechend führt der Weg zum Heil nur über den Eintritt in die katholische Kirche. Erst während des 2. Vatikanischen Konzils erkannte die katholische Kirche die ergänzende Funktion der anderen christlichen Kirchen wie zum Beispiel der evangelischen Kirche an. Auch in ihnen ist der Weg zum Heil möglich. Nach neuerem Verständnis können demnach auch die nichtchristlichen Religionen ein Heilsweg sein. Diese Aussage hat die katholische Kirche in ihrer jüngsten Erklärung jedoch relativiert und die katholische Kirche als einzig wahre Kirche bezeichnet.
Katholische Kirche
Das Wort katholisch (griechisch katholikos) bedeutet „das Ganze betreffend, allgemeingültig“. Unter katholischer Kirche verstand man ursprünglich die von Jesus Christus begründete Gemeinschaft aller Christen.
Nach der Entstehung der evangelischen Kirche (16. Jahrhundert) bezeichnet der Begriff eine Konfession bzw. Glaubensrichtung innerhalb des Christentums. Die katholische Kirche besteht aus 23 Kirchen, deren größte die Lateinische Kirche ist. Der katholischen Kirche gehören weltweit die meisten Christen an.
Es prägt die Morallehre der katholischen Kirche, an den Idealen der Bergpredigt (Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit, Gewaltlosigkeit, Besitzverzicht, Treue) festzuhalten und zugleich den irdischen Anforderungen gerecht zu werden.
An der Spitze der katholischen Kirche steht der Papst. Er ist die höchste Autorität in Lehre und Kirchenordnung. Er kann sich nicht irren, ist also unfehlbar. Ihm zur Seite stehen die Kardinäle. Jeder Kardinal ist ein geweihter Bischof. Der Bischof (griechisch episkopos: Vorsteher, Aufseher) ist ein geistlicher Würdenträger, der die geistliche und administrative Leitung über ein bestimmtes Gebiet innehat, das zahlreiche Einzelgemeinden umfasst. Die Ernennung des Bischofs erfolgt durch den Papst. Mitarbeiter der Bischöfe sind Priester (Vorsteher einer Ortsgemeinde, Pfarrei) sowie für den nicht priesterlichen Dienst die Diakone.
Zu den „Kennzeichen der Kirche“ (lateinisch: nota ecclesiae), die die katholische Kirche nach eigener Auffassung als die einzige Kirche Jesu Christi ausweisen, gehören:
- ihre Einheit,
- ihre Heiligkeit - sie wurde durch Jesus Christus gegründet,
- Katholizität - sie gilt für alle,
- Apostolizität - die direkte Nachfolge der heutigen Bischöfe von den Aposteln bestätigt die Autorität der Kirche. Innerhalb der katholischen Kirche nahm der Apostel Petrus eine herausragende Bedeutung ein. Auf ihn, als ersten Bischof von Rom, beruft sich der Papst.
Die katholische Kirche hat festgelegte Merkmale. Zu den wesentlichen Merkmalen gehören:
- Apostolische Sukzession (ununterbrochene Amtsnachfolge der Bischöfe, die direkt auf die Apostel, das heißt die ersten Christen, zurückgeht).
- Betonung der sieben Sakramente: Taufe, Firmung, Eucharistie (Abendmahl), Beichte, Priesterweihe, Ehe, Krankensalbung (Letzte Ölung). Beim Abendmahl wird durch Gottes Macht die Substanz des Brotes und des Weines vollständig in den Leib Christi verwandelt. (siehe Protestantismus)
- Wertschätzung der Heiligen.
- Marienverehrung: Eine hohe Verehrung genießt Maria, die Mutter Jesu. Über die historische Person ist wenig bekannt. Sie wird als Fürsprecherin der Menschen vor Gott verehrt. So genannte
- Marienerscheinungen an Wallfahrtsorten haben später im 19. Jahrhundert die Marienverehrung stark gefördert.
- Anerkennung der kirchlichen Überlieferung (Tradition, Kirchenväter) neben der Heiligen Schrift als Offenbarungsquelle.
- Anerkennung der Ergebnisse der allgemein anerkannten Ökumenischen Konzile.
Unterscheidung zwischen lässlichen Sünden und Todsünden. - Beichte (das mündliche Eingeständnis einer schuldhaften Verfehlung, meist während eines Gesprächs unter vier Augen mit einem Geistlichen)
- Zölibat (Eheverbot) für Priester.
Gottesdienst
Der Alltag der Gläubigen wird geprägt durch regelmäßige Gebete im Tagesrhythmus und zu den Mahlzeiten. In der Regel versammeln sich jeden Sonntag die Gläubigen zur Heiligen Messe. Dieser Hauptgottesdienst umfasst die Wortverkündigung, also das Lesen und Deuten der Heiligen Schrift (Bibel) und die Eucharistiefeier (Abendmahl). Die Eucharistiefeier gilt als ein Sakrament.
Bis zum 2. Vatikanischen Konzil (1962 – 65) wurde die Messe in Latein und danach in der jeweiligen Landessprache gefeiert. Am 8. Juli 2007 hat Papst Benedikt XVI die lateinische Liturgie - wenn auch als außerordentliche Form der Messe - wieder eingeführt.
Der zweiteilige katholische Hauptgottesdienst umfasst Lehrgottesdienst (Wortverkündigung) und Abendmahl (Eucharistie). Der Begriff Messe leitet sich von der Entlass-Formel der lateinischen Liturgie “Ite, missa est!“ ab („Gehet hin in Frieden“). Besonders festliche Messen werden als Hochamt bezeichnet. Die Abfolge der regelmäßigen Gebete und Gesänge änderte sich im Laufe der Zeit, was eine gewisse Vielfalt der Riten hervorbrachte.
Ein von Gott gegebenes wirksames äußeres Zeichen, das eine Bindung zwischen Gott und Mensch zum Ausdruck bringt. Der Begriff Sakrament ist nicht biblisch und wurde um ca. 200 nach Christus eingeführt. Die Wirkung des Sakramentes vollzieht sich nicht durch die bloße Handlung, sondern in der Bindung Gottes an sein Wort. Ein Sakrament gilt als ein sichtbares Zeichen der unsichtbaren Gnade Gottes. Während die Predigt von der Person des Predigenden abhängig ist und Gott nicht immer gleichermaßen sichtbar macht, vermitteln die Sakramente als „wirksames Gnadenmittel“ den Gläubigen immer die Gnade Gottes.
Das Abendmahl ist eine Mahlzeit im Rahmen eines christlichen Gottesdienstes, die an das heilvolle Sterben Jesus Christi erinnert und dieses vergegenwärtigt.
Christlicher Initiationsritus, durch den der Täufling in die Kirche aufgenommen wird. Die Taufe wird in den einzelnen Kirchen unterschiedlich vollzogen. Immer gehört Wasser als Zeichen des Lebens dazu. Die Taufe gilt als Versprechen Gottes, diesen Menschen ganz in seine Barmherzigkeit aufzunehmen. Der Täufling verpflichtet sich, nach Gottes Willen in der christlichen Gemeinschaft zu leben. Aus der ursprünglichen Erwachsenentaufe wurde im Laufe der Zeit die Kinder- beziehungsweise Säuglingstaufe.