Verkehrsampel bei Nacht. Rote, gelbe und grüne Lichter leuchten. Verkehrsampel bei Nacht. Rote, gelbe und grüne Lichter leuchten.
Jugendpolitik

Internationale Jugendarbeit fordert Koalitionspartner zum Handeln auf

Generation Corona verhindern!

Kinder und Jugendliche sind in hohem Maße von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Die Fach- und Fördereinrichtungen der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit engagieren sich seit Anbeginn der Pandemie dafür, dass aus den heutigen Kindern und Jugendlichen keine Corona-Generation wird, eine Generation ohne europäische oder internationale Erfahrungen. Um möglichst vielen jungen Menschen europäischen und internationalen Austausch und Teilhabe in einer globalisierten Welt zu ermöglichen, brauchen die Akteure der internationalen Jugendarbeit und ihre Partnernetzwerke politische Unterstützung, verlässliche Rahmenbedingungen und eine Sichtbarkeit im Koalitionsvertrag.

08.11.2021 / Marie-Luise Dreber

Der Textvorschlag Internationaler Jugendaustausch für alle jungen Menschen! zur Aufnahme in die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung mit einer ausführlichen Erläuterung zu Bedarfen und Empfehlungen wurde den Verhandlungspartner*innen an die Hand gegeben. Verbunden mit der herzlichen Bitte, sich im Rahmen der Koalitionsverhandlungen für eine Stärkung der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit einzusetzen. Die Empfehlungen im Wortlaut: 

Internationaler Jugendaustausch für alle jungen Menschen!

Junge Menschen leiden in besonderem Maße unter der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen. Zehntausende Jugendbegegnungen und Auslandsaufenthalte mussten abgesagt werden. Reise- und Kontaktbeschränkungen führten dazu, dass viele Jugend- und Schulaustausche nur digital stattfinden konnten. Doch darf aus der heutigen Jugend keine Corona-Generation werden, eine Generation ohne europäische und internationale Erfahrungen.

Wir möchten deshalb die Europäische und Internationale Jugendarbeit mit ihren Fach- und Fördereinrichtungen und den zahlreichen Austauschorganisationen signifikant stärken, um den historischen Herausforderungen der Pandemie und dem gestiegenen Bedarf nach Chancengerechtigkeit, interkultureller Kompetenz, Diversitätsbewusstsein und nach Teilhabe junger Menschen in einer dynamischen Welt gerecht zu werden. Individual- und Gruppenaustausche begeistern für Europa und das europäische Einigungsprojekt und machen die Bedeutung von Zusammenleben und Zusammenarbeit in einer interdependenten Welt erfahrbar. Es gibt keine bessere Prävention vor Rassismus und Antisemitismus als eine interkulturelle Austauscherfahrung. Für jeden jungen Menschen stellt eine pädagogisch begleitete Jugendbegegnung eine einzigartige Chance nicht nur für die Persönlichkeitsentwicklung, sondern auch für Bildungsverlauf und Berufseinstieg dar, die selbst bei kurzen Auslandsprogrammen Biographien prägt.

Doch bereits vor der Pandemie konnte nur einem Teil junger Menschen in Deutschland eine solche europäische oder internationale Austauscherfahrung ermöglicht werden. Einem großen Teil junger Menschen in Deutschland sind diese Angebote nicht bekannt oder nur schwer zugänglich. Deshalb wollen wir die Fördermittel in allen Jugendaustauschförderprogrammen aufstocken. Allein im Kinder- und Jugendplan des Bundes, der internationalen Austausch mit Ländern weltweit ermöglicht, bedürfen die Träger zusätzlicher zehn Millionen Euro.

Jugendbegegnungsarbeit ist ein von einer breiten Trägerlandschaft getragener und für die Lebenswege junger Menschen und ihres sozialen Umfelds stark prägender Sektor. Um die Auswirkungen der Pandemie bestmöglich zu überwinden, soll ein Aktionsplan „Weltoffen Leben“ erarbeitet werden, der die öffentlichen, freien und meist ehrenamtlich tätigen Träger in die Lage versetzt, in der Vielfalt der Lebenswelten junger Menschen die Angebote der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit zu stärken und diese gemeinsam mit den jungen Menschen so nachhaltig wie möglich auszugestalten. Hierfür sind ausreichende finanzielle Mittel bereitzustellen, um tatsächlich alle jungen Menschen anzusprechen und ihnen Austausch und Lebenserfahrungen in Europa und der Welt unabhängig von ihrer sozioökonomischen Situation zu ermöglichen. Auch die Strukturförderung von Trägern muss deshalb ausgebaut werden. Ebenso notwendig ist eine Ausweitung der Auslandsförderung nach dem BAföG für Schülerinnen und Schüler von bisher drei auf die letzten fünf Jahre der Schullaufbahn.

Wir verstehen internationale Austauschprogramme als einen selbstverständlichen Teil der Bildungsbiografie und Europabildung junger Menschen. Hierzu ist eine gemeinsame Bund-Länder-Strategie notwendig, um die Internationalisierung sowohl in der formalen als auch in der nicht-formalen Bildung gezielt zu fördern und um ferner eine Kultur der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit in Ausbildungsprogrammen und Studiengängen zu etablieren.

Erläuterungen zu den Textvorschlägen

Internationale Erfahrungen in Europa und der Welt prägen persönliche Identitäten, begründen biographische Entwicklungen, eröffnen berufliche Horizonte und stärken Bewusstsein und Engagement für ein friedliches Zusammenleben in Demokratie und Vielfalt - über nationale Grenzen hinweg. Es geht darum, junge Menschen in Deutschland fit für eine Welt zu machen, die nur in Teilen unseren normativen Vorstellungen entspricht. Sie zu befähigen, Perspektiven zu wechseln, Unterschiede zu verstehen und ihre Entwicklung als selbstbewusste, weltoffene und kritische Menschen zu fördern.

Um allen jungen Menschen Austausch zu ermöglichen, braucht die Europäische und Internationale Jugendarbeit politische Unterstützung und verlässliche Rahmenbedingungen.

Daher fordern wir die Koalitionspartner zum Handeln auf:

1. Austausch für alle ermöglichen durch ausreichende Förderung der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit

Seit vielen Jahren reichen die finanziellen Mittel nicht mehr, um alle qualifizierten Anträge für europäischen und internationalen Jugendaustausch in Europa und der Welt mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Die Eigenanteile der Träger und der Teilnehmenden sind in den letzten Jahren immer stärker gestiegen. Es muss außerdem gelingen, eine stärkere Fördergerechtigkeit zu erreichen, um auch Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien oder Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Betreuungsaufwand in den internationalen Jugendaustausch einbeziehen zu können.

2. DigitalPakt Jugendarbeit

Die Pandemie beschleunigt das Tempo der digitalen Transformation. Auch im Bereich der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit werden derzeit verstärkt digitale Formate genutzt, um Begegnungen, Trainings und Konferenzen online durchzuführen. Dabei werden neue Konzepte erprobt, ausgewertet und weiterentwickelt, um Ansätze des „Virtual Exchange“ in die vorhandene Methodik der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit einzupassen, ohne bestehende pädagogische und andere Qualitätsstandards zu verlassen.

3. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Europapolitik

Die Träger der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit leisten mit ihren bildungsorientierten Jugendaustauschprogrammen einen wesentlichen Beitrag zur auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Deutschland und zur Gestaltung der Zukunft des europäischen Projekts. Europäischer und internationaler Jugendaustausch ist eines der nachhaltigsten Formate zur Gestaltung internationaler Beziehungen. Die Begegnung und die Kooperation junger Menschen ist ein wichtiger Beitrag, um die weltweiten Beziehungen auch mit schwierigen Partnern positiv zu gestalten.

4. Aktionsplan zum Anschub der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit ab 2022

Nach dem Abklingen der Pandemie braucht es gemeinsame Anstrengungen von allen Förderinstitutionen, öffentlichen und freien Trägern, um nicht um Jahre mit der Erreichung der beiden Ziele zurückgeworfen zu werden, die sowohl bei den Trägern, als auch bei politisch Verantwortlichen und jungen Menschen vor Ausbruch der Pandemie bereits auf der Agenda standen: Allen jungen Menschen im Laufe ihres Bildungsweges ein pädagogisch begleitetes grenzüberschreitendes Lernangebot zu machen und diese mit Mobilität verbundene Lebenserfahrung so umweltschonend wie möglich zu gestalten.

5. Europäisierungs- und Internationalisierungsstrategie als nationale Aufgabe verstehen

Die internationalen Krisen und Gegensätze nehmen zu und gleichzeitig braucht es für viele Zukunftsfragen eine europäische und internationale Zusammenarbeit sowie den Willen zur Kooperation. Um die großen Probleme der Menschheit angehen zu können (Erhalt der Lebensgrundlagen, soziale Gerechtigkeit, Frieden), müssen formale und nicht-formale Bildung mit einer Strategie zur Europäisierung und Internationalisierung antworten.

6. Gewährung von BAföG

Bisher erreicht das Schüler-Auslands-BAföG mit seiner Fokussierung auf Gymnasiast*innen nur einen kleinen Teil der Schüler*innen in Deutschland. Durch die bestehende Prüfung der Vergleichbarkeit der ausländischen Schule mit der deutschen Schule wird mit großem Verwaltungsaufwand der Ausschluss bedürftiger junger Menschen von der Förderung betrieben.

Diese Empfehlungen für eine Stärkung der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit werden getragen von:

Eine junge Frau hebt die Hand.
Über Jugendpolitik

IJAB beobachtet u.a. die jugendpolitischen Entwicklungen in Europa und der Welt und informiert über Interessantes.

IJAB-Stellungnahmen

Hier finden Sie eine Übersicht aller IJAB-Stellungnahmen und Positionierungen mit Downloadmöglichkeit.