Ein geteilter Screen mit Dr. Franziska Giffey und einer jungen Frau Ein geteilter Screen mit Dr. Franziska Giffey und einer jungen Frau
Während der Bundesjugendkonferenz nutzten junge Menschen die Gelegenheit, um mit Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey ins Gespräch zu kommen.
Jugendbeteiligung

„Wir sind alle Lernende“

Bundesjugendkonferenz thematisierte Jugendbeteiligung

Am 11. und 12. September trafen sich 150 engagierte junge Menschen zur digitalen Bundesjugendkonferenz #bujuko2020. Sie tauschten sich zur Jugendpolitik der Bundesregierung aus und diskutierten mit Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung. Das IJAB-Team des Kooperationsprojekts jugend.beteiligen.jetzt war ein Partner der Veranstaltung und brachte sich mit zwei Workshops zur digitalen Jugendbeteiligung ein. IJAB-Projektkoordinator Jürgen Ertelt erklärt im Interview den Beitrag zur digitalen Jugendbeteiligung, den die Konferenz leistete.

17.09.2020 / Christian Herrmann

ijab.de: Jürgen, was sind die zentralen Ergebnisse der Bundesjugendkonferenz aus Sicht von jugend.beteiligen.jetzt?

Jürgen Ertelt: Die Bundesjugendkonferenz fand als hybride Veranstaltung statt. Es gab ein Kernteam vor Ort, aber der größte Teil fand in digitalen Räumen statt. Damit konnten wir den Nachweis führen, dass sich digitale Tools in Beteiligungsprozessen bewähren – auch wenn das nicht die ursprüngliche Planung war und das Online-Format der Coronakrise zu schulden ist. Es hätte meines Erachtens der Veranstaltung auch keinen Abbruch getan, wenn sie eine reine Online-Veranstaltung gewesen wäre. Das von jugend.beteiligen.jetzt angebotene Etherpad wurde gut genutzt. Auch Padlet und Kahoot haben gute Dienste geleistet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich damit vorstellen und miteinander in Kontakt treten. Die Bundesjugendkonferenz war ein gutes Beispiel dafür, wie vielfältig Tools im Internet sein können und wie mit ihnen Kommunikation und Beteiligung möglich gemacht werden können.

ijab.de: Das ist gewissermaßen die technische Seite der Veranstaltung – auch wenn die natürlich einen inhaltlichen Anteil hat. Welche weiteren Inhalte konntet ihr einbringen?

Jürgen Ertelt: Wir haben zwei Workshops angeboten, in denen es darum ging, wie Jugendliche selbst Beteiligungsprozesse anstoßen können, wenn sie digitale Tools einsetzen um Anliegen öffentlich zu machen und zusammenzuarbeiten. Sie müssen nicht darauf warten, von Erwachsenen zu einem Beteiligungsprozess eingeladen werde, sie können auch selbst aktiv werden. Ein einfaches Beispiel dafür sind Memes – also witzige Bild-Text-Kombinationen, die in sozialen Netzwerken populär sind. Sie sind aber nicht nur witzig, mit ihnen lässt sich auch viel Aufmerksamkeit für Interessen und Wünsche erzeugen.

ijab.de: Wenn die Aufmerksamkeit erzeugt ist, wie geht es dann weiter?

Jürgen Ertelt: Man braucht einen virtuellen Raum, in dem man sich treffen, diskutieren und Inhalte priorisieren kann, um dann mit anderen in einen Aushandlungsprozess zu treten. Wir favorisierten im Rahmen des Workshops dafür Tricider. Das funktioniert ähnlich wie größere Aushandlungsplattformen wie Adhorcracy oder das ePartool, ist aber vereinfachter in der Diskussion und Priorisierung von Vorschlägen. Nutzerinnen und Nutzer können so adhoc und leicht entscheiden, was ihnen wirklich wichtig ist.

ijab.de: Die Bundesjugendkonferenz ist Teil der Jugendstrategie der Bundesregierung und auch Bundesjugendministerin Giffey nutzte die Gelegenheit, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Es gibt also einen politischen Rahmen. Wie bewertest du den?

Jürgen Ertelt: Zunächst einmal können wir feststellen, dass Jugendbeteiligung ein fester Bestandteil der Jugendstrategie der Bundesregierung ist. Das Interessante an der Jugendstrategie ist, dass sie Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe sieht. Jugendliche sollen überall mitreden können, wo ihre Interessen berührt sind. Es haben sich also alle Ressorts mit diesen Interessen zu beschäftigen. In diesem Sinne ist es erfreulich, dass nicht nur das Bundesjugendministerium präsent war, sondern auch andere Behörden, und Referate anderer Ministerien vertreten waren. Sie haben mitdiskutiert und zum Teil auch eigene Workshops angeboten.
Wichtig ist auch, dass die Bundesjugendkonferenz jetzt ein regelmäßiger Termin und Ort der bundesweiten Diskussion der Jugendpolitik sein soll. Damit hätten wir dann im Wechsel mit den Jugendpolitiktagen ein zweites großes Beteiligungsevent. Dabei können die Themen variieren. Bei den nächsten Jugendpolitiktagen in 2021wird es wohl auch um jugendgerechte Ansprache gehen. Bei der Bundesjugendkonferenz waren die vorrangigsten Themen die Jugendstrategie der Bundesregierung und Jugend in Zeiten der Coronakrise.

ijab.de: Das klingt fast wie ein Widerspruch in sich selbst – jugendgerechte Ansprache und Jugendstrategie der Bundesregierung. Wie kann das zusammengehen?

Jürgen Ertelt: Ja, da ist viel Übersetzungsarbeit nötig. Erwachsene denken sich etwas aus und Jugendliche sollen das als ihre Angelegenheit begreifen. Ich denke, dass wir in solchen Veranstaltungen noch mehr die Sichtweise von Jugendlichen einbeziehen müssen. Das bedeutet zum Beispiel, noch mehr offene Formate anzubieten, noch mehr Räume zum Austausch, in denen die Themen nicht vorgegeben sind. Es bedeutet auch, sich auf die medialen Nutzungsgewohnheiten von jungen Menschen einzulassen. Manchmal ist ein kurzes Youtube- oder TikTok-Video besser, als lange Diskussionsbeiträge. Das würde helfen, Hürden abzubauen.
Tatsache ist: Wir sind alle Lernende, was Beteiligungsprozesse betrifft. Auch diejenigen, die im Bundesjugendministerium für die Jugendstrategie und die Bundesjugendkonferenz zuständig sind, betrachten das so. Das ist wichtig, denn es führt dazu, dass sich junge Menschen engagiert an der Bundesjugendkonferenz beteiligen und sich ernsthaft wahrgenommen fühlen.

INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0
Dieses Werk ist lizenziert unter einer INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0 Lizenz.
Eine junge Frau spricht in ein Megafon, andere hören ihr zu.
Über Jugendbeteiligung

Jugendliche sollen ihre Meinung äußern und bei politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungen, die ihr Lebensumfeld betreffen, mitbestimmen dürfen.