ijab.de: Carolina, du hast als Co-Vorsitzende, also als „Chair“ gemeinsam mit Benjamin Günther den Youth7-Prozess geleitet. Wie wird man Chair?
Carolina Claus: Die Frage wird mir oft gestellt. Alle erwarten dann eine irre Story. Die gibt es aber nicht. Wichtig ist, dass man sich schon eine Zeit lang in Ehrenämtern engagiert hat. Ich komme aus der Sportjugend und wollte eigentlich nie in die Gremienarbeit. Irgendwann fing ich dann doch an, mich für Sport- und Jugendpolitik zu interessieren. Nach einer Jugendbegegnung habe ich auch angefangen, mich fürs Internationale zu interessieren. Ich habe mich dann in der Sportjugend engagiert und vertrete diese beispielsweise auch im Landesjugendring Schleswig-Holstein. Das Internationale macht mir weiterhin Spaß, aber mir sind auch andere Themen wichtig – mentale Gesundheit oder Geschlechtergerechtigkeit zum Beispiel. Irgendwann habe ich mich dann beim Deutschen Nationalkomitee für Internationale Jugendarbeit als Jugenddelegierte zum Y20 beworben und bin somit seit 2018 bei Y7 und Y20 dabei.
ijab.de: Du hast dein langjähriges Engagement in der Jugendverbandsarbeit angesprochen. Kontinuität ist für Institutionen wichtig. Wie wichtig ist sie für Youth7?
Carolina Claus: Ich glaube, Kontinuität ist sehr wichtig. Man muss schon dauerhaft dabei sein, um die Beständigkeit in den Themenfeldern zu gewährleisten. Jeder Summit würde sonst wieder bei Null anfangen. Ich mache das jetzt schon vier bis fünf Jahre und in dieser Zeit ist es uns gelungen, gute Beziehungen zum Kanzleramt, zu den Fachministerien, aber auch zu den anderen Engagement Groups innerhalb von G7 aufzubauen. Wir kennen uns untereinander, wir können auch Allianzen aufbauen. Dabei ist ein Vertrauensverhältnis entstanden, das wichtig ist. Als Jugendverbände haben wir immer eine Schwierigkeit dabei: Wir sind alle ehrenamtlich tätig und haben daher manches Mal auch nur begrenzte zeitliche Ressourcen – das macht die Kontinuität nicht einfacher.
Wir haben uns genau angeschaut, was Politik leistet und was nicht
ijab.de: Du hast gesagt, dass du jetzt schon seit vier bis fünf Jahren bei Youth7 dabei bist. Was ist in dieser Zeit erreicht worden?
Carolina Claus: Ich denke, das wichtigste ist, dass uns jetzt alle auf dem Schirm haben. Früher mussten wir Gespräche über die Ergebnisse von Summits einfordern, mussten hartnäckig sein. Heute werden wir vom Kanzleramt und von den Ministerien eingeladen und angehört. Das klappt inzwischen gut. Außerdem haben wir mehr Kontinuität mit den internationalen Partnerorganisationen. Sie geben Kontakte weiter, die uns bei der politischen Arbeit helfen. Ein Beispiel dafür, wo wir heute stehen, ist das Thema mentale Gesundheit. Das war erstmalig beim Y20 2018 auf der Tagesordnung. Durch die Corona-Pandemie hat das Thema dann noch einmal eine andere Bedeutung bekommen, es wurden viele wissenschaftliche Studien durchgeführt, welche die starke Beeinträchtigung der mentalen Gesundheit junger Menschen belegen. Von der Politik wurden trotzdem kaum entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Wir haben uns genau angeschaut, was Politik leistet und was nicht, wo sie unterstützt und wo nicht. Bei der G7-Präsidentschaft des Vereinigten Königreichs war mentale Gesundheit im Abschlusskommuniqué, im Programm der deutschen Präsidentschaft kommt sie praktisch nicht vor – außer bei der Erwerbsarbeit. Aber wir sind ja mehr als Menschen, deren Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten werden muss. Auf solche Dinge weisen wir hin und rücken sie ins Bewusstsein.
ijab.de: Wie geht es jetzt mit den Forderungen des Y7 Summits weiter?
Carolina Claus: Jeder Track, also jedes Themenfeld, hat jetzt nochmal eigene kleinere Events, für die wir Ministerien, Bundestagsabgeordnete und Expert*innen ansprechen. Heute findet eine Veranstaltung zum Track vier, globale Gesundheit und Solidarität, statt. Außerdem war Benjamin, unser zweiter Chair, beim Ministerialmeeting des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und hat u.a. Bundesminister Hubertus Heil unsere Forderungen vorgestellt. Gleiches habe ich beim Ministerialmeeting der Klima, Umwelt und Energie-Minister*innen gemacht, geleitet wurde das Treffen von Bundesministerin Steffi Lemke und Bundesminister Robert Habeck. Wie das im einzelnen aussieht, ist unterschiedlich. In der Regel halten wir hier kurze Reden, teilweise dürfen wir aber auch an den Arbeitsmeetings teilnehmen und mitdiskutieren.
Wir können zum Krieg gegen die Ukraine nicht nichts sagen
ijab.de: Ihr tragt also die Forderungen von Y7 in die Politik. Das ist gewissermaßen die eine Richtung, aber wie sieht es in der Gegenrichtung aus? Wie erfahren junge Menschen von diesen Forderungen?
Carolina Claus: In den Jugendverbänden wird das natürlich kommuniziert, ich habe darüber zum Beispiel bei der Sportjugend gesprochen. Natürlich müssen wir uns selbstkritisch fragen, wie wir über die Verbandsebene hinaus junge Menschen erreichen können. Das Problem dabei ist: Wir haben es mit sehr komplexen Themen zu tun. Da ist es manchmal schwierig miteinander ins Gespräch zu kommen. Beim Klimaschutz geht es zum Beispiel um CO²-Besteuerung – um hier auf Augenhöhe zu diskutieren, braucht es schon einiges an Vorwissen. Doch wir versuchen, unsere Ergebnisse weiterzutragen und diese in den Strukturen der Jugendverbände zu diskutieren.
ijab.de: Der Y7 Summit fand zu einem schwierigen Zeitpunkt statt. Am 24. Februar hat Russland die Ukraine überfallen. Wir haben also wieder Krieg in Europa. Wie hat sich das beim Summit niedergeschlagen? Verändert ein solches Ereignis auch den Blick auf die Welt?
Carolina Claus: Der Krieg gegen die Ukraine hat sich natürlich thematisch niedergeschlagen. Mit „Jugend, Frieden und Sicherheit“ haben wir einen fünften Track aufgenommen. Für uns war klar, dass wir darüber nicht ohne unsere ukrainischen Partner*innen sprechen können und möchten, weshalb wir eine ukrainische Delegation eingeladen haben. Das Thema ist sehr sensibel. Geholfen hat auch die Expertise der ehemaligen UN-Jugenddelegierten in unserem Team. Natürlich hat sich der Krieg auf die Stimmung des Gipfels niedergeschlagen. Aber uns war auch klar, dass wir nicht nichts dazu machen und sagen können. Und ehrlich gesagt, andere Themen, der Klimawandel zum Beispiel, sind ja auch keine fröhlichen Themen. Wir fordern die Mitsprache von jungen Menschen bei allen Themen – also auch hier.