Digitale Jugendbildung

ON/OFF 2020

Jugendarbeit virtuell vernetzt

Geplant war der große Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit dieser Tage in Nürnberg – doch dann kam die Corona-Pandemie und erforderte ein gänzlich neues Konzept. Vom 21. bis 23. September 2020 luden die Organisatoren deshalb zum virtuellen Intro „ON/OFF 2020“ ein. IJAB und JUGEND für Europa brachten mit einem eigenen virtuellen Kongressraum die internationale und europäische Perspektive in das Programm ein.

25.09.2020 / Stephanie Bindzus

Im Fokus stand zunächst die European Youth Work Agenda (EYWA), die im Dezember 2020 mit dem digitalen Großevent „3rd European Youth Work Convention“ gestartet wird. Worum geht es dabei, wieso engagiert sich Deutschland gerade jetzt dafür, welche Beteiligungsmöglichkeiten gibt es? In Europa gab und gibt es viele gute Initiativen zur Jugendarbeit – jedoch überwiegend aus aktuellem Bedarf abgeleitet und untereinander nur selten abgestimmt. Das soll die EYWA ändern: Einen „common ground“ in der Vielfalt finden und einen strategischen Rahmen für die Zukunft stecken. Die Forderung nach einer European Youth Work Agenda ist bereits in Empfehlungen der EU und des Europarates eingeflossen, eine europäische politische Selbstverpflichtung ist gerade im Entstehen. Die Überschneidung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit dem Vorsitz Deutschlands im Ministerrat des Europarats bietet nun die große Chance, um einen gesamteuropäischen Prozess zu starten und die European Youth Work Agenda mit Leben zu füllen.

Von der großen politischen Strategie ging es in der nächsten Session direkt in die internationale Praxis der Jugendarbeit. Gäste aus Malta, Finnland, Estland und der Ukraine schilderten, wie sich Covid-19 in ihrem Arbeitsumfeld niedergeschlagen hat. Sie brachten spannende Beispiele dazu mit, wie sie über digitale Formate dennoch weiter Projekte mit Jugendlichen durchführen konnten. Da gab es beispielsweise das digitale Jugendzentrum in Estland, das Jugendliche virtuell betreten können. Oder das internationale Jugendfilmfestival, das über die Gaming-Plattform Discord realisiert wurde. Deutlich kam das große Engagement und die Kreativität herüber, mit der die Partner alles daransetzten, auch in der schwierigen Zeit des Lockdowns den Kontakt zu den Jugendlichen zu halten. „Die Pandemie hat uns erst dazu in die Lage versetzt, richtig kreativ zu werden und unser Arbeitsfeld weiterzuentwickeln“, meint Miriam Teuta aus Malta. Den Kopf in den Sand zu stecken hilft nicht, darüber waren sich alle einig. Aktiv werden und neue, digitale Wege erproben. Wie in der „analogen“ Jugendarbeit die Orte finden, an denen sich die Jugendlichen aufhalten, bloß eben im virtuellen Raum. Damit sind die meisten gut gefahren und haben teilweise sogar neue Jugendliche erreicht.

Dennoch: Es langt nicht, nur die richtigen virtuellen Kanäle zu finden. Vieles muss neu gedacht werden. Beispielsweise, wie die Jugendlichen überhaupt über Angebote informiert werden können. Und was mit den Jugendlichen ist, die keinen Zugang zur notwendigen technischen Infrastruktur haben. Oder wie es mit dem Datenschutz aussieht. Und welche pädagogischen Techniken sinnvoll sind, um die Teilnehmenden bei der Stange zu halten. Messenger, Gaming-Plattformen, Software-Angebote – letztlich sind dies Hilfsmittel, die neue Zugänge und neue Formen der Jugendarbeit ermöglichen. Unabhängig davon bleibt es die wichtige Aufgabe der Fachkräfte, die zugrundeliegenden passenden pädagogischen Konzepte und die richtigen Inhalte zu finden.

Nach den vielen internationalen Impulsen richtete sich die Aufmerksamkeit abschließend auf die lokale Ebene. In Deutschland besteht nach wie vor großes Entwicklungspotenzial, was die nachhaltige Verankerung internationaler Jugendarbeit in Kommunen angeht. Hier unterstützen die Initiativen „Kommune goes International“ (IJAB) und „EuropaLokal“ (JUGEND für Europa). Die Villa Leipzig und das Netzwerk International in Tuttlingen stellten ihre Ansätze hierfür vor. Das Netzwerk International ist ein Kooperationsprojekt des Landkreis Tuttlingen und der vhs Stadt und Kreis Tuttlingen, das seit dem 2. November 2017 besteht. Es möchte allen jungen Menschen im Landkreis Tuttlingen den Zugang zu Auslandserfahrungen erleichtern und internationale Begegnungen vor Ort fördern. Hierfür wurde eine eigene Stelle eingerichtet. Beratung, Vernetzung, Kontakt und Öffentlichkeitsarbeit sind wichtige Bestandteile, um das Angebot fest zu verankern. Die Villa Leipzig ist Träger der offenen Jugendarbeit. Teilhabe, Engagement und persönliche Entfaltung stehen hier im Mittelpunkt. Während es in der Anfangsphase teilweise noch schwierig war, Jugendliche für internationale Aktivitäten zu gewinnen, sind die Angebote jetzt sehr gefragt. Absprungquoten sind gering. Durch lange Vorbereitungsphasen und häufige Planungstreffen im Vorfeld der Austauschmaßnahmen konnte Verbindlichkeit hergestellt werden.

Für diesen Konferenzraum der ON/OFF 2020 bleibt festzuhalten, dass er es geschafft hat, in kurzer Zeit viele Informationen interessant zu vermitteln und der internationale Austausch auch in virtueller Form gelungen ist. Das von Julia von der Gathen-Huy eingangs genannte Ziel der Konferenz, die Kommunikation innerhalb der Kinder- und Jugendarbeit zu stärken, ist hiermit sicherlich geglückt.

Rund 500 Fachkräfte nutzten die drei Tage abwechslungsreichen Programms zum virtuellen Austausch, zum Vernetzen und Weiterbilden: Ein gelungener Auftakt für den Weg zum 3. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit, der auf den 20. bis 22. September 2021 in Nürnberg verschoben wurde.

Mehrere junge Menschen sitzen an einem Tisch und arbeiten an Laptops.
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Digitale Jugendbildung ermöglicht jungen Menschen, das Internet als Kommunikations- und Kulturraum verantwortungsvoll zu nutzen und gesellschaftlich und politisch teilzuhaben.