Demonstranten mit belarusischen und ukrainischen Fahnen Demonstranten mit belarusischen und ukrainischen Fahnen
Demokratie und Menschenrechte

Belarus, der Krieg und die Zukunft

Zur Lage junger Belarus*innen

Der belarusische Diktator Lukaschenko hat sein Land zum Aufmarschgebiet russischer Truppen gemacht und ist damit zum Komplizen des Angriffskriegs gegen die Ukraine geworden. Angesichts der Repression des Regimes haben junge Menschen in Belarus Angst, sich offen gegen den Krieg auszusprechen. Diejenigen, die ins Exil geflohen sind, machen zunehmend Diskriminierungserfahrungen. Lavon Marozau, Menschenrechtsanwalt und Internationaler Sekretär des Nationalen Jugendrates von Belarus RADA, beschreibt in einem Beitrag für IJAB ihre verzweifelte Situation.

05.08.2022 / Lavon Marozau

Wir alle wissen, was am 24. Februar 2022 geschah. Der Krieg begann und in Belarus würden viele Menschen lieber nicht an ihn denken. Aber es zeigte sich, dass das Regime, über das ich in früheren Artikeln geschrieben habe, noch weiter ging als zuvor – es schloss sich Putin an und war auch an der Tötung von Zivilisten in der Ukraine beteiligt. Glauben Sie, dass sich an der Unterdrückung im Lande etwas geändert hat? Glauben Sie, dass nach den Ereignissen vom August 2020 Tausende von politischen Gefangenen aus den Gefängnissen entlassen wurden? Die Antwort auf alle Fragen ist einfach: nein. Die Dinge haben sich in Belarus nur verschlimmert und sind zur Norm geworden. Soziologische Umfragen zeigen, dass die Belarus*innen gegen den Krieg sind, aber die Angst, darüber zu sprechen oder überhaupt zu sprechen, ist immer noch groß.

Was denken die jungen Belarus*innen darüber?

Zehn-, wenn nicht Hunderttausende von Belarus*innen haben das Land aus Sicherheitsgründen verlassen und sind nicht zurückgekehrt. Viele von ihnen setzen ihren aktiven Kampf außerhalb von Belarus fort, sie wollen nach Hause zurückkehren und haben die Hoffnung noch nicht verloren. Aber viele führen auch ein normales Leben oder beginnen ein neues Leben in anderen Ländern, sie sind müde und wollen einfach eine Pause von den politischen Nachrichten. Einige versuchen, nach mehreren Jahren nach Belarus zurückzukehren, werden aber sofort von der Polizei verhaftet und zu hohen Strafen verurteilt. Eines der letzten Beispiele: Ein junger Mann erfuhr vom Tod seines Vaters in und kehrte zur Beerdigung nach Belarus zurück. Er wurde gleich an der Grenze festgenommen und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Er konnte sich nie von seinem Vater verabschieden.

Am 24. Februar änderte sich das Leben junger Belarus*innen erneut. In einigen Ländern sahen wir uns einer weiteren Welle der Diskriminierung gegenüber. Wir wurden gezwungen, unser Land zu verlassen, weil wir faire Wahlen wollten und mit den Morden und Folterungen in belarussischen Gefängnissen nicht einverstanden waren. Wir wurden aus unseren Jobs entlassen, verhaftet und inhaftiert. Unsere Verwandten wurden und werden bedroht. Unsere Freund*innen wurden für 15-30 Tage verhaftet, nur weil sie auf Instagram etwas geliket haben. Wir werden in Belarus weiterhin als "Terroristen" angesehen und es werden Strafverfahren eingeleitet.

Jetzt, nach dem 24. Februar, wird es uns zusätzlich zu all dem nicht mehr erlaubt sein, in einem Geschäft irgendwo in Georgien Lebensmittel zu kaufen, irgendwo in Polen eine Wohnung zu mieten oder in der Ukraine eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für einen Freiwilligen zu verlängern, der in Bucha hilft, nur weil wir Belaruss*innen sind.

Auch Sie können etwas tun!

Jetzt befinden sich viele Belarus*innen in einer Situation, in der sie nicht mehr nach Hause zurückkehren können, und in einem fremden Land werden sie als Kollaborateure Russlands und Mörder angesehen – das erscheint ungerecht.

Andererseits tun Zehntausende von Belarussen wie ich weiterhin alles, um nach Belarus zurückzukehren, aber wir tun auch alles, um den friedlichen Ukrainer*innen zu helfen: Wir leisten humanitäre Hilfe, helfen mit Geld, unterstützen die Ukrainer*innen bei allen internationalen Treffen, und das Wichtigste: Wir tun es im Stillen, ohne Kommentare und schöne Posts in sozialen Netzwerken. Wir sind einfach gegen den Krieg, und das ist das Wesentliche. Warum werden die Belarus*innen jetzt diskriminiert: In einigen Ländern werden uns keine Visa erteilt, unterdrückte Student*innen dürfen ihr Studium an europäischen Universitäten nicht fortsetzen. Vielleicht ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um das auszusprechen. Wir brauchen Frieden, ein freies Belarus und eine freie Ukraine.
Ja, alle Belarus*innen erinnert sich daran, was im August 2020 in unserem Land geschah, und wir schauen jeden Tag mit Entsetzen auf die wachsende Liste der politischen Gefangenen in Weißrussland – jetzt sind es 1251. Und wir haben die Hoffnung nicht verloren, dass sich die Dinge ändern werden und wir Putin und Lukaschenko besiegen werden.

Es hängt von jedem von uns ab, wie schnell wir etwas tun können, um den jungen Menschen in Belarus oder in der Ukraine zu helfen und sie nicht einfach im Stich zu lassen. Auch Sie können sich am Kampf für das Gute gegen das Böse beteiligen. Bleiben Sie menschlich und bezeichnen Sie das Gute als gut und das Böse als böse.

Freiheit für Belarus und die Ukraine! Kein Krieg!

Ein junger Mann spricht in ein Mikrofon
Über Demokratie und Menschenrechte

Internationale Jugendarbeit und jugendpolitische Zusammenarbeit versteht IJAB als Beitrag zur Entwicklung einer starken Zivilgesellschaft und zur Förderung eines demokratischen Gemeinwesens.