Welchen Schutz und welche Unterstützung benötigen Demokratien heute, um gegen das Aufstreben antidemokratischer Tendenzen weltweit zu bestehen und zu gedeihen? Welche Infrastrukturen lassen sich ausbauen, um auf die drängenden Fragen der Gegenwart demokratische Lösungen zu gestalten? Wie können Voraussetzungen geschaffen werden, die kraftvolle und engagierte, inklusive Bürgerschaften in partizipativ offenen Gesellschaften entstehen lassen?
Aus über 90 Staaten waren knapp 1.000 Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft nach Mexiko gekommen, um sich beim weltweit größten Kongress für direkte Demokratie diesen Fragen zu widmen. Das „Global Forum on Modern Direct Democracy“ fand vom 1. bis 4. März in der Hauptstadt des nordamerikanischen Landes statt. Auf der Agenda standen Themen aus allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen und aktuellen Debatten, darunter die Klimakrise, Innovationen zur Weiterentwicklung der Demokratie und Jugendpartizipation.
Reform bestätigt Notwendigkeit des Forums
Zunächst stand beim Gipfel jedoch aufgrund einer aktuellen Entwicklung auf mexikanischer Bundesebene ein anderes Thema im Fokus. Wenige Tage vor Beginn des Forums hatte der mexikanische Senat eine Wahlrechtsreform beschlossen, von der insbesondere die gastgebende Institution des Forums, das renommierte Nationale Wahlinstitut (INE), betroffen war.
Mexikos Präsident López Obrador wirft dem Institut Misswirtschaft und Betrug vor und will es durch ein neustrukturiertes „Institut für Wahlen und Volksabstimmungen“ ersetzen. In den vergangenen Wochen hatte es gegen dieses Vorhaben massiven Widerstand gegeben, von Völkerrechtlern ebenso wie aus der Opposition und der Bevölkerung.
Präsident und Senat verzichteten nun zwar auf ihren ursprünglichen Plan einer vollständigen Abschaffung des INE, jedoch beschneidet die beschlossene Reform das Budget des Wahlinstituts um umgerechnet rund 140 Millionen Euro und um über 80 % seines Personals. Kritiker bezweifeln, dass das Institut unter diesen Umständen künftig dazu in der Lage sein wird, ordentliche Wahlen durchzuführen. Weit über 100 Kommunal- und Landesregierungen sowie das INE selbst bezweifeln, dass die Reform verfassungskonform ist und klagen beim obersten Gerichtshof Mexikos.
In den zahlreichen Ateliers, Podiumsdiskussionen und Vorträgen des Forums wurde deutlich, wie massiv diese Reform in alle Bereiche demokratischen Lebens in Mexiko eingreift. Darüber hinaus berichteten Teilnehmende, zahlreich anwesend vor allem aus den amerikanischen Staaten von Argentinien bis in die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch aus undemokratischen Staaten in Afrika, von der akuten Fragilität demokratischer Gesellschaftsorganisation. Über die Problematik berichtete IJAB bereits im Portal der Kinder- und Jugendhilfe.
Demokratie braucht Engagement und Vertrauen
Was fragile Demokratien vor allem auszeichnet, ist ein mangelndes gegenseitiges Vertrauen von Politik und Bevölkerung. Die Gründe dafür sind zahlreich, zentral geht es um die oft mangelnde Fähigkeit von Machthabenden, politische Entscheidungsgewalt abzugeben und sich als Dienstleister an der Gesellschaft zu verstehen sowie um die Erfahrung der Bevölkerung mit der Korruption verdächtigter oder bestätigt korrupter Politik. Nicht zuletzt beschädigt fehlender Zugang zu politischen Entscheidungen das Vertrauen in die demokratisch-politischen Institutionen.
Eindrücklich wurde dies im Eröffnungsgespräch mit dem ehemaligen kalifornischen Gouverneur Schwarzenegger, der aus Los Angeles zugeschaltet wurde: