Kommune goes International

Jugendpartizipation ist vielbesprochenes Thema

Demokratiegipfel in Mexiko

Anfang März 2023 fand in Mexiko mit dem "Global Forum on Modern Direct Democracy" der weltweit größte Kongress für direkte Demokratie statt. Im Anschluss kamen im "World City Summit" Vertreter*innen aus Kommunen zusammen, die sich besonders für ihre demokratische Verfasstheit einsetzen. IJAB stellte der international versammelten Fachöffentlichkeit auf diesem Symposium die Vorzüge der Internationalen Jugendarbeit zur Stärkung lokaler Demokratie vor.

05.04.2023 / Roman Thieltges

Welchen Schutz und welche Unterstützung benötigen Demokratien heute, um gegen das Aufstreben antidemokratischer Tendenzen weltweit zu bestehen und zu gedeihen? Welche Infrastrukturen lassen sich ausbauen, um auf die drängenden Fragen der Gegenwart demokratische Lösungen zu gestalten? Wie können Voraussetzungen geschaffen werden, die kraftvolle und engagierte, inklusive Bürgerschaften in partizipativ offenen Gesellschaften entstehen lassen?

Aus über 90 Staaten waren knapp 1.000 Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft nach Mexiko gekommen, um sich beim weltweit größten Kongress für direkte Demokratie diesen Fragen zu widmen. Das „Global Forum on Modern Direct Democracy“ fand vom 1. bis 4. März in der Hauptstadt des nordamerikanischen Landes statt. Auf der Agenda standen Themen aus allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen und aktuellen Debatten, darunter die Klimakrise, Innovationen zur Weiterentwicklung der Demokratie und Jugendpartizipation.

Reform bestätigt Notwendigkeit des Forums

Zunächst stand beim Gipfel jedoch aufgrund einer aktuellen Entwicklung auf mexikanischer Bundesebene ein anderes Thema im Fokus. Wenige Tage vor Beginn des Forums hatte der mexikanische Senat eine Wahlrechtsreform beschlossen, von der insbesondere die gastgebende Institution des Forums, das renommierte Nationale Wahlinstitut (INE), betroffen war.

Mexikos Präsident López Obrador wirft dem Institut Misswirtschaft und Betrug vor und will es durch ein neustrukturiertes „Institut für Wahlen und Volksabstimmungen“ ersetzen. In den vergangenen Wochen hatte es gegen dieses Vorhaben massiven Widerstand gegeben, von Völkerrechtlern ebenso wie aus der Opposition und der Bevölkerung.

Präsident und Senat verzichteten nun zwar auf ihren ursprünglichen Plan einer vollständigen Abschaffung des INE, jedoch beschneidet die beschlossene Reform das Budget des Wahlinstituts um umgerechnet rund 140 Millionen Euro und um über 80 % seines Personals. Kritiker bezweifeln, dass das Institut unter diesen Umständen künftig dazu in der Lage sein wird, ordentliche Wahlen durchzuführen. Weit über 100 Kommunal- und Landesregierungen sowie das INE selbst bezweifeln, dass die Reform verfassungskonform ist und klagen beim obersten Gerichtshof Mexikos.

In den zahlreichen Ateliers, Podiumsdiskussionen und Vorträgen des Forums wurde deutlich, wie massiv diese Reform in alle Bereiche demokratischen Lebens in Mexiko eingreift. Darüber hinaus berichteten Teilnehmende, zahlreich anwesend vor allem aus den amerikanischen Staaten von Argentinien bis in die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch aus undemokratischen Staaten in Afrika, von der akuten Fragilität demokratischer Gesellschaftsorganisation. Über die Problematik berichtete IJAB bereits im Portal der Kinder- und Jugendhilfe.

Demokratie braucht Engagement und Vertrauen

Was fragile Demokratien vor allem auszeichnet, ist ein mangelndes gegenseitiges Vertrauen von Politik und Bevölkerung. Die Gründe dafür sind zahlreich, zentral geht es um die oft mangelnde Fähigkeit von Machthabenden, politische Entscheidungsgewalt abzugeben und sich als Dienstleister an der Gesellschaft zu verstehen sowie um die Erfahrung der Bevölkerung mit der Korruption verdächtigter oder bestätigt korrupter Politik. Nicht zuletzt beschädigt fehlender Zugang zu politischen Entscheidungen das Vertrauen in die demokratisch-politischen Institutionen.

Eindrücklich wurde dies im Eröffnungsgespräch mit dem ehemaligen kalifornischen Gouverneur Schwarzenegger, der aus Los Angeles zugeschaltet wurde:

Er rief den Erfolg einer Kampagne aus dem Jahr 2002 (Proposition 49: „The After School Education and Safety Program Act of 2002“) in Erinnerung, die mittlerweile zu einer jährlich 500 Millionen US-Dollar starken Förderung der außerschulischen Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen geführt hat. Kein anderer US-amerikanischer Bundesstaat investiert eine annähernd so hohe Summe in außerschulische Bildung. Heute, 20 Jahre nach der Durchsetzung der Volksabstimmung, engagiert sich der Ex-Politiker erfolgreich bei der US-Regierung für eine bundesweite Umsetzung des Programms.

Für diese positive Entwicklung entscheidend, das unterstrich Schwarzenegger, war die direkte Partizipation vor allem der jungen Menschen selbst. Diese wäre jedoch ohne eine entsprechende Fürsprache und gegebene Infrastrukturen nicht möglich gewesen. Außerdem brauchte es die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem damaligen Gouverneur und die Tatsache, dass der kalifornische Gesetzgeber überhaupt Volksabstimmungen als direktdemokratisches Verfahren zulässt. Das zielstrebige Engagement des finanzstarken Schauspielers selbst hat natürlich auch geholfen.

Das Zusammentreffen dieser günstigen Umstände war außergewöhnlich. Wenn es auch in einigen Staaten (vor allem die Schweiz wurde in Mexiko oft als Vorbild genannt) direktdemokratische Partizipationsverfahren gibt, so sind Kinder und Jugendliche fast immer davon ausgeschlossen. Wie jungen Menschen ein besserer Zugang verschafft werden könnte, wurde bei einem der Workshops besprochen, der auf YouTube nachzusehen ist:

World City Summit mit IJAB-Beteiligung

Wie essenziell Partizipation von jungen Menschen für das Erstarken einer Demokratie ist, wurde in vielen Beispielen klar, insbesondere aus der kommunalen Ebene. Dieser lokalen Perspektive widmete sich insbesondere der World City Summit am 5. und 6. März 2023, der im Anschluss an das eigentliche Forum stattfand. Zum 4. Mal kamen hier Vertreter und Vertreterinnen aus Kommunen zusammen, die sich besonders für ihre demokratische Verfasstheit einsetzen. Gastgeber des Gipfels war der Oberbürgermeister der Millionenstadt Merída, Hauptstadt des Bundesstaates Yucatán.

Stolz präsentierten Vertreter der Stadtverwaltung und des zuständigen Architekturbüros den ersten, jüngst unter Beteiligung von Anrainern und Anrainerinnen umgestalteten Stadtpark. Zwar hatte sich im Laufe des partizipativen Verfahrens gezeigt, dass mehrheitlich nicht-berufstätige Frauen am Prozess teilnahmen. Dennoch wurden auch die Belange junger Menschen berücksichtigt. Es zeigte sich wie im Falle der kalifornischen Proposition 49, dass eine transparente und verständliche Kommunikationskultur entscheidend zum Erfolg des Partizipationsverfahrens beigetragen hat. Dass Bürger und Bürgerinnen auf einer einfachen Papierkarte mit Fähnchen markieren konnten, an welchen Stellen Verbesserungen, Änderungen, Neues gewünscht war, ist ein Beispiel gelungener, barrierearmer Partizipation.

Bei den anschließenden Debatten wurden zwar die dominierenden Themen des Forums – Wehrhaftigkeit der Demokratien gegen Korruption und Autokratie, Stabilität demokratischer Institutionen – wieder aufgegriffen, jedoch überwog der Austausch innovativer Ideen und erfolgreicher Projekte.

IJAB stellte der international versammelten Fachöffentlichkeit auf diesem Symposium die Vorzüge der Internationalen Jugendarbeit zur Stärkung lokaler Demokratie vor. Dabei konnte auf vergleichsweise gut ausgestattete, öffentliche Finanzierungsstrukturen in einer hochgradig ausdifferenzierten Förder- und Trägerlandschaft auf allen Ebenen von der Kommune bis zur Europäischen Union verwiesen werden. In Verbindung mit den Erkenntnissen aus jahrzehntelanger Erfahrung der Fachkräfte (hier sei auf die Zugangsstudie verwiesen) wurde offensichtlich, dass damit eine einzigartige Struktur besteht, von der nicht nur die teilnehmenden jungen Menschen, sondern mittelbar auch lokale Demokratien profitieren.

Jugend wird mitgedacht, sitzt aber selten am Tisch

Besonderen Zuspruch fand die Vorstellung der Internationalen Jugendarbeit bei den Studierenden, die in Merída zugegen waren. Diese nahmen allerdings nur als Zuhörer*innen am Gipfel teil. So bleibt festzustellen, dass Partizipation von Kindern und Jugendlichen an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen beim diesjährigen Global Forum on Modern Direct Democracy zwar als eines der zentralen Belange besprochen wurde, dass allerdings die Unterstützer von gestärkten demokratischen Kinder- und Jugendrechten noch einen langen Weg vor sich haben, um dies zu gelebter Realität für junge Menschen werden zu lassen.

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Ein junger Mann spricht in ein Mikrofon
Über Demokratie und Menschenrechte

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Referent für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit
Tel.: 0228 9506-111