Internationale Workcamps zeichnen sich als Kombination aus internationaler Begegnung und gemeinsamem Engagement durch drei Elemente aus: Eine bunt zusammengewürfelte internationale Gruppe, ein gemeinnütziges Arbeitsprojekt und eine An- und Einbindung in den Projektort. Eigentlich spricht vieles dafür, dass sich dies nur reell und nicht virtuell durchführen lässt.
Ende März 2020 stand IBG vor der Situation, dass die internationalen Workcamps der nächsten Wochen kurzfristig abgesagt werden mussten. Wir sahen uns in der Pflicht, zumindest virtuelle Möglichkeiten der Begegnung auch als Zeichen für internationale Solidarität und gegen nationale Abschottung zu bieten. Nach dem Prinzip „Learning by doing“ wurden rasch internationale Partner zur Mitarbeit gewonnen und erste virtuelle Camps entwickelt. Diese trafen sich mehrmals pro Woche online für zwei bis vier Stunden und hatten in der Regel „Workshopcharakter“, so wurde gemeinsam Gebärdensprache gelernt, es gab Home-Gardening-Projekte oder Kochworkshops. Ergänzt wurde dies durch gemeinsame Alltagsaktivitäten (Kochen, Yoga, chatten), moderiert und koordiniert von Ehrenamtlichen. Mehrere Hundert junge Menschen aus aller Welt nutzten die Angebote, die damit ein kurzfristiges Bedürfnis befriedigten. Auch wenn von Anfang an klar war, dass sich didaktisch-organisatorische Ansätze nicht 1:1 aus reellen internationalen Workcamps übernehmen lassen, wurden verschiedene praktische und konzeptionelle Schwierigkeiten rasch deutlich:
Praktische Herausforderungen
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Zeitverschiebung: Internationale Workcamps bringen oft Menschen aus Amerika, Europa, Afrika und Asien zusammen. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitzonen werden je nach Uhrzeiten einzelne Länder faktisch ausgeschlossen.
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Verbindlichkeit der Teilnehmer/-innen: Die Zahl derer, die sich zwar anmelden, dann aber oft ohne Nachricht doch nicht teilnehmen, hat sich bei virtuellen Projekten als relativ hoch herausgestellt. Dies mag auch daran liegen, dass bislang keine Anmeldegebühr erhoben wird. Als Reaktion darauf organisieren wir nun Online-Vortreffen der Camps.
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Länge und Häufigkeit der Online-Sessions: Hier müssen im Vorfeld klare Angaben gemacht werden, gleichzeitig muss flexibel auf die Gruppe reagiert und ggf. angepasst werden.
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Struktureller Rahmen: Unübersichtliche Angebote, variierende Anmeldeverfahren etc. führten dazu, dass viele internationale Partner über bestehende Netzwerkgrenzen hinweg einen gemeinsamen Rahmen und eine gemeinsame Plattform – mittels Slack und Padlet – dafür entwickelt haben.
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Internet: Es gab immer wieder technische Schwierigkeiten bei Einzelnen, gleichzeitig ist nun bei vielen anderen eine „Online-Müdigkeit“ aufgrund der vielen Online-Aktivitäten feststellbar.
Konzeptionelle Herausforderungen
Internationale Begegnung und ein gemeinsames von- und miteinander Lernen lassen sich relativ einfach konzipieren, die Aspekte des gemeinnützigen Engagements und der Einbindung in eine lokale Community sind dagegen sehr herausfordernd. Zu beiden Aspekten gab es verschiedene Ansätze und Experimente.
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An- und Einbindung an Projektort: Bei einem virtuellen Workcamp – in Anbindung an den Ort Ach (bei Trier), das nur ehemaligen Teilnehmenden offenstand – wurden gemeinsam mit Akteuren aus der Dorfgemeinschaft verschiedene Aktivitäten unternommen, wie Beispielsweise die Übersetzung des Flyers „Jüdische Spaziergänge durch Aach“, die Gestaltung einer interaktiven Karte sowie gemeinsames Kochen und der Austausch von Anekdoten aus dem Dorfleben. Den Beteiligten hat das virtuelle Workcamp zwar Spaß gemacht, gleichzeitig stellte es aber keinen Ersatz für ein reelles Workcamp dar − die Wehmut nach einem reellen Treffen wurde verstärkt.
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Gemeinnütziges Engagement: Ein Home-Gardening-Projekt der südafrikanischen Organisation SAVWA interpretierte den „Volunteering“-Aspekt als Aufgabe der Teilnehmer/-innen in ihren Heimatorten lokale Home-Gardening-Initiativen anzustoßen und zumindest im persönlichen Umfeld umzusetzen.
Bewertung
Zwischen Mai und Juli 2020 haben insgesamt 1.138 junge Menschen aus 72 Ländern an 86 unterschiedlichen virtuellen Projekten teilgenommen, die von Organisationen auf der ganzen Welt organisiert wurden. 65% nahmen erstmals an einem virtuellen internationalen Projekt teil, 35% waren Wiederholungstäter/-innen. 94% der Teilnehmer/-innen würden nun gerne an einem reellen internationalen Workcamp teilnehmen. Diese Zahlen machen deutlich, dass es einen Bedarf an virtuellen internationalen Projekten gibt. Die hohe Zahl der beteiligten Länder verdeutlicht, dass verschiedene Barrieren (Reisekosten, Visa) damit umgangen werden. Alles spricht dafür, dass virtuelle Camps ein barrierearmer Zugang sein können, um neue Zielgruppen zu erreichen und junge Menschen an internationale Austauschprojekte heranzuführen.
Virtuelle Workcamps sollten damit eine sinnvolle Ergänzung des Angebots von Organisationen sein, können aber reelle Begegnung nicht ersetzen. Um das Format dauerhaft zu etablieren, liegt noch eine Menge konzeptioneller Arbeit vor uns. In kommenden Monaten sollen verstärkt Ansätze der Kombination von virtuellen Workcamps mit der Präsenz von reellen Moderator/-innen in den Projektorten erprobt werden. So könnten beispielsweise international gestaltete Elemente in Kinderferienaktivitäten eingebunden werden, die durch präsente Moderator/-innen mit den Kindern vorbereitet und zu einem echten Dialog entwickelt werden.
Mehr Informationen: ibg-workcamps.org/virtuelle-workcamps