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Digitale Internationale Jugendarbeit

Es geht nicht um Übertragung, es geht um Neugestaltung

Abschlusstagung zum Forschungsprojekt

Zum Jahresende 2022 ging das Projekt IJA.digital zu Ende. Welche Erkenntnisse lieferte das Projekt für die Zukunft der Internationalen Jugendarbeit? Bei der Abschlusstagung am 23. November 2022 standen vor allem die Forschungsergebnisse im Mittelpunkt. Wir haben die Projektkoordinatorinnen bei IJAB nach ihren Eindrücken gefragt. Ein Video dokumentiert zudem das Tagungsgeschehen.

10.03.2023 / Christian Herrmann

ijab.de: Uli, Natali, euer Projekt Internationale Jugendarbeit.digital geht dem Ende zu. Am 23. November letzten Jahres habt ihr dazu eine Abschlussveranstaltung durchgeführt, bei der auch die Ergebnisse der Begleitforschung vorgestellt wurden. Was sind die zentralen Ergebnisse?

Ulrike Werner: Ein Ergebnis ist, dass die unterschiedlichen digitalen Formate nicht „sauber“ trennbar sind. Oft werden Online-, hybride und blended Formaten unterschieden. Tatsächlich haben wir es mit einer Vielzahl von Formaten zu tun, die sich durch Länge, Tagespensum und insgesamt der zeitlichen Taktung unterscheiden, aber auch in den unterschiedlichen Anteilen von Online und Präsenz, individuell oder in Teilgruppen. Die digitalen Anteile sorgen dafür, dass einerseits die Begegnungen leichter zugänglich sind – so hatte beispielsweise ein Projekt erstmals junge Menschen aus Bangladesch dabei. Manche junge Menschen trauen sich auch eine internationale Begegnung eher zu, wenn sie dafür nicht reisen müssen und in ihrer gewohnte Umgebung bleiben können. Auch die Visa-Problematik, die wir seit Jahren beklagen, entfällt. Andererseits gibt es neue Barrieren Wir müssen im Blick behalten, dass manche jungen Menschen einen schlechten Internetzugang haben, manchmal gibt es keinen Raum, in dem sie ungestört sind, oder das technische Equipment ist nicht ausreichend.

Natali Petala-Weber: Die partizipativen Anteile können größer sein, wenn junge Menschen frühzeitig bei der Planung beteiligt werden und wenn es auch informelle Räume für den Austausch gibt. Oft fühlen sich junge Menschen im digitalen Raum sicherer als Erwachsene und auch darin liegen Chancen für die Beteiligung. Außerdem kann man sich online niedrigschwelliger Inputs von extern einholen als offline. Eine Referentin oder ein Experte können einfach für eine halbe Stunde zugeschaltet werden und müssen nicht reisen. Das kann die inhaltliche Qualität erhöhen.

Es braucht ein gutes Team und Mut zum Ausprobieren

ijab.de: Was brauchen Fachkräfte, um digitale Anteile in Begegnungen umzusetzen?

Ulrike Werner: Vor allem ein gutes Team und einen klar festgelegten Ablauf. Man muss genauer planen als bei Präsenzveranstaltungen – auch die informellen Momente. Die Rollen und Verantwortlichkeiten sollten im Vorfeld genau festgelegt werden.

Natali Petala-Weber: Man muss das Zusammenspiel von Technik und Pädagogik im Blick behalten. Sprachanimation funktioniert online zum Beispiel anders als offline. Darauf muss man vorbereitet sein. Pädagoginnen und Pädagogen können nicht alles und vor allem nicht gleichzeitig. Sie sollten sich daher nicht überfordern und Personal für die Technik haben. Es müssen mehr Rollen abgedeckt werden, dafür muss gegebenenfalls auch Personal von extern eingekauft werden. Bei der Technik – aber natürlich nicht nur da – können junge Menschen beteiligt werden und Verantwortung übernehmen.

ijab.de: Wo können Pädagoginnen und Pädagogen das nötige digitale Handwerkszeug lernen?

Ulrike Werner: Zum Beispiel in unseren DIY²-Laboren, in denen wir alle möglichen digitalen Tools und Methoden ausprobieren. Das ist ganz wichtig, damit die Fachkräfte erleben, was möglich ist, was dabei wichtig ist und was im digitalen Raum auch anders ist. Es geht nicht um die Übertragung bekannter Methoden, es geht um Neugestaltung und die Nutzung der neuen Möglichkeiten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich fortzubilden und weiterzuentwickeln. Die bilateralen Fach- und Förderstellen, verschiedene Träger und Verbände machen Angebote und darüber hinaus gibt es viele medienpädagogische Fortbildungen.

Natali Petala-Weber: Das Ausprobieren ist tatsächlich besonders wichtig. Es kommt auf das Mindset der Beteiligten an. Und natürlich muss man die pädagogischen Ziele im Blick behalten und die Lebenswelten junger Menschen berücksichtigen, zum Beispiel, wann sie für ein Angebot Zeit haben und in welchen digitalen Räumen sie sich bewegen.

Was bleibt nach Corona?

ijab.de: Ihr habt auch zwei Projekte selbst durchgeführt, die ihr Living Labs genannt habt? Was ist der Erkenntniszugewinn aus den Projekten?

Natali Petala-Weber: Wir haben Partner aus Deutschland und Griechenland zum Thema Rassismus in hybriden Projekten zusammengebracht. Was wir ihnen mitgegeben haben, war: Was würdet ihr machen, wenn Geld in eurem Projekt keine Rolle spielt. Sie konnten sich also ein für sie optimales Setting aussuchen und das war genau das, was uns und das JFF interessiert hat. Es waren zwei unterschiedliche Gruppen beteiligt. Eine mit Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren und eine zweite Gruppe mit jungen Leuten zwischen 18 und 30. Interessant war zum Beispiel, dass von ihnen gar nicht mehr Länderbeteiligung gewünscht war, der bilaterale Austausch reichte ihnen völlig. Viele Teilnehmende wünschten sich Tools, die sie ohnehin schon in ihrem Alltag benutzen – wie zum Beispiel Discord. Aber da gibt es in Deutschland wegen dem Datenschutz Bedenken. Und leider haben auch die materiellen Möglichkeiten Grenzen: Wir können nicht die Strukturen unserer Partner finanzieren.

ijab.de: Nach Corona freuen sich viele Menschen wieder auf Begegnungen in Präsenz. Ist damit eine digitale Internationale Jugendarbeit vorbei oder bleibt etwas?

Natali Petala-Weber: Die Teamer*innen in der Internationalen Jugendarbeit wissen inzwischen, dass das Digitale ein festes Element ihrer Arbeit geworden ist und auch bleiben wird: ob als digitale Vor- und Nachbereitung, als Einsatz digitaler Tools auch während der Begegnung vor Ort – zum Beispiel, wenn jemand erkrankt ist und zugeschaltet werden kann. Das sind Elemente, die bleiben werden. Außerdem stehen wir ja nicht am Ende der technischen Entwicklung. Was Augmented Reality und das Metaversum möglich machen werden, wissen wir noch nicht.

Ulrike Werner: Es wird weiterhin viel Neues entstehen und verschiedene Online- und Offline-Elemente intelligent kombiniert werden. Dass man für eine 3-stündige AG-Sitzung von Bonn nach Berlin fährt, kann sich niemand mehr vorstellen. Was uns betrifft: Trotz des Projektendes bleibt das Thema Digitale Internationale Jugendarbeit für IJAB sehr wichtig. Wir werden die DIY²-Labore und die Digital Transformer Days fortführen. Anfang 2023 haben wir zu einer AG zur Entwicklung von Qualitätskriterien für digitale Formate der Internationalen Jugendarbeit eingeladen. An diesem Prozess kann man teilnehmen, Interessierte sind herzlich eingeladen. Es geht also weiter.

Das Video zur Tagung

Niedlicher AI-Roboter mit Laptop
Digitale Internationale Jugendarbeit

Der Aufgabenbereich Digitales bei IJAB befasst sich mit Fragen der digitalen Entwicklung in der Internationalen Jugendarbeit und setzt Projekte zur Information, Vernetzung, Qualifizierung und Beratung um – national und international.

Ansprechpartnerinnen
Ulrike Werner
Referentin
Qualifizierung und Weiterentwicklung der Internationalen Jugendarbeit
Tel.: 0228 9506-230
Natali Petala-Weber
Referentin für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit / EKCYP
Tel.: 0228 9506-201