Screenshot eines Videocalls zwischen Austin, Texas und Koblenz Screenshot eines Videocalls zwischen Austin, Texas und Koblenz
USA-Special 2022

Förderung von Jugendbeteiligung in den USA und Deutschland

Politische Bildung

In einer besonderen Veranstaltungsreihe brachte der American Council on Germany 2021 Vertreter*innen von Jugendräten aus fünf Städtepartnerschaften zusammen. Die Idee zu dieser Initiative kam von den Bürgermeister*innen der Städte selbst. In mehreren Online-Sessions und Web-Seminaren tauschten sich die jungen Menschen aus Austin / Koblenz, Buffalo / Dortmund, San Antonio / Darmstadt, Charlotte / Krefeld und St. Louis / Stuttgart zu Rassismus, Klimawandel und Jugendbeteiligung aus. Projektkoordinator Robert Fenstermacher wünscht sich in Zukunft mehr davon und berichtet IJAB von seinen Erfahrungen im German-American Sister Cities Youth Forum.

25.02.2022 / Ein Interview mit Robert Fenstermacher über das German-American Sister Cities Youth Forum

2021 brachte das German-American Sister Cities Youth Forum Jugendvertreter*innen aus Deutschland und den USA zusammen. Was ist die Idee hinter dem Projekt?

Hauptzweck des Projekts war es, Vertreter*innen lokaler Jugendringe und Youth-Leadership-Programme von fünf deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaften zusammenzubringen, um über Fragen, mit denen ihre Kommunen konfrontiert sind, einen transatlantischen Dialog zu führen. Wir haben gehofft, nicht nur größeres gegenseitiges Verständnis und mehr Kooperation zwischen Jugendlichen aufzubauen, sondern auch unsere Beziehungen und Verbindungen zwischen den Partnerstädten zu stärken, so dass die nächste Generation in diesen Kommunen künftige Austausche pflegen kann.

Wer hat diese Jugendbegegnung initiiert?

Diese Begegnung ist das direkte Ergebnis der Transatlantic Town-Hall Meetings, die 2020 zwischen deutschen und amerikanischen Bürgermeister*innen derselben Partnerstädte stattfanden. Bei diesen Gesprächen haben sich Teilnehmende darüber ausgetauscht, wie sich ihre Städte an die Pandemie angepasst haben und wie ihre Kommunen Zukunftspläne für verschiedene Themen entwerfen, darunter die städtische Entwicklung, der Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Kohäsion, das Engagement zwischen Staat und Bürger*innen sowie die Kommunikation mit Bürger*innen. Bei jedem Gespräch erwähnten die Bürgermeister*innen spezifisch die Notwendigkeit, die Jugendlichen in ihren Gemeinschaften enger in diese Fragen einzubeziehen, und daher bot sich das Jugendforum als Projekt an.

Jugendliche sind im Leben mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, je nachdem wo sie leben und aufwachsen. Trotzdem scheinen Rassenungleichheit, Klimawandel und Diversität die wichtigsten Fragen zu sein, die junge Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks bewegen. Warum ist es so wertvoll, wenn junge Menschen einen Blick auf das zivilgesellschaftliche Leben und Engagement außerhalb ihres eigenen Landes werfen?

Jede Gemeinschaft für sich mag vor ihren eigenen Herausforderungen stehen, aber Fragen wie der Klimawandel und Diversität, Gleichheit und Inklusion haben eine viel größere Dimension. Zu lernen, wie verschiedene Orte und Länder versuchen, diesen Problemen zu begegnen (oder auch nicht), zu verstehen, was die wichtigsten Herausforderungen sind, und zu sehen, welche Ähnlichkeiten zwischen unseren Gesellschaften bestehen – dadurch können junge Menschen voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Solche Begegnungen fördern auch das gegenseitige Verständnis, dass die Auseinandersetzung mit diesen Fragen nicht nur eine amerikanische oder deutsche Herausforderung ist, sondern etwas, wofür wir alle verantwortlich sind, egal wo wir leben.

Begriffe wie Rassismus, Diversität und Inklusion werden im deutschen und amerikanischen Kontext oft anders aufgefasst und verwendet, und die Diskussion dieser Begriffe kann schwierig sein. Wurde das im Jugendforum offensichtlich, und wie ist es Teilnehmenden gelungen, für offene Gespräche zu diesen Themen einen sicheren Raum zu schaffen?

Da Worte unterschiedlich verwendet werden, haben wir ein Glossar von Begriffen zu Diversität, Gleichheit und Inklusion geteilt, in dem Worte aufgeführt waren, die sowohl im amerikanischen als auch im deutschen Kontext verwendet werden. Das hat Teilnehmende bei der Kommunikation unterstützt, weil sie die Bedeutung dieser Begriffe besser verstanden haben. Während unserer Gespräche wollten wir, dass sich alle in einem sicheren Raum fühlen, um diese Themen zu diskutieren und Informationen offen zu teilen, denn es war uns bewusst, dass diese Themen teilweise sehr sensibel sind und es manchen schwerfallen kann, darüber zu sprechen. Da die Community dieses Projekts Jugendliche mit verschiedenem Hintergrund und aus verschiedenen sozialen Schichten repräsentiert hat, war es außerdem entscheidend, dass jede*r die Meinungen und Perspektiven anderer respektiert. Der Jugendbeirat für das Projekt hat deshalb schon früh ein Dokument mit „Richtlinien für die Kommunikation“ erarbeitet, das für alle Diskussionen Standards vorgab. Hierzu gehörte das Konzept eines safe words oder Signalwortes, um Gespräche zu beruhigen, falls es zu Anspannungen käme oder sich jemand attackiert oder beleidigt fühlen sollte. Ich fand es beeindruckend, dass die Jugendlichen derartige Richtlinien wollten, um einen zuverlässig sicheren Raum zu schaffen. Letztendlich waren jedoch alle unsere Gespräche konfliktfrei, sehr offen und transparent und unglaublich respektvoll.

Wenn wir uns das zivilgesellschaftliche Engagement junger Menschen ansehen, was sind Ihrer Meinung nach die größten Unterschiede zwischen der Arbeit junger Führungspersönlichkeiten in Deutschland und den USA?

Für mich hat diese Jugendbegegnung vor allem herausgestellt, wie ähnlich das Engagement junger Menschen, die sich in ihren Kommunen mit Problemen auseinandersetzen, auf beiden Seiten des Atlantiks ist. In allen zehn Städten setzen sich Jugendliche leidenschaftlich für Wandel ein, informieren sich über Themen und drängen Entscheidungsträger*innen an ihren Schulen und in ihren Kommunalverwaltungen, neue Richtlinien und Politiken umzusetzen. Ein Unterschied zwischen Deutschland und den USA ist vielleicht, dass viele der amerikanischen Jugendorganisationen unabhängige, gemeinnützige Organisationen sind, während die deutschen Organisationen formal Stellen der Kommunalverwaltung angeschlossen sind und von diesen finanziert werden. In manchen Fällen bedeutet diese formale Verbindung, dass Jugendliche bei der politischen Gestaltung ein größeres Mitspracherecht haben. Während der Jugendbegegnung gaben Jugendliche ihrem klaren Wunsch Ausdruck, dass ihre Perspektiven gehört werden sollen. Teilnehmenden gefiel daher das Konzept offizieller Jugendräte, die jungen Menschen eine umfassendere Beteiligung an der Entscheidungsfindung in ihren Kommunen ermöglichen.

Das Jugendforum der Städtepartnerschaften hat online stattgefunden. Welche Chancen bieten virtuelle Begegnungen wie diese?

Vor diesem Projekt hatte keine der Jugendorganisationen in den Partnerstädten miteinander Kontakt gehabt. Die virtuelle Begegnung war eine tolle Art, um Gespräche zwischen den Jugendlichen in beiden Ländern aufzunehmen, um Beziehungen zu schaffen und ein gegenseitiges Verständnis der Themen aufzubauen, mit denen junge Menschen in ihren Kommunen konfrontiert sind. Im Idealfall hoffen wir, dass die virtuelle Begegnung ein Fundament schafft, auf dem die Jugendorganisationen in den Partnerstädten nachhaltige, langfristige Beziehungen für den weiteren Austausch und einen künftigen Dialog zu diesen (und anderen) Themen aufbauen können. Außerdem dient sie als Grundlage für persönliche Begegnungen in den beiden Ländern, sobald wir die Covid-19-
Pandemie überwunden haben.

Eines der Projektziele war es, das Engagement Jugendlicher vor Ort zu fördern. Man könnte argumentieren, dass dies auch anders als mit transatlantischen Begegnungen erreicht werden kann. Was macht internationale Begegnungen für alle Beteiligten zu einer so einzigartigen zivilgesellschaftlichen Lernmöglichkeit?

Als jemand, der persönlich an Austauschprogrammen mit Deutschland teilgenommen hat, sind diese Initiativen für mich extrem wertvoll, weil man gezwungenermaßen aus dem täglichen Leben heraustritt, das man für normal hält, und sich aus einer anderen Perspektive mit Themen auseinandersetzt. Sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede können ein größeres Verständnis fördern oder dabei helfen, bewährte Praktiken herauszuarbeiten. Diese wiederum können zu besseren Ideen und Politiken führen, die die lokale Lebensqualität verbessern. Insgesamt erweitern Begegnungen den Horizont von Menschen und machen sie offener für verschiedene Perspektiven auf anstehende Themen, wenn man gleichzeitig versucht, ähnlichen Herausforderungen zu begegnen oder gemeinsame Chancen zu nutzen.

Wenn wir transatlantische Begegnungen aus der kommunalen Perspektive betrachten, können sie schwierig und überwältigend aussehen, vor allem, wenn man sie von Grund auf aufbauen muss. Sie haben das Jugendforum der deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaften mit initiiert. Können Sie Kommunen einen Rat geben, die einen deutsch-amerikanischen Jugendaustausch auf die Beine stellen möchten?

Ich würde empfehlen, klein anzufangen und die Vorteile virtueller Begegnungen zu nutzen, um so den Grundstein für eine Beziehung zu legen, ehe man in einem nächsten Schritt größere, persönliche Begegnungen organisiert, deren Durchführung mehr Planung und Finanzen erfordert. Um Austauschpartner im anderen Land zu finden, gibt es zwischen amerikanischen und deutschen Städten 100 Partnerschaften, die als eine hervorragende Basis dienen können. Aus meiner persönlichen Erfahrung hat jede der Jugendorganisationen, die wir für dieses Projekt angesprochen haben, zu erkennen gegeben, dass diese Art von Begegnung äußerst interessant wäre und schon auf der To-Do-Liste stünde. Es brauchte nur eine Person, die das Telefon in die Hand nahm oder eine E-Mail schickte, um die Idee vorzuschlagen. Selbstverständlich bin ich sehr gern bereit, weitere Informationen zu teilen – Anruf genügt!

Wünschen Sie sich was: Was möchten Sie bei künftigen deutsch-amerikanischen Jugendbegegnungen gerne sehen?

Die Wahlen in den USA wie auch in Deutschland haben kürzlich gezeigt, dass die kommende Generation engagiert und motiviert ist, den ernsten Problemen, mit denen wir lokal und global konfrontiert sind, aktiv zu begegnen. Ich wünsche mir, dass unsere jeweiligen Regierungen Begegnungsmöglichkeiten für junge Menschen fördern, indem sie größere Ressourcen und Finanzmittel investieren, so dass Jugendliche zusammenkommen, Ideen austauschen und voneinander lernen können. Jede der 100 Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und den USA sollte Jugendbegegnungen und die dafür benötigte Infrastruktur beinhalten. Unsere Regierungen reden von besserer transatlantischer Kooperation, und wie eine der Teilnehmenden an unserer Begegnung gemeint hat: „Lebe die Veränderung, die du willst.“

ACGUSA im Netz
American Council on Germany

Zum Interviewpartner: Robert Fenstermacher ist Chief Content Officer beim American Council on Germany in New York. Nach vielfachen Erfahrungen in Deutschland, beginnend mit einem Schulaustausch in West-Berlin 1987, blickt er auf eine 30-jährige Laufbahn im Bereich deutsch-amerikanischer Austauschprogramme zurück.

Das sagen Teilnehmende

Shalia Ford, FOCUS St. Louis

Frau Ford, warum hat sich Ihre Organisation zur Teilnahme am German-American Sister Cities Youth Forum entschlossen?

FOCUS St. Louis bereitet als führende Organisation für bürgerschaftliches Engagement Menschen mit vielfältigem Hintergrund – vom Teenager bis zu Menschen aus der Vorstandsetage – auf eine Zusammenarbeit und Engagement zum Wohle der Region St. Louis vor. FOCUS schult und vernetzt Engagierte und fördert wichtige Dialoge. Youth Leadership St. Louis wurde 1989 gegründet und ist heute ein international anerkanntes Programm, das junge Menschen in der Region St. Louis informiert, vernetzt, vorbereitet und befähigt, in der Zivilgesellschaft und in ihrer Gemeinde eine Führungsrolle zu übernehmen.

Unsere Entscheidung für die Zusammenarbeit mit dem Jugendforum entsprach unserer Vision und Mission ebenso sowie unserem Ehrgeiz, Schüler*innen und Studierende auf nationaler und internationaler Ebene mit anderen Führungspersönlichkeiten in Kontakt zu bringen. Wir wollten ihre Perspektive zu den entscheidenden Themen unserer Zeit erweitern, indem sie an Foren teilnehmen, bei denen sie von gleichaltrigen Deutschen lernen und gemeinsam mit ihnen arbeiten können. Diese Partnerschaft ermutigt junge Menschen, über Fragen zu Rassismus, Klimawandel und Nachhaltigkeit global nachzudenken. Gleichzeitig fördert sie die Teilhabe Jugendlicher am lokalen zivilgesellschaftlichen Leben, wo Wandel bewirkt werden kann.

Welches Potenzial sehen Sie für das Engagement örtlicher Jugendlicher im Rahmen des transatlantischen Austauschs?

Es besteht großes Potenzial für das anhaltende Engagement junger Menschen. Jugendliche können sich nicht nur während der virtuellen Foren vernetzen, sondern setzen ihre Gespräche auch zwischen Foren fort, um mehr Verständnis zu fördern und langfristige Beziehungen aufzubauen. Kürzlich tauschte beispielsweise bei einem Forum eine Jugendvertreterin aus St. Louis mit einem Peer aus Stuttgart Kontaktdaten aus, um den Dialog über ein Aktionsforschungsprojekt fortzusetzen, das sie im Rahmen ihrer Teilnahme an Youth Leadership St. Louis durchgeführt hatte. Es war toll, diesen Austausch erleben zu können! Wir hoffen, dass wir noch von weiteren derartigen Austauschen und Partnerschaften erfahren werden.

Shalia Ford Direktorin, Leadership-Programme, FOCUS St. Louis, Missouri, USA

John Schubert, Charlotte-Mecklenburg Youth Council

Was hast du Neues über Deutschland gelernt?
Das Überraschendste, was ich über Deutschland gelernt habe, ist, wie stark involviert und motiviert Jugendliche dort sind, Veränderungen zu bewirken. Wenn irgendjemand von uns Amerikaner*innen eines unserer Probleme angesprochen hat, waren die deutschen Jugendlichen immer die ersten, die wissen wollten, wie wir es angehen, und die uns manchmal auch gedrängt haben, mehr zu tun! Die Beharrlichkeit dieser Jugendvertreter*innen fand und finde ich erstaunlich.

Breonna Tuitt, Charlotte-Mecklenburg Youth Council

Was hat dich zur Teilnahme am Jugendforum der deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaften motiviert?
Ich wollte wissen, wie die politische Kultur in Deutschland ist. Ich wollte verstehen, welche Wirkung die deutsche Regierung auf die Menschen und ihr Leben hat, und das dann mit den Vereinigten Staaten vergleichen.

Ann Vadakkan, Austin Youth Council

Was nimmst du aus diesem Erlebnis insbesondere mit?
Was ich besonders aus dieser Erfahrung mitnehme ist, dass ich eine Initiative kennengelernt habe, die die Deutschen eingesetzt haben und die ich gerne an meiner Schule umsetzen würde. Kurz gesagt haben sie eine Möglichkeit gefunden, die CO2-Emissionen ihrer Schule nachzuvollziehen, um zu sehen, wie sich bestimmte Faktoren im schulischen Umfeld auf die CO2-Emissionen insgesamt auswirken. Mit diesen Informationen konnten sie dann gezielt bestimmte Bereiche angehen, in denen sie CO2-Emissionen senken konnten. Wenn wir das jetzt in unseren Schulsystemen umsetzen, wäre das vielleicht ein toller Weg, um unsere Klimabilanz zu verbessern.

USA-Special 2022: Alle Beiträge
Deutsch-US-amerikanischer Jugendaustausch

Die Autor*innen und Interviewpartner*innen im USA-Special zeigen, dass sich ein transatlantischer Austausch für alle Beteiligten lohnt, allen voran für Jugendliche.

USA-Special als PDF herunterladen
USA-Special 2022

Mit dem „USA-Special“ ist im Frühjahr 2022 die erste IJAB-Publikation mit einem deutsch-US-amerikanischen Schwerpunkt erschienen, die bestehende Partnerschaften, erfolgreiche Projekte und Themen im transatlantischen Austausch darstellt und aufbereitet.

Ansprechpersonen
Elena Neu
Referentin für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit
Tel.: 0228 9506-105
Julia Weber
Referentin für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit / Sachbearbeitung
Tel.: 0228 9506-165