Seit 2008 bringt Gangway e. V. - Straßensozialarbeit in Berlin junge Kreative aus Deutschland und den USA in den Austausch – worum geht es bei BronxBerlinConnection?
In unserer Arbeit mit einer Gruppe von 15 Jugendlichen, teilweise frisch aus der Haft entlassen, haben wir uns im Jahr 2008 dazu entschieden, eine Reise nach New York zu unternehmen. Seitdem haben wir damit nicht aufgehört. Die Plattform des Projekts ist die Hip-Hop-Kultur: Ein Thema, das auf Berliner Straßen heute nach wie vor sehr populär ist. Wir bringen Jugendliche aus New York und Berlin zusammen, damit sie sich kennenlernen und austauschen. In diesem Prozess lernen sie neue Lebenswelten kennen und schauen dabei auch auf das eigene Leben, aus einer neuen Perspektive. Hip-Hop kommt aus den urbanen Lebensräumen von New York und es ist hier, wo wir unsere Zeit verbringen: Die South Bronx, Harlem, Brooklyn. Wir lernen über Polizeigewalt, Rassismus, die Verbindung von Hip-Hop zur Sklaverei, zu Jazz und Blues, zu Aktivist*innen wie Malcolm X und Martin Luther King. Wir verstehen Waff engesetze, fehlende soziale Dienstleistungen und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Menschen, die sie brauchen. Wir nehmen auch an Workshops im Knast teil. Gleichzeitig treten wir bei Veranstaltungen im Goethe-Institut und im Deutschen Konsulat auf.
Internationaler Jugendaustausch ist mit vielen Ländern der Welt möglich – warum die USA, warum New York?
Kaum ein eigenes Land steht Deutschland so nah wie die USA. Durch die Vielzahl der hier stationierten amerikanischen Truppen kam die Hip-Hop Kultur nach Deutschland und ist inzwischen zu einer ganz eigenständigen Kultur mit eigenen Styles, Themen und eigener Sprache gewachsen. Als Entstehungsort der Kultur ist New York dennoch einzigartig. Hier hat alles begonnen und kaum eine andere Stadt fasziniert Jugendliche mehr als sie. Jugendliche aus Berlin und New York haben auch neben der Hip-Hop Kultur viel gemeinsam. Sie alle sind in der Großstadt aufgewachsen und sie alle haben eine dementsprechend „dicke Haut“. Beide Städte sind voll junger Künstler*innen und es ist schwer, herauszustechen. Viele der jungen Teilnehmer*innen haben außerdem einen Migrationshintergrund und dementsprechende Rassismuserfahrung.
Mit wem arbeitet ihr auf amerikanischer Seite zusammen, auf wen treffen eure Teilnehmenden?
Unser Partner in New York ist das Hip Hop ReEducation Project in Brooklyn. Darüber hinaus arbeiten wir derzeit mit einer Vielzahl von Organisationen zusammen, z. B. dem Goethe-Institut NYC, der Amerikanischen Botschaft Berlin, The Door in Manhattan und Zulu Nation. Die Kontakte kommen über persönliche Verbindung des Projektleiters und langjähriges Netzwerken zustande. Unsere Projektpartner in New York arbeiten mit sozial benachteiligten Jugendlichen, die in den Schattenseiten dieser großartigen Metropole aufgewachsen sind. Sie alle haben viel zu berichten darüber, wie es ist, sich durchsetzen zu müssen. Viele von ihnen haben latente Rassismus- sowie Gewalterfahrungen machen müssen. Viele von ihnen haben die eigene Stadt, geschweige denn das eigene Land, noch nie verlassen.
Sie haben sich explizit auf die Fahnen geschrieben, Jugendlichen mit „ungeraden Lebenswegen“ die Chance zu geben, den Atlantik zu überqueren - „Fulbright für die Straße“ nennen Sie das auf Ihrer Website. Warum ist Ihnen das wichtig?
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten für Jugendliche, deren akademische Laufbahnen gerade verlaufen, an internationalen Jugendaustauschprojekten teilzunehmen. Wie aber sieht es aus mit den Jugendlichen, die schulische Bildung gar nicht auf dem Radar haben? Denjenigen, die Fehler gemacht, eventuell sogar eine Freiheitsstrafe verbüßt haben und heute Anschluss an eine Gesellschaft finden wollen, die, so fühlt es sich für sie manchmal an, sie gar nicht haben will? Seit 13 Jahren nunmehr beobachten wir, was passieren kann, wenn man Jugendliche eine Zeit lang aus ihren eigenen Lebensrealitäten entführt und sie in ein ganz anderes Land bringt. Sie lernen, sie wachsen, sie betrachten ihr eigenes Leben aus einer anderen Perspektive. Sie schließen internationale Freundschafen und am allerwichtigsten: Sie setzen sich ganz andere und viel größere Ziele. Hier nun sammeln sie ein Erfolgserlebnis und plötzlich ist die Welt ein ganzes Stück kleiner geworden. Viele von ihnen stehen noch viele Jahre nach Ende des Projekts in Verbindung miteinander.
Was bedeutet ein solcher Austausch für die Jugendlichen und wie bereiten Sie sie auf den Austausch vor?
Die Erfahrungen, die die Jugendlichen in dieser Zeit machen, sind lebensprägend. Nachdem sie eine transatlantische Begegnung weit weg von zu Hause erfahren konnten, kehren sie mit einer anderen Selbstwahrnehmung zurück. Viele legen die Latte viel höher, setzen sich größere Ziele … „Ich habe es gerade bis nach New York/Berlin geschafft! Wer weiß, wo es als Nächstes hingeht!“. In Berlin sowie in New York sind Jugendliche oftmals nicht besonders mobil in ihrer eigenen Stadt. Viele von ihnen kennen andere Stadtteile nur aus dem Fernsehen. Vorurteile sind dementsprechend medial geprägt. Um an dem Projekt teilnehmen zu können, müssen Teilnehmer*innen an Vorbereitungstreffen in verschiedenen Stadtteilen teilnehmen. In diesem Rahmen treffen in den nächsten knapp neun Monaten Jugendliche verschiedenster kultureller sowie sozioökonomischer Hintergründe aufeinander und setzen sich an einen Tisch, an dem sie sonst nicht zusammensitzen würden. Oftmals sind diese Begegnungen genauso wichtig wie die auf transatlantischer Ebene.