Mit den Eindrücken aus dem USA-Fachtag des Vorjahres im Gepäck war klar, dass der diesjährige Fachtag vor allem eines bieten sollte: Viel Raum für Austausch und Vernetzung. Dies zu ermöglichen war das übergeordnete Ziel für das Treffen in den Räumlichkeiten des BMFSFJ in Berlin. Schon bei ihrer Ankunft im Foyer konnten die Teilnehmenden einen ersten Blick in die Themenstationen werfen, die, mit Leitfragen und Praxisbeispielen gespickt, für den themenspezifischen Austausch bereitstanden.
Politischer Wille und konkrete Ideen
Man merke, dass IJAB Lust auf das Thema USA habe, sagt Bettina Bundszus, Leiterin der Abteilung Kinder und Jugend im BMFSFJ, zu Beginn ihres Grußworts und damit hat sie natürlich recht. Gleichzeitig erwähnt sie mit einem Augenzwinkern die strapazierten Kassen im Sonderprogramm USA und bedankt sich in einem Atemzug bei den im Austausch Aktiven, die Mittel für Austauschprojekte vermehrt in Anspruch nehmen. Doch diesen Worten folgt am Ende auch eine ernste Botschaft: Deutschland und die USA teilten gemeinsame Wertesysteme, die einer neuen Generation mitgegeben werden sollen. Darin läge die Kraft des internationalen Jugendaustausches und darin begründet läge auch der politische Wille, die bilateralen Beziehungen beider Länder durch die Gründung eines Deutsch-US-Amerikanischen Jugendwerkes zu stärken.
Gemeinsam mit der US-Botschaft wolle man als wichtigen Schritt den transatlantischen Austausch neuen Zielgruppen öffnen und arbeite aktiv an Möglichkeiten dafür.
Vom Trailerpark in die US-Botschaft
Von der transformativen Kraft des Austauschs spricht Robert Greenan, Gesandter Botschaftsrat für Öffentliche Angelegenheiten der US-Botschaft, als er den Teilnehmenden davon erzählt, wie er, selbst aufgewachsen in einem US-Trailerpark, 1985 über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm (PPP) nach Deutschland kam. Investitionen in Austausch seien die besten Investitionen, die die USA tätigen könnten, denn nie lerne man mehr über sein eigenes Land, als wenn man selbst ins Ausland gehe. Seit Jahren seien die USA daher bemüht, den Austausch neuen Zielgruppen zu öffnen. Nun fänden dahingehend Gespräche mit dem BMFSFJ statt, um ein gemeinsames Programm für die Erreichung dieses Ziels zu entwickeln, sagt er und schließt damit den von der Vorrednerin geöffneten Kreis.
Authentisch, begeistert, begeisternd
Mit diesen drei Worten lässt sich treffend der Impuls der Referent*innen beschreiben, die wie keine andere Person im Laufe des Tages die Teilnehmenden in ihren Bann zu ziehen wussten.
Nisa Nur Ovali und Beste Yalcin, zwei Schüler*innen aus München, waren nach Berlin gereist, um ihre Perspektive auf den Jugendaustausch mit den USA zu teilen. 2022 nahmen beide am Austauschprogramm „USA for you“ teil und waren in diesem Zusammenhang für zwei Wochen in den USA. „Ohne USA for you hätte ich mir eine Teilnahme an einem Austauschprogramm in die USA nicht leisten können“, stellen sie schon früh klar und sprechen damit aus, was letztendlich für viele das entscheidende Ausschlusskriterium vom transatlantischen Austausch darstellt. Gleichzeitig bauen sie eine Brücke zu dem, was ihre politischen Vorredner*innen bereits in ihren Beiträgen angesprochen hatten.
In ihrem lebendigen Bericht über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in den USA erzählen sie, wie sie gelernt haben, auf eigenen Beinen zu stehen und, dass sogar ihre Eltern ihnen jetzt mehr zutrauen – Begeisterung, die alle ansteckt. Im selben Atemzug erinnern sie mit ihren Schilderungen alle im Raum noch einmal daran, warum wir uns für Internationale Jugendarbeit einsetzen und warum es so wichtig ist, niemanden im Austausch zurückzulassen.
Vom Coffeehouse zum Realtalk
Motiviert durch den Impuls von Nisa Nur und Beste starten die Teilnehmenden in ihre freie Austausch- und Vernetzungsrunde ins „Transatlantic Coffeehouse“. An verschiedenen Themenstationen werden bei Kaffee und Snacks fleißig Ideen, Erfahrungen und natürlich Visitenkarten getauscht. In Kleingruppen reflektieren die Teilnehmenden anschließend die ersten Eindrücke des Tages.
Zum „Transatlantic Realtalk“ kommen schließlich alle wieder im Plenum zusammen. „Amerikabilder, Deutschlandbilder“ lautet das Oberthema der Runde, in der es darum gehen soll, was junge Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks übereinander denken und was das für den deutsch-US-amerikanischen Jugendaustausch in der Praxis bedeutet. Bettina Wiedmann, Geschäftsführerin von Experiment e. V. und stellvertretende Vorsitzende von IJAB, Erica Larson Bautze, stellvertretende Direktorin des Deutsch-Amerikanischen Instituts Sachsen (DAIS) und Olad Aden, Straßensozialarbeiter bei Gangway Berlin stellen sich den Fragen der Moderatorin und des Plenums.
In der offenen Gesprächsrunde kommt vieles zur Sprache. Es geht um Klischees über Hip-Hop und Rap und abgehangene Zielgruppen in Deutschland, über „diffus-positive“ Deutschlandbilder und Abenteuerlust unter jungen US-Amerikaner*innen und darum, dass manche jungen Menschen in den USA Austausche oder gar Deutschland gar nicht erst auf dem Schirm haben. Immer wieder drehen sich Fragen um das Thema Finanzierung. Ist es in Deutschland schwierig, Projekte mit den USA zu finanzieren, gibt es in den USA häufig überhaupt keine Möglichkeit, an Mittel heranzukommen.
Übrig bleibt am Ende für alle die Erkenntnis, mit den Herausforderungen nicht alleine dazustehen, auch wenn sich die jeweiligen Zielgruppen und Formate auf den ersten Blick unterscheiden. Sich an einen Tisch zu setzen und gemeinsam neue Formate zu entwickeln, gemeinsam mit jungen Menschen, steht als Impuls zum Nachdenken im Raum.
Am Ende des Tages
Zum Abschluss des Fachtags reflektieren alle Teilnehmenden gemeinsam. Natürlich bleiben am Ende des Tages auch Fragen übrig – Fragen, die nicht überraschend sind. Wie können noch mehr Träger in die Lage versetzt werden, Projekte umzusetzen und Geschichten aus dem Austausch zu erzählen? Geschichten wie die von Nisa Nur und Beste. Potenzial dafür ist vorhanden, es verliere sich oft darin, dass zu viele „Klinken geputzt“ werden müssen, um Projekte umzusetzen. Für mehr deutsch-US-amerikanischen Jugendaustausch braucht es eben auch mehr Mittel. Große Fragezeichen bestehen auch dahingehend, wie erfolgreich Partnerschaften in den USA aufgebaut werden können. Eine Frage, auf die es keine pauschalen Antworten gibt und die im Rahmen des Fachtags auch nicht final beantwortet werden kann.
Dass diese Fragen in diesem Rahmen gestellt werden können, zeigt: Der Raum für Gespräche zum transatlantischen Jugend- und Fachkräfteaustausch ist richtig und wichtig. Das sichtbare Engagement und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, machen darüber hinaus allen Mut.
Für IJAB bedeutet all das, dass wir am Thema dranbleiben. Informationen aufbereiten, Fragen aufgreifen, Räume eröffnen: Wir fangen gerade erst an!
Wir bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmenden, Sprecher*innen und Unterstützer*innen des USA-Fachtags 2023. See you soon!