Nach der Ankunft in Chicago ging es schon früh am nächsten Morgen, noch vor der großen Rush Hour, weiter zum ersten Etappenziel unserer Reise: Kalamazoo, Michigan. Die ca. 3,5-stündige Fahrt führt auf der I-94 entlang des Lake Michigan, dem größten Süßwasserreservoir der Vereinigten Staaten, und dann ein Stück ostwärts in Richtung Detroit. Rund 74.000 Menschen leben in Kalamazoo. In diesem Jahr kommen vier deutsche Fachkräfte dazu, denn sie verbringen zwei Monate in der größten Stadt Südwest-Michigans. Sie sind es auch, die wir zum ersten Mal seit dem Vorbereitungsseminar in Deutschland treffen wollen und die uns freudig begrüßen, als wir auf dem Parkplatz des lokalen Projektpartners, Global Ties Kalamazoo, aus dem Auto steigen. Wir möchten natürlich alles wissen - wie es den Teilnehmenden ergangen ist, ob sie in ihren Gastfamilien zurechtkommen und wie es auf ihren Einsatzstellen läuft. Was ist in den USA anders, was vielleicht überraschend ähnlich, was nimmt man aus der Erfahrung mit nach Hause? Es entfaltet sich ein spannendes Gespräch über herzliche Begegnungen, über Armut, die unter die Haut geht, und über ein System, das es tatsächlich schafft, noch ein ganzes Stück bürokratischer zu sein als das deutsche (wirklich!). Die Geschichten machen glücklich und nachdenklich zugleich und sind damit auch ein unumstürzlicher Beweis dafür, wie wichtig internationale Fachaustausche sind.
Wie alles begann
Anfang 2022 hat IJAB das Job-Shadowing Programm, das heute unter dem Namen TraX zum Portfolio von IJAB zählt, mit einem existierenden Konzept und festen Ansprechpersonen in den USA übernommen. Das Programm selbst wurde in den 1950er Jahren ins Leben gerufen – IJAB ist damit also für alle am Programm Beteiligten ein neuer Partner ohne gemeinsame Geschichte. Nach einem ersten Durchlauf haben wir festgestellt, dass wir die Funktionsweise des Programms sowie die Bedarfe der Projektpartner in den USA besser verstehen möchten. Eine gute Partnerschaft beruht schließlich nicht zuletzt auf Kommunikation auf Augenhöhe, Rücksicht und Wertschätzung füreinander, Prinzipien, die uns in unserer Arbeit am Herzen liegen. Darum war es uns wichtig, uns ein eigenes Bild zu machen.
Rock 'n Roll, Hollywood, IJAB
Von Kalamazoo ziehen wir somit weiter nach Cleveland, entlang schier unzähliger Maisfelder und Kornspeicher leitet uns die I-90 Richtung Erie-See. In der Stadt treffen wir unsere Partnerorganisation Council of International Programs. Die Organisation wurde im Zuge der ersten Besuche deutscher Fachkräfte in den USA in den 60er Jahren gegründet, um das Programm administrativ zu begleiten. Seither hat sich die Organisation weiterentwickelt und ermöglichte über 15.000 internationalen Fachkräften aus über 147 Ländern eine Austauscherfahrung in den USA. CIP verfügt über ein Netzwerk mehrerer Zweigstellen bzw. lokaler Partner, die bei der Durchführung der Programme unterstützen.
Das Treffen mit dem vierköpfigen Team liegt uns besonders am Herzen, da wir hoffen, in Zusammenarbeit mit CIP das Programm nicht nur noch viele weitere Jahre durchzuführen, sondern auch überlegen möchten, welches Potenzial bislang ungenutzt bleibt und wie wir das Programm sicher in die Zukunft tragen können. Dabei geht es um Zielgruppen, um mögliche Einsatzstellen, aber auch um steigende Kosten und Inflation, von der vor allem die Gastfamilien betroffen sind. Aus dem Termin gehen wir mit Vorfreude auf die nächste Ausschreibung, einer Handvoll spannender Ideen und beeindruckt davon, wie das kleine Team die Vielfalt an internationalen Programmen, unseres eines davon, schultert. Am Rande der Gespräche erfahren wir mit Blick auf den unendlich erscheinenden Erie-See dann auch noch, dass Cleveland die Geburtsstätte des Rock 'n Roll ist, die Avengers in der Stadt gerne zum Filmdreh vorbeischauen und man im florierenden Theaterdistrikt von „the Land“ den weltweit größten Outdoor-Kronleuchter bestaunen kann.
Almost Heaven, West Virginia
Beflügelt vom Treffen mit CIP setzen wir unsere Reise gen Süden fort. Langsam, aber sicher weicht das Land des Corn Belts den durch herbstlich leuchtende Wälder gesäumten Serpentinen der Appalachen, in deren Mitte sich unser nächstes Etappenziel befindet. Einen Katzensprung von der Staatsgrenze zu Pennsylvania entfernt, liegt das pittoreske Städtchen Morgantown, West Virgina, am Monongahela River. 30.000 Menschen leben in der Stadt, die die wichtigste Universität des Bundesstaates beherbergt, die West Virginia University mit ca. 26.000 eingeschriebenen Studierenden.
Im International Office der Universität treffen wir unseren lokalen Partner von CIP sowie zwei der drei Teilnehmenden, die in diesem Jahr ihr Job-Shadowing in der Studierendenstadt verbringen. Auch hier ist es uns ein besonderes Anliegen, unsere Partner kennenzulernen und zu verstehen, was wir tun müssen, damit Einsätze in Morgantown auch zukünftig erfolgreich sind. Nachdem wir über diese Aspekte gesprochen haben und ein Plan für 2024 steht, kommen die Teilnehmenden ins lockere Erzählen - über das regionale Highlight des Buchweizenfestivals, hilfsbereite Menschen, die einen ein Stück bergauf- oder ab mitnehmen, und ein Country Music Festival, das sie gemeinsam mit der Gastmutter besuchen werden. Natürlich sprechen wir auch über Dinge, die wir besser machen können oder wozu die Teilnehmenden noch Fragen oder Anregungen haben. Auf dem Weg nach draußen merken wir dann aber wieder, dass sich die beiden auf dem Campus und in der Gegend hervorragend auskennen. Sie sind angekommen in Morgantown und wissen, wo wir vor unserer Weiterfahrt den besten Kaffee der Stadt bekommen.
So long, America
Der Termin in West Virgina markiert das Ende unseres Programms in den USA. Wir brechen auf nach Washington D. C., von wo aus wir die Heimreise nach Deutschland antreten. Noch einmal führt uns die Scenic Route durch wunderschöne, schon leicht rot und gelb gesprenkelte Hügellandschaften, entlang beeindruckender Felsschnitte und vorbei an Straßenschildern, die vor Wildwechsel durch Rehe und Bären warnen. Auf der Fahrt reflektieren wir bei Smoked-Gouda-Crackern und Eiskaffee mit Apfelkuchengeschmack und viel Pumpkin Spice das, was wir in den letzten Tagen gesehen, gehört und besprochen haben. Wir sind zufrieden und einig darin, dass der Besuch bei unseren Partnern unendlich wertvoll und in jedem Fall die Mühe wert war, nicht nur weil er unsere Motivation für die Zusammenarbeit noch einmal unterstreichen konnte, sondern auch weil wir das Programm nun besser kennen und weiterentwickeln können. Auch wenn keine Zeit mehr für einen Kaffee im Weißen Haus bleibt, endet unsere Zeit in den USA passend in Washington D. C. mit einem Besuch im German-American Friendship Garden und ganz viel Vorfreude auf TraX 2024.