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Türkei

Ich bin kein Rassist, aber...

Antirassismus-Training für die Jugendarbeit

Migration und Diversität prägen sowohl die deutsche als auch die türkische Gesellschaft. Leider gehören auch Diskriminierung und Rassismus in beiden Ländern zur Realität. Was im Jugendaustausch dagegen getan werden kann, war Gegenstand eines Online-Trainings während des IMECE.Labs 2 am 24. März 2022.

30.03.2022 / Christian Herrmann

Der internationale Jugendaustausch hat sich in den letzten Jahren verändert. Stand früher Interkulturelles Lernen hoch im Kurs, so ist es heute eher die Sensibilisierung gegenüber der Vielfalt in unseren Gesellschaften. Menschen sind mehr als die eigene oder zugeschriebene kulturelle Identität. Die Kulturalisierung von Identitäten läuft Gefahr, Stereotype fortzuschreiben und Konflikte auf den Unterschied von Kulturen zu reduzieren. Ahmet Sinoplu von Coach e.V., der gemeinsam mit Canan Tekin das Training leitete, illustrierte diesen Gedanken mit einer einfachen Übung, dem Identitäts-Molekül. Ausgehend vom eigenen Ich im Zentrum des Moleküls, sollten die Teilnehmenden Eigenschaften zuordnen, die sie für sich als prägend wahrnehmen. Dabei zeigte sich schnell: Identitäten sind vielfältig und entziehen sich der einfachen Reduktion auf Nationalität oder Religion. Es zeigte sich auch: Identitäten können Gegenstand von Diskriminierungserfahrungen sein, etwa dann, wenn es um nationale Minderheiten, sexuelle Orientierung oder Religionszugehörigkeit geht.

Die Vielfalt der Identitätsfacetten entzieht sich einer einfachen Zuordnung und einfachen Täter-Opfer-Festlegung. Ein türkischstämmiger Mensch kann in Deutschland Diskriminierungserfahrungen machen, als gut ausgebildeter Mann ist er aber zugleich privilegiert. Ein Muslim gehört in der Türkei zur Mehrheitsgesellschaft, mit seinem spezifischen Verständnis der Religion kann er aber auch Ausgrenzung erleben. Wie man mit der eigenen Identität umgehen soll, wurde von den Teilnehmenden lebhaft diskutiert. Während einige sich wünschten, kritisch mit der eigenen Identität umzugehen, stellten andere fest, ihre Diskriminierungserfahrungen bezögen sich auf die Teile ihrer Identität, die unveränderbar seien. Identitäten seien im Fluss und könnten sich im Laufe eines Lebens ändern, meinte Ahmet Sinoplu und mahnte einen achtsamen Umgang miteinander an. „Worte können wehtun“, sagte er.

Sind wir alle gleich?

Einige der Teilnehmenden freuten sich darüber, neue Tools kennengelernt zu haben. Eines davon war FLINGA (Link: https://flinga.fi/) für interaktive Meinungsbildung. Canan Tekin hatte ein Board vorbereitet, auf dem die Teilnehmenden einen Avatar näher oder entfernter von der Antwort auf eine Frage positionieren sollten, je nachdem in wie weit die Antwort ihrer eigenen Haltung entsprach. Die scheinbar einfache These „Alle Menschen sind gleich, also behandele ich sie auch gleich.“ löste eine interessante Debatte aus. Instinktiv stimmten die meisten Teilnehmenden dieser These zu, einige aber auch nicht. Während die einen mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz vor dem Gesetz argumentierten, beriefen sich die anderen auf die dennoch vorhandene Ungleichheit in der Gesellschaft. Das Thema hätte eine vertiefende Diskussion verdient: Beseitigt die Ungleichbehandlung von Menschen – im Sinne einer positiven Diskriminierung – bestehende Ungleichheiten oder schafft sie neue?

Coach e.V. verstand das Angebot des Online-Trainings als Schnupperangebot, das an den zeitlichen Rahmen des IMECE.Lab angepasst wurde. Wer die angerissenen Themen in eigenen Angeboten vertiefen möchte, kann Coach e.V. kontaktieren.

Kontakt: https://www.coach-koeln.de

İMECE 2022 ist eine Kooperation der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke, IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland sowie der Nationalen Agenturen für Erasmus+ JUGEND und das Europäische Solidaritätskorps in Deutschland (JUGEND für Europa) und der Türkei (Türkische Nationale Agentur). Das Antirassismus-Training am 24. März 2022 wurde von der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke organisiert. Eine Präsenzveranstaltung in Antalya ist für den 16. bis 20. Mai geplant.

INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0
Dieses Werk ist lizenziert unter einer INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0 Lizenz.
Vier Menschen sprechen miteinander.
Über den Austausch mit der Türkei

IJAB führt mit der Türkei Fachprogramme und Partnerbörsen durch. Außerdem bieten wir interessierten Trägern Information und Beratung zum Austausch mit der Türkei an.

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