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Türkei

Wir werden Neues lernen müssen

Deutsch-Türkisches Online-Event IMECE.Lab zum Jugendaustausch

85 Aktive des deutsch-türkischen Jugendaustauschs hatten am 8. Dezember den Weg zu IMECE.Lab gefunden, dem vielleicht kurzweiligsten Online-Event für Fachkräfte der Internationalen Jugendarbeit im Krisenjahr 2020. Ein gutes Zeichen für die Zukunft des Austauschs zwischen beiden Ländern, denn eins zeigte die Veranstaltung ganz deutlich: Wir werden Neues lernen müssen, um den Austausch aufrechtzuerhalten.

10.12.2020 / Christian Herrmann

Die Konferenzen zum deutsch-türkischen Jugend- und Fachkräfteaustausch finden alle zwei Jahre statt. Gemeinsam laden die beiden Nationalagenturen für Erasmus+ JUGEND IN AKTION und das Europäische Solidaritätskorps, die Deutsch-Türkische Jugendbrücke und IJAB alle Interessierten ein, sich auszutauschen, Kooperationen zu knüpfen und den deutsch-türkischen Austausch kreativ weiterzuentwickeln. Es ist das Ziel der vier Veranstalter, die deutsch-türkische Zusammenarbeit im Bereich Jugendarbeit zu stärken und das Potential dieses Arbeitsfeldes sichtbar zu machen. Zuletzt war das 2018 in Berlin der Fall gewesen, in diesem Jahr hätte die Veranstaltung in Istanbul stattfinden sollen. Was physisch nicht geht, muss eben online möglich gemacht werden. Keine leichte Aufgabe, denn viele Fachkräfte verbringen schon Monate im Homeoffice – inzwischen hat sich eine gewisse Zoom-Müdigkeit eingestellt und Istanbul ist gewiss attraktiver als der heimische Schreibtisch.

Kurzweilige Gespräche

„Wir werden viel Altes verlernen müssen und viel Neues erlernen müssen“, sagte Özgehan Şenyuva von der Middle East Technical University in Ankara im Gespräch mit Annegret Warth von der Stadtverwaltung Stuttgart. Online-Veranstaltungen können nicht ablaufen wie Präsenzveranstaltungen. Lange Keynotes werden auf dem Bildschirm noch länger, Workshops brauchen neue Ausdrucksmittel, denn das physische Ausprobieren von etwas entfällt. Wie man es machen kann, dafür lieferte IMECE.Lab ein gutes Beispiel. Die Veranstaltung erwies sich als Mischung von lockeren Gesprächsrunden, Kleingruppen zum Kennenlernen und kreativen Workshops. Am Abend folgte noch ein Koch-Workshop für all diejenigen, die sich einmal selbst an der türkischen Küche versuchen wollen.

Özgehan Şenyuva hatte sein Statement jedoch nicht ausschließlich auf die Anwendung digitaler Formate bezogen. Auch wenn physischer Austausch wieder möglich sein sollte, bleiben viele Fragen offen. Nicht alle werden als erstes reisen wollen, wenn Reisen wieder möglich sind. Einige werden feiern wollen, andere werden den Tod von Freunden und Angehörigen betrauern. „Jeder und jede werden mit einer anderen Erfahrung aus dem Lockdown kommen“, sagte Şenyuva, „und die Jugendarbeit muss auf die daraus folgenden unterschiedlichen Bedürfnisse vorbereitet sein.

Annegret Warth formulierte im Gespräch mit Şenyuva Fragen in Bezug auf die „Post-Corona-Zeit“: Was wollen wir aufrechtzuerhalten, was müssen wir neu denken? Was können wir beibehalten und was müssen wir wiederaufbauen? Wer wird nach der Pandemie noch am Tisch sitzen? Sorgen am gemeinsamen Tisch bereiten vor allem die türkischen Partnerorganisationen, denn ihnen setzt nicht nur die Pandemie, sondern auch die Abwertung der türkischen Lira zu. Und für viele junge Menschen in der Türkei sind Auslandsreisen unerschwinglich geworden.

Lokal denken und digital handeln?

Hörte man den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Plenum und den Workshops zu, dann erkennt man zwei Tendenzen. Anja Langer von der Kultur & Art Initiative in Berlin hat daran mitgewirkt, das International Short Film Festival Detmold im virtuellen Raum und nicht im Kinosaal stattfinden zu lassen. Ihr Fazit: „Wir waren alle im selben Raum und ich war glücklich, dass das geklappt hat.“ Auch Mahmut Canbay vom MUT! Theater wollte nicht auf Projekte mit jungen Menschen verzichten und hat eine hybride Begegnung zum Thema gesunde Ernährung mit Partnern aus Izmir organisiert. Es wurde vor Ort gekocht und sich online ausgetauscht. Auch er ist begeistert vom neuen, digitalen Format. Zugleich scheint das Lokale an Bedeutung zu gewinnen. Christiane Rheinholz-Asolli von IJAB meinte: „Jugendarbeit ist ihrer Natur nach lokal und im Lockdown gewinnt der Nahbereich noch mehr an Bedeutung.“ Und auch Özgehan Şenyuva sagte, „Wir entdecken jetzt unsere Stadtteile neu“.

Lokal denken und digital handeln, geht das? Auch bei JUGEND für Europa scheint man in diese Richtung zu denken. Manfred von Hebel gab einen kurzen Einblick in die neue Programmgeneration von Erasmus+ JUGEND IN AKTION. Es soll unbürokratischer, grüner und digitaler werden. Ein bisschen physisches und sinnliches Erleben darf es dann aber doch sein. Jochen Butt-Posnick sagte in seiner Abschlussmoderation: „Hoffentlich sehen wir uns wenigstens nächstes Jahr in Istanbul.“

INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0
Dieses Werk ist lizenziert unter einer INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0 Lizenz.
Vier Menschen sprechen miteinander.
Über den Austausch mit der Türkei

IJAB führt mit der Türkei Fachprogramme und Partnerbörsen durch. Außerdem bieten wir interessierten Trägern Information und Beratung zum Austausch mit der Türkei an.

Ansprechpersonen
Christiane Reinholz-Asolli
Referentin für internationale jugendpolitische Zusammenarbeit
Tel.: 0228 9506-112
Portrait Timo Herdejost
Timo Herdejost
Sachbearbeitung
Tel.: 0228 9506-130