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Berichte

Europäisches Jahr der Jugend: Bettina Bundszus zieht Bilanz

Impulse zur Stärkung junger Menschen in Europa

Mehr Gehör für junge Menschen in Europa, mehr Angebote für Jugendorganisationen: Ziel des Europäischen Jahrs der Jugend 2022 war ein Aufbruch in eine Zukunft mit mehr Möglichkeiten. Bettina Bundszus, Leiterin der Abteilung „Kinder und Jugend“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Nationale Koordinatorin für das Europäische Jahr der Jugend blickt in diesem Artikel auf die Aktivitäten zurück und zieht Bilanz.

01.03.2023 / Bettina Bundszus-Cecere

Gerade junge Menschen haben in den vergangenen Jahren während der Corona-Pandemie viele Einschränkungen erfahren müssen. Viele spüren noch heute die Folgen. Grund genug, für die Europäische Kommission das Jahr 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend auszurufen und somit die junge Generation in Europa besonders zu würdigen. In ganz Europa sollte dieses Jahr für junge Menschen und für Jugendorganisationen in Europa einen Aufbruch in eine Zukunft mit mehr Angeboten und Möglichkeiten bedeuten und den Meinungen und Ideen junger Menschen in Europa mehr Gehör verschaffen.

„Dein Europa – Dein Jahr!“

„Dein Europa – Dein Jahr!“ so haben wir das Europäische Jahr der Jugend in Deutschland getauft. Eine breite Mitmach-Kampagne war das Herzstück unserer Aktivitäten auf Bundesebene. Mit der Kampagne haben wir Entscheider*innen sowie die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, was junge Menschen bewegt und welche Meinungen und Ansichten sie zu verschiedenen Themen haben. Die Themen für die Gespräche wurden dabei von den jungen Menschen selbst gesetzt.

Den Kampagnenauftakt am Europatag, dem 9. Mai, bildete ein Austausch von Bundesjugendministerin Lisa Paus mit Jugendvertreter*innen über deren Engagement in der Flüchtlingshilfe und die Arbeit von Jugendverbänden in Deutschland und der Ukraine. Bei meinen Gesprächen als nationale Koordinatorin für das Europäische Jahr der Jugend in Deutschland war es mir wichtig, mich mit möglichst unterschiedlichen Gruppen junger Menschen auszutauschen und dabei ihr Lebens- und Engagementumfeld kennenzulernen. So habe ich unter anderem mit jungen Studierenden des STREET COLLEGE gesprochen, an dem Lernende - mit und ohne Abitur - selbst ihre Lerninhalte und Kurspläne bestimmen. Einige holen Abschlüsse nach, andere entwickeln ihre ganz eigenen Talente und Stärken. Außerdem durfte ich das ViFest, ein Festival für Gebärdensprachler*innen, besuchen und mich dort mit tauben jungen Menschen über ihr Engagement, aber auch die Hindernisse, vor denen sie in verschiedenen Lebenssituationen stehen, austauschen.

Kurzberichte über die Gespräche wurden neben weiteren Beiträgen zum Europäischen Jahr der Jugend auf unserer eigenen nationalen Website zum Europäischen Jahr der Jugend veröffentlicht. Zudem konnten für Deutschland 2022 insgesamt knapp 650 Aktivitäten rund um das Europäische Jahr der Jugend auf der digitalen Landkarte der Europäischen Kommission gesammelt werden. Darunter waren u. a. vielfältigen Aktivitäten von Vereinen und Verbänden sowie von staatlichen Stellen auf allen föderalen Ebenen.

Die Stakeholder-Gruppe

Bei meiner Arbeit als Nationale Koordinatorin zur Umsetzung des Aktionsjahres in Deutschland wurde ich von einer Stakeholder-Gruppe tatkräftig beraten und unterstützt. Diese setzte sich überwiegend aus jungen Menschen zusammen, aus Vertreter*innen der Kinder- und Jugendhilfe sowie engagierten Einzelpersönlichkeiten aus den diversen Lebenswelten junger Menschen.

Bei unseren Treffen haben wir uns mit den Aktionen und den Zielen des Europäischen Jahres beschäftigt und immer wieder kritisch reflektiert, wo wir stehen und wo es noch hingehen soll. Dabei stand die Frage, was von einem solchen Aktionsjahr langfristig bleiben wird, besonders im Fokus. Dies haben wir sowohl mit Vertretungen der Europäischen Kommission als auch mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments diskutiert.

Die Ergebnisse ihrer Diskussionen zu diesem Thema hat die Stakeholder-Gruppe in einem Empfehlungspapier zusammengefasst. Das Gremium konzentrierte sich dabei auf vier Schwerpunktthemen:

Konkret wird gefordert, junge Menschen und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Alle relevanten Akteur*innen sollten das Recht auf Jugendbeteiligung anerkennen und darauf hinwirken, dass junge Menschen Gesellschaft und Politik als etwas verstehen und erleben, an dem es sich lohnt, aktiv mitzuwirken. Sie wollen, dass die Perspektiven und Interessen junger Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen stärker berücksichtigt werden müssen.

Die Stakeholdergruppe fordert außerdem: Jugendaustauschprogramme müssen stärker finanziert, stärker bekannt und für alle in der EU lebenden jungen Menschen zugänglich gemacht werden - auch für junge Menschen, die keinen europäischen Pass besitzen, aber ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der EU haben. Um auch sozial und strukturell benachteiligten sowie individuell beeinträchtigten jungen Menschen eine Teilnahme zu ermöglichen, braucht es zum Teil neue, innovative Ansätze. Dabei ist es auch wichtig, dass die Austauschprogramme nicht nur zugänglich sind, sondern die Informationen darüber auch wirklich alle jungen Menschen erreichen.

Viele Punkte aus dem Empfehlungspapier können gut und werden zum Teil bereits konkret aufgegriffen und umgesetzt. Als Beispiel seien hier die „Mental Health Coaches“ genannt, ein neues Programm zur Stärkung der mentalen Gesundheit von jungen Menschen an Schulen, das im Sommer an den Start geht.

Was bleibt? Was kommt? – Eine Bilanz

Festzustellen ist, dass das Europäische Jahr der Jugend zu verstärkten Aktivitäten geführt hat. So haben bspw. Jugendverbände vermehrt Dialoganfragen von politischer Seite erhalten. Dies konnte dazu genutzt werden, (bestehende) Positionen und Perspektiven von jungen Menschen und zivilgesellschaftlichen Jugendstrukturen herauszustellen und zu kommunizieren.

Allerdings weist die Stakeholder-Gruppe auch darauf hin, dass das Europäische Jahr der Jugend ihrer Einschätzung nach hinter seinen Potenzialen zurückgeblieben ist. Einer der Gründe hierfür war die sehr kurze Zeitspanne zwischen der Ankündigung des Aktionsjahres im September 2021 und dem offiziellen Start am 1. Januar 2022. Für eine sorgfältige Konzeptionierung und Planung von Vorhaben und Aktivitäten, die alle relevanten Akteure einbezieht und auch junge Menschen anspricht, die bislang nicht oder nur wenig erreicht werden, ist deutlich mehr Vorlaufzeit notwendig.

Trotz vielfältiger Bestrebungen und einer Kommunikation über verschiedene direkte und indirekte Kanäle ist es in einem großen Land wie Deutschland zudem eine Herausforderung, junge Menschen unterschiedlicher Bildungsschichten und Lebenswelten vor Ort zu erreichen. Eines steht fest: Ein einzelnes Europäisches Jahr ist hierfür nicht ausreichend!

Mit meinen Kolleg*innen der EU-Mitgliedsstaaten bin ich einer Meinung, dass das Europäische Jahr der Jugend ein zusätzlicher Impuls für einen langfristigen Prozess der weiteren Stärkung des Empowerments und der Beteiligung von jungen Menschen in Europa sein muss. Seit Langem setzen wir uns dafür ein, die Meinungen, Ideen und Perspektiven junger Menschen stetig und ressortübergreifend zu beachten und in das eigene Handeln einzubeziehen. Mit dem Rückenwind des Europäischen Jahres der Jugend werden wir jugendpolitische Kernthemen und -ideen in Deutschland und auf EU-Ebene weiterverfolgen und mit den laufenden, längerfristigen Prozessen verbinden. Zu diesen zählen auf Bundesebene u. a. der Nationale Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung zur Weiterentwicklung der Jugendstrategie der Bundesregierung, das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit, das Bündnis für die junge Generation sowie auf europäischer Ebene die Umsetzung der EU-Jugendstrategie.

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