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Fachkräfteinitiative.International

„Internationalisierung fasziniert“

Thema bleibt bei IJAB

Drei Jahre Projektlaufzeit mit 26 erfolgreichen Projekten, mehr Jugendbeteiligung und mehr internationaler Ausrichtung von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe – das war die Bilanz der Fachtagung „Time to reflect!“ zur Fachkräfteinitiative.International. Am 25. und 26. Oktober 2023 waren Vertreter*innen der Projekte, Begleitforschung und Initiator*innen der Initiative in Bonn zusammengekommen, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Internationalisierung der Kinder- und Jugendhilfe war dabei das zentrale Thema.

08.11.2023 / Christian Herrmann, Kerstin Giebel, Christoph Bruners

In den vergangenen drei Jahren ist viel passiert. IJAB-Direktor Daniel Poli ließ bei der Abschlussveranstaltung der Fachkräfteinitiative.International die wesentlichen Ereignisse nochmal Revue passieren. 26 Projekte waren an den Start gegangen, um ihre Organisationen internationaler aufzustellen. Mit so viel Resonanz hatten die Initiator*innen bei IJAB und im Bundesjugendministerium nicht gerechnet. Trotz Pandemie gelang es, das Ziel Internationalisierung im Auge zu behalten. Fast alle Projekte konnten erfolgreich abgeschlossen werden. Auf dem Weg dahin lagen zentrale Meilensteine der Fachkräfteinitiative, von denen alle Akteure profitieren konnten: eine digitale Kick-off-Veranstaltung, eine Zwischentagung, ein Jugend-Zukunfts-Camp, eine internationale Fachkräftewerkstatt. Darüber hinaus trafen sich einmal jährlich Unterstützer*innen aus unterschiedlichen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe beim Interaktionsforum; unter ihnen vor allem die Fach- und Förderstellen für Internationale und europäische Jugendarbeit, aber auch die Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen.

Albert Klein-Reinhardt, Referent im Bundesjugendministerium, wies darauf hin, dass die Initiative aufgrund der internationalen Entwicklungen in Russland und Israel an Bedeutung gewonnen hat. Die zunehmenden Herausforderungen in Bezug auf Rassismus und Antisemitismus erfordern verstärkte internationale Begegnungen, den Austausch von Ideen sowie internationales und europäisches Denken und Handeln seitens der Träger der Kinder- und Jugendhilfe. In diesem Zusammenhang wurde die Internationale Jugendarbeit als relevant für den Aufbau und die Stärkung einer demokratischen Gesellschaft angesehen. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Terror der Hamas gegen Menschen in Israel haben das Arbeitsfeld der Internationalen Jugendarbeit hart getroffen. Im Zuge der allgemeinen Kürzungen des Bundeshaushalts ist auch der Kinder- und Jugendplan des Bundes betroffen, allerdings nicht die Internationale Jugendarbeit, betonte Klein-Reinhardt.

Erfolgreich trotz schwieriger Rahmenbedingungen

„Es waren keine einfachen Rahmenbedingungen“, stellte Moderatorin Sandra Kleideiter fest. Umso erfreulicher sei es, dass die Ziele der Fachkräfteinitiative.International erreicht worden sind. Während der Abschlussveranstaltung hat sie mit den Teilnehmer*innen „Schätze gehoben“. Sie wollte wissen, inwieweit die Internationalisierung in den beteiligten Organisationen etabliert werden konnte, wie junge Menschen beteiligt wurden und welche Bedeutung die Partnerstrukturen in den Projektumsetzungen hatten. Zeit zum Nachdenken also oder „Time to reflect!“, wie es im Tagungsprogramm hieß.

Dabei gab es viel Bemerkenswertes zu hören. Die Pandemie führte dazu, dass neue Online-Formate etabliert wurden. Da sie zumeist kürzer und niederschwelliger ausfielen, konnten neue Zielgruppen erschlossen werden. „Wir bekommen heute ganz andere Jugendliche als vor Corona“, sagte ein Teilnehmer aus Baden-Württemberg. „Beteiligung ist eine Form der Wertschätzung“, stellte eine Teilnehmerin fest, „und junge Menschen spüren das. Dabei ist es wichtig, dass wir nicht nur zuhören, Beteiligung muss auch Wirkung zeigen“. „Internationalisierung fasziniert“, stellte ein anderer Teilnehmer fest, „wir beleuchten heute alles, was wir machen, unter internationalen Aspekten und überlegen, was wir einbringen können. Wir sind endlich diverser geworden“. Viele Projekte standen vor der Aufgabe für die Umsetzung ihrer Projektvorhaben/Ziele Partnernetzwerke aufzubauen – international, aber auch vor Ort. Gerade diese lokalen Netzwerke haben über die Projektlaufzeit hinaus Bestand. Eine Erkenntnis dabei: „Mit unterschiedlichen Partnern erreicht man unterschiedliche Zielgruppen“.

Raus aus der „Verinselung“

Einer der Schätze der Fachkräfteinitiative.International ist zweifelsohne die wissenschaftliche Begleitung durch das Team des Instituts für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. Dr. Agnetha Bartels und Dr. Senka Karic stellten die wesentlichen Erkenntnisse vor und beschrieben sich daraus ergebende Herausforderungen. Bei ihrer Befragung von Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe haben sie eine „Verinselung“ der Internationalen Jugendarbeit ausgemacht. Zwar würden internationale und europäische Themen durchweg positiv bewertet, in der Organisationskultur der Träger finden sie sich aber nicht wieder. Lediglich im Arbeitsfeld der Jugendarbeit seien sie anzutreffen, also dort, wo Internationale Jugendarbeit auch gesetzlich verankert ist. Zudem seien viele Träger wenig divers und entfernen sich dadurch von der Lebenswelt ihrer Adressat*innen. Als Gründe, warum die Internationalisierung schwerlich vorankomme, seien in allen Interviews immer wieder die zu geringen Ressourcen genannt worden: zu wenig Geld, Zeit und Personal. Auch was unter Internationalisierung zu verstehen sei, unterliege oft einer verkürzten Vorstellung: So reduzieren manche Fachkräfte das Anliegen auf die Ermöglichung einer Auslandserfahrung. Um die Kinder- und Jugendhilfe zukunftsfähig zu machen, müssten Organisationen und Netzwerke aber insgesamt europäischer und internationaler ausgerichtet werden. Was das genau bedeutet, darüber wünschen sich Bartels und Karic eine tiefere Diskussion. Prof. Wolfgang Schröer forderte gar einen „prominenten Prozess in allen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe“.

Schätze bewahren und in die Breite tragen

IJAB befasst sich schon länger mit dem Thema und unterstützt auf vielfältige Weise Internationalisierungsvorhaben – über Beratungen und Coachings, Vorträge, Fachkräftewerkstätten, Leitfäden und andere methodische Tools. Nach Abschluss der Initiative gilt es nun, die gehobenen Schätze rund um das Thema „Internationalisierung“ zu bewahren und in die Breite zu tragen. Zu diesem Zweck wird gerade ein Kurzfilm produziert, der Interessierten Mut machen soll, in das Thema einzusteigen. Vor diesem Hintergrund mag zwar das Projekt Fachkräfteinitiative.International mit seinen 26 Einzelprojekten abgeschlossen sein, das Thema Internationalisierung bleibt aber im jugendpolitischen Raum. Albert Klein-Reinhardt und Daniel Poli wiesen in ihren Schlusskommentaren auf diesen Umstand hin. Von einem „Ende“ wollten daher beide nicht sprechen.

INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0
Dieses Werk ist lizenziert unter einer INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0 Lizenz.
Skulptur 'Body of Knowledge' auf dem Campus Westend der Goethe-Universität in Frankfurt/Main
Über die Fachkräfteinitiative.International

Die Fachkräfteinitiative.International unterstützt Fachkräfte und Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe dabei, ihre interkulturellen und internationalen Kompetenzen zu stärken. Jugendliche werden aktiv in diesen Prozess eingebunden.

Vier Uhren mit unterschiedlichen Uhrzeiten
Über die Internationalisierung

Die Kinder- und Jugendhilfe mit ihren Fachkräften und Strukturen muss sich auf die wachsende Bedeutung grenzüberschreitender Lernerfahrungen einstellen.