Eine große Menge von Menschen sitzt in einem Hörsal und hört einem Redner zu Eine große Menge von Menschen sitzt in einem Hörsal und hört einem Redner zu
4. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit – Eröffnungsveranstaltung
Jugendpolitik

Jugendarbeit matters

4. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit

1.700 Teilnehmende, 81 Sessions, 38 Foren und einiges mehr – der 4. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit, der vom 16. bis 18. September in Potsdam stattfand, beeindruckte schon durch seine schiere Größe. Die Veranstalter hatten dem Kongress bewusst kein Motto gegeben, wie sie bei der Eröffnung betonten, um Vielfalt und Heterogenität deutlich zu machen. Und dennoch gab es ein Thema, das sich durch die vielen Veranstaltungen wie ein roter Faden zog: Demokratieförderung und politische Jugendbildung.

22.09.2024 / Christian Herrmann

Das mag auch am Standort des Kongresses liegen. Neben der TU-Dortmund als Hauptveranstalter und dem BMFSFJ als Hauptfördermittelgeber, waren die  Stadt Potsdam und das Land Brandenburg Mitveranstalter – und dort wurde am darauffolgenden Wochenende gewählt. Wie schon bei den vorangegangenen Wahlen in Sachsen und Thüringen hatte die AfD gute Aussichten als stärkste Partei aus den Landtagswahlen hervorzugehen und angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs den Landesjugendring Brandenburg aufzulösen. Der brandenburgische Jugendminister Steffen Freiberg wies zu Beginn des ersten Kongresstages sehr eindringlich auf diesen Angriff hin. Immer mehr Fachkräften in der Kinder- und Jugendarbeit wird klar, dass sie nicht mehr unpolitisch agieren können. Das liegt nicht nur am Druck von außen, auch Kinder und Jugendliche selbst werden zunehmend anfällig für Rassismus. Das Thema Migration hat bei vielen von ihnen das Thema Klimawandel abgelöst. Bei den U16-Wahlen in Brandenburg erreichte die AfD 29,7% der Stimmen, bei den Landtagswahlen selber wählten 31% der 16-24-Jährigen die AfD. 

„Jugendarbeit matters“

Prof. Dr. Wolfgang Schröer von der Universität Hildesheim sah in seiner Keynote die mangelnde Infrastruktur der Kinder- und Jugendarbeit als eine der Ursachen für diese Entwicklung. Er bemühte das Bild einer nicht sichtbaren Infrastruktur, wie etwa die Abwasserkanalisation, die man auch erst dann bemerke, wenn sie nicht mehr funktioniert. „Jugendarbeit matters“, betonte er. Kinder und Jugendliche brauchen mehr Freiräume, in denen sie diskriminierungsfrei zusammenkommen können und in denen sie auch Beteiligung erleben können. Die Gründe für diese mangelnden Ressourcen machte Schröer in der demografischen Entwicklung aus. Junge Menschen werden zunehmend zu einer Minderheit, der Politik zu wenig Beachtung schenke. Sie brauchen Mechanismen für Minderheitenrechte. Die stärkere Mitsprache und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft, aber auch in der Kinder- und Jugendarbeit selbst, gehörte zu den Kernbotschaften der Bundeskongresses in Sachen Demokratieförderung.

Internationale Jugendarbeit stark vertreten

Die Internationale Jugendarbeit ist ein Arbeitsfeld, das wie kaum ein anderes innerhalb der Kinder- und Jugendarbeit durch den Wunsch nach diskriminierungsfreiem Miteinander und Austausch auf Augenhöhe geprägt ist. Es ist gewissermaßen ihr „Markenkern“. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum in vielen Fachveranstaltungen des Bundeskongresses diesem „Arbeitsfeld innerhalb des Arbeitsfelds“ mehr Beachtung geschenkt wurde als in vergleichbaren Veranstaltungen der Vergangenheit. Bereits ein Blick auf den „Park der Möglichkeiten“ mit seinen zahlreichen Informationsständen zeigte, welches Gewicht die Internationale Jugendarbeit inzwischen hat. Die Stände von IJAB, JUGEND für Europa, der bilateralen Jugendwerke und Förderstellen, aber auch kleinerer, spezialisierter Anbieter, reihten sich dort aneinander. Der Stand von IJAB traf auf großes Interesse – die Länderfachprogramme ebenso wie die Angebote zur Qualifizierung und Information. Immer wieder war auch der Wunsch zu hören, selbst internationale Projekte durchzuführen – gepaart mit den bekannten Problemen von Personalressourcen und mangelnder Unterstützung durch die Leitung.

Trägerstrukturen müssen erhalten bleiben

IJAB bestritt, meist gemeinsam mit Partnern, 7 eigene Veranstaltungen. Thematisiert wurden Jugendarmut und die Potenziale Internationale Jugendarbeit, die Digitalisierung des internationalen Austauschs, Nachhaltigkeit, die Vernetzung Internationaler Jugendarbeit und die UN-Resolution 2250 zu Jugend, Frieden und Sicherheit. In einer gemeinsamen Veranstaltung mit JUGEND für Europa sowie den anderen Fach- und Förderstellen (ConAct, DFJW, DGJW, DPJW, DTJB, SDRJA, Tandem) stand die Demokratieförderung durch Internationale Jugendarbeit im Mittelpunkt. Prof. Dr. Andreas Thimmel von der TH Köln mahnte einerseits zu Bescheidenheit, rief aber auch zu Selbstbewusstsein auf. Internationale Jugendarbeit könne keine Kriege verhindern, sei sie aber ein wichtiger Beitrag zu Respekt und Gleichwertigkeit in einer ungleichen Welt – vorausgesetzt Trägerstrukturen und Förderung würden nicht zurückgefahren.

Der Erhalt der Trägerstrukturen als wichtige Voraussetzung zur Verteidigung der Demokratie war auch IJAB-Direktor Daniel Poli ein wichtiges Anliegen. Angesichts kommender Wahlen könne ohne starke, demokratisch verfasste Trägerstrukturen schnell „Schluss mit lustig“ sein. Frauke Muth von JUGEND für Europa forderte dazu aber auch eine kritische Selbstreflektion von Trägern ein. „Wir verraten unsere gemeinsamen europäischen Werte, wenn wir glauben, nur Fußballspielen reicht schon im Austausch“, sagte sie. Kinder- und Jugendarbeit – auch die Internationale Jugendarbeit – müssen angesichts der vielfältiger Krisen wieder politischer werden. Das war eine Forderung, die immer wieder zu hören war und sie ist wahrscheinlich die zentrale Aussage des Bundeskongresses.

INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0
Dieses Werk ist lizenziert unter einer INT 4.0 – Namensnennung CC BY 4.0 Lizenz.
Eine junge Frau hebt die Hand.
Über Jugendpolitik

IJAB beobachtet u.a. die jugendpolitischen Entwicklungen in Europa und der Welt und informiert über Interessantes.

Ein junger Mann spricht in ein Mikrofon
Über Demokratie und Menschenrechte

Internationale Jugendarbeit und jugendpolitische Zusammenarbeit versteht IJAB als Beitrag zur Entwicklung einer starken Zivilgesellschaft und zur Förderung eines demokratischen Gemeinwesens.