Fünf Menschen stehen auf einem Podium und sprechen miteinander. Fünf Menschen stehen auf einem Podium und sprechen miteinander.
Jugendbeteiligung

Jugend, Frieden und Sicherheit

UN-Resolution 2250 und ihre Bedeutung für die Jugendarbeit

Es sind Zeiten multipler Krisen und Russlands Angriff auf die Ukraine hat den Krieg auch in die Mitte Europas gebracht. Fragen, Unsicherheiten und Ängste, die für viele junge Europäer*innen lange Zeit als „fern“ galten, sind jetzt allgegenwärtig. Die Resolution 2250 des UN-Sicherheitsrats gewinnt dadurch auch in Europa zunehmend an Bedeutung: Sie erkennt die positive Rolle junger Menschen für Frieden und Sicherheit an. IJAB und die Deutsche Koalition für Jugend, Frieden und Sicherheit brachten beim 4. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit das Thema auf den Tisch und fragten, welche Rolle die Internationale Jugendarbeit einnehmen kann.

09.10.2024 / Natali Petala-Weber

Nach mehrjährigen Bemühungen von über 11.000 jungen Menschen aus mehr als 110 Ländern verabschiedete der UN-Sicherheitsrat 2015 unter Generalsekretär Ban Ki-moon einstimmig ein historisches Dokument: die Resolution 2250 über Jugend, Frieden und Sicherheit (UNSCR 2250). In dieser erkennen die Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsstaaten die positive Rolle junger Menschen für den internationalen Frieden und die Sicherheit an. Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, jungen Menschen mehr Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene einzuräumen sowie die Einrichtung von Mechanismen einzuleiten, die ihnen eine sinnvolle Beteiligung an Friedensprozessen ermöglichen.

Deutsche Koalition für Jugend, Frieden und Sicherheit

In Deutschland gibt es einen Zusammenschluss von jungen Menschen mit langjähriger Erfahrung in Jugendverbänden und internationalen Ehrenämtern, die sich für Friedensförderung und Sicherheit einsetzen: die German Coalition on Youth, Peace and Security. Sie fordert die Beteiligung von jungen Menschen an Entscheidungsfindungsprozessen bei Fragen des Friedens und der Sicherheit – dies geht Hand-in-Hand mit der Umsetzung der UNSCR 2250 auf nationaler Ebene. Als Vorständin der German Coalition on YPS und Co-Vorsitzende des Y7-Summits 2022 wurde Dr. Carolina Claus eingeladen, das Thema auf die Agenda des 4. Bundeskongresses Kinder- und Jugendarbeit zu setzen und unseren Blick auf das transformative Potential von Jugend in Kriegen und Konflikten zu lenken.

Aktive Friedensgestalter*innen auf Augenhöhe

Till Veerbeck-Stroetmann und Felix Bender von IJAB sowie Carolina Claus war es bei der Vorbereitung besonders wichtig dafür zu sorgen, dass ein gemeinsames Verständnis für die Rolle von jungen Menschen in Bezug auf Frieden und Sicherheit hergestellt wird – denn zu dieser Thematik ist aktuell noch wenig bekannt. Die Rolle von jungen Menschen ist durchaus komplexer, als sie im öffentlichen Diskurs – einhergehend mit Stereotypen – präsentiert wird. Nicht als Täter oder Treibende von bewaffneten Konflikten und auch nicht als Opfer wollen YPS-Akteur*innen wie Carolina die Rolle von jungen Menschen in Friedens- und Sicherheitsprozessen besprechen. Junge Menschen sind aktive Friedensgestalter*innen und unverzichtbar für die Friedenssicherung.

Mit der Jugend, Frieden und Sicherheits-Agenda wird im Verständnis über die Rolle von jungen Menschen seit nun knapp 10 Jahren ein Wandel markiert (s. YPS-Agenda). Sie umfasst die gesamte Arbeit rundum die Stäkung der positiven Rolle junger Menschen in der Gestaltung von nachhaltigem Frieden, die in den UN-Resolutionen 2250 (2015), 2419 (2018) und 2535 (2020) ihre Grundlage findet. Die UNSCR 2250 erkennt diese an und fordert, dass junge Menschen mit den Kompetenzen und Informationen ausgestattet werden, die sie benötigen, um an Friedenssicherungsprozessen mitzuwirken.

We recognize that the full, effective, safe and meaningful participation of youth is critical to maintain and promote international peace and security.

Zukunftspakt der Vereinten Nationen 2024

Das Beispiel Finnland und die Nordic Coalition on Youth, Peace and Security

Eigentlich begann alles in Finnland: Camilla Ojala, Gründungsmitglied der Nordic Coalition on Youth, Peace and Security und Expertin in Sachen Frieden und Sicherheit, stellte in ihrer Keynote „Potential of Youth, Peace and Security – YPS in Finnland and the Nordics“ beim 4. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit die nationale Implementierung der YPS-Agenda vor und beschrieb, welche Initiativen die Nordic Coalition on YPS selbst umsetzt und welche Schritte aus ihrer Sicht unternommen werden müssen. Es waren junge YPS-Akeur*innen aus Finnland, die 2011 ihre Forderungen auf UN-Ebene brachten, berichtet Camilla.

Finnland ging dann mit gutem Beispiel voran: 2018 war es der erste UN-Mitgliedstaat, der ankündigte, an einem National Aktionsplan zu Jugend, Frieden und Sicherheit (2021-2024)zu arbeiten – und das in enger Zusammenarbeit zwischen Jugendvertreter*innen und dem Auswärtigen Amt in Finnland. Dieser orientiert sich an den fünf Schlüsselprioritäten der UNSCR 2250: Partizipation, Schutz, Prävention, Partnerschaftlichkeit sowie Ausstieg, Abrüstung und Wiedereingliederung.

Zusammenarbeit ist hier besonders wichtig: Dafür bietet die YPS-Agenda einen gemeinsamen Rahmen und ein gemeinsames Netzwerk. Aus diesem Grund hat sich auch die Nordic Coalition on YPS aufgestellt – sie ist das Ergebnis des ersten Nordischen Jugendforums zu YPS, das vom 22. bis zum 24. September 2023 in Helsinki in Kooperation der UN-Jugend Finnland, der UN-Studierendenvereinigung von Norwegen und den Nationalen Kinder- und Jugendring von Schweden stattfand.

Der Blick nach Deutschland

Die YPS-Agenda ist notwendig und geboten – unabhängig von akuten bewaffneten Konflikten. Aus diesem Grund richteten die Teilnehmenden am 4. Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit nach den Keynotes den Blick auf Deutschland und diskutierten unter anderem, welche Bedingungen es braucht, um die UN-Resolution 2250 effektiv in Deutschland zu implementieren. Welcher Beitrag kann hier zu demokratischer Teilhabe und nicht zuletzt der Resilienz von Demokratie(n) geleistet werden? Gibt es Bemühungen um einen Nationalen Aktionsplan auch in Deutschland? Konkrete Pläne gibt es laut Marthe Hanik, Referentin im Auswärtigen Amt (AA), aktuell nicht – dennoch sei das Thema sehr wichtig. Aus diesem Grund entsendet das AA UN-Jugenddelegierte und setzt flankierende Veranstaltungen zum UN-Zukunftsgipfel um. Deutschland kandidiert außerdem erneut für die Sicherheitskonferenz 2027-2028 und da wird YPS eine zentrale Rolle spiele laut Marthe Hanik.

Alina Reize ist eine von den jungen Delegierten zur UN-Generalversammlung (über die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, DGVN), die in den letzten Wochen sehr viel Austausch mit dem Auswärtigen Amt zum Thema YPS hatte. Ganz zufrieden zeigt sie sich aber nicht mit der aktuellen Situation: „Wenn Jugend auf der Agenda steht, werden wir eingeladen, aber ansonsten nicht so gerne…“, äußert sie und fragt, warum junge Menschen zum Beispiel nicht auch am Sicherheitsrat beteiligt werden bzw. wenn es darum geht, eine nationale Sicherheitsstrategie zu entwickeln. Für Alina ist es ganz klar: „Die Marginalisierung von jungen Menschen widerspricht dem Gedanken der Friedenssicherung“.

Die jungen YPS-Akteur*innen sind sich einig: Die Beteiligung von jungen Menschen bei Themen, die sie betreffen, muss kontinuierlich sein, und nicht nur für den Augenblick, wenn „Jugend“ auf der Agenda steht. „Jugend, Frieden und Sicherheit muss in die Breite gehen und in die Breite gehen können“ – so Alina Reize. Dazu braucht es Infrastruktur, „Institutionalisierung“ wie Carolina fordert in ihrem Beitrag „Youth, Peace & Security. Young People as Drivers of Change & Agents of Peace“ in NATO Women, Peace and Security Bulletin (2013).

Lokale Friedensarbeit auf die Weltbühne tragen

Judith Böckle, Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands e. V. (KLJB) machte auf dem Podium darauf aufmerksam, dass vielleicht nicht alle 70.000 Mitglieder ihrer Organisation die Resolution 2250 kennen, aber bereits sehr viel Friedensarbeit leisten; auf den ersten Blick ist das auf der großen weiten UN-Ebene vielleicht nicht als friedenssichernd zu sehen, dennoch findet wichtige Friedensarbeit statt. „Da, wo junge Menschen spüren, dass sie wirksam sind, da bleiben sie auch. Die erreicht man dann, aber dafür braucht man Finanzierung“, beschreibt sie die bedeutungsvolle Zusammenarbeit der KLJB. Ja, ‚Gesehen werden‘ – das brauchen junge Peacemaker*innen. Die Sichtbarkeit friedenstiftender Aktionen muss gestärkt werden. Eine nationale Agenda für Jugend, Frieden und Sicherheit könnte dazu beitragen, das Engagement zu bündeln und nach oben zu tragen – von lokal auf die weite Weltbühne.

Die Zukunft von Jugend, Frieden und Sicherheit: Der UN-Zukunftspakt

Nur wenige Tage nach dem Bundeskongress in Potsdam fand in der New York der Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen statt. Im dort am 22. September 2024 verabschiedeten Zukunftspakt wurden unter Kapitel 2 zu Frieden und Sicherheit in Aktion 20 die in der UNSCR 2250 festgehaltenen Vereinbarungen bekräftigt: „Wir werden die Umsetzung unserer Verpflichtungen in den Bereichen Jugend, Frieden und Sicherheit beschleunigen“, heißt es dort. UN-Generalsekretär Guterres verpflichtet sich darin unter anderem zum Ende der 80. UN-Generalversammlung in 2025 den zweiten unabhängigen Fortschrittsbericht zu Jugend, Frieden und Sicherheit vorzulegen.1

IJAB bleibt am Thema Youth, Peace and Security dran, auch weil 2025 vor der Tür steht: Rund um den 8. Mai 2025, dem 80. Jahrestag der Kapitulation, wird IJAB gemeinsam mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk und den anderen bilateralen Förderstellen junge Menschen aus Europa zusammenführen, um unter anderem darüber zu sprechen, wie die Internationale Jugendarbeit dazu beitragen kann, dass die Rolle von jungen Menschen als Friedensakteur*innen gestärkt wird.

1 Der erste und letzte Fortschrittsbericht unter dem Titel „The missing Peace: Independent Progress Study on Youth, Peace and Security“ ist 2018 erschienen: https://www.youth4peace.info/ProgressStudy.

Eine junge Frau spricht in ein Megafon, andere hören ihr zu.
Über Jugendbeteiligung

Jugendliche sollen ihre Meinung äußern und bei politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungen, die ihr Lebensumfeld betreffen, mitbestimmen dürfen.