Liliia und Natalya Liliia und Natalya
Liliia und Natalya sind Langzeitfreiwillige im Büro von SCI, Bonn
Interview

Bleibt zu Hause, aber bleibt in Verbindung

Nachdenken über Alternativen

Internationale Jugendarbeit ermöglicht jungen Menschen Begegnung über Ländergrenzen hinweg. In Zeiten von Social Distancing und geschlossenen Grenzen ist das nicht mehr möglich und niemand weiß, wie lange dieser Zustand andauern wird. Geht wirklich nichts mehr? Liliia und Natalya, Langzeitfreiwillige bei Service Civil International in Bonn, haben sich Gedanken gemacht.

30.03.2020 / Christian Herrmann

ijab.de: Wie lange seid ihr jetzt schon in Deutschland?

Natalya: Wir sind gemeinsam am 8. März aus Kyjiw angekommen, haben unseren Freiwilligendienst also gerade erst begonnen.

ijab.de: Die ukrainische Regierung hat die Grenzen geschlossen – bald auch für die eigenen Staatsbürger. Habt ihr keine Angst, für lange Zeit nicht nach Hause zu können?

Liliia: Wir haben unseren Freiwilligendienst ziemlich lange im Voraus geplant und wollen ihn jetzt auch machen. Vielleicht ist es sogar besser hier zu sein. Die Arbeit hier ist durch den Coronavirus natürlich nicht so, wie ursprünglich geplant, aber wir versuchen das Beste daraus zu machen.

ijab.de: Was genau macht ihr?

Liliia: Wir unterstützen die Büroarbeit und bereiten Workcamps vor. Ich helfe auch dabei, die Freiwilligen, die nach Deutschland kommen wollen, auszusuchen. Außerdem unterstützen wir die Öffentlichkeitsarbeit von SCI.

Natalya: Ich habe dieselben Aufgaben, kümmere mich aber um die deutschen Freiwilligen, die ins Ausland möchten. Bisher sind keine Workcamps abgesagt, nur verschoben. Aber wir denken natürlich darüber nach, was wir anbieten können, wenn Workcamps abgesagt werden müssen. Wir brauchen Alternativen – das könnten zum Beispiel digitale Workcamps sein.

ijab.de: Wie können wir uns ein digitales Workcamp vorstellen? Gewöhnlicherweise bedeutet ein Workcamp ja physische Arbeit.

Liliia: Ein ganz wichtiges Element eines Workcamps ist doch, dass die Leute zusammenkommen und sich austauschen können. Dafür gibt es inzwischen ganz gute Tools, Zoom zum Beispiel. Außerdem gibt es ganz verschiedene Themen für Workcamps.

Natalya: Ja, genau. Ein gutes Beispiel ist Nachhaltigkeit. Wir haben alle irgendwelche alten Sachen zu Hause. Man muss sie nicht wegschmeißen, wir können stattdessen gemeinsam überlegen, wofür sie verwendbar sind, was man aus ihnen machen könnte. Solche Überlegungen kann man gut online anstellen. Dabei entsteht Wissen, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihre Communities mitnehmen und dort zur Anwendung bringen können.

ijab.de: Was für Themen fallen euch noch ein?

Liliia: Wir lernen gerade ziemlich viel über Data-Mining, also über die Gewinnung von Wissen aus bereits vorhandenen Daten. Wie können wir mit Daten und Medien umgehen und daraus gemeinsame Aktivitäten entwickeln? Ein einfaches Beispiel sind Wikipedia-Beiträge, an denen man gemeinsam arbeiten kann. Wir schätzen, dass wir die Hälfte der Themen von Workcamps auch digital und online bearbeiten können.

Natalya: Das hängt natürlich nicht nur an uns allein. Wir brauchen Menschen, die solche Ideen mit uns gemeinsam entwickeln und umsetzen. Wer mitmachen möchte, ist höchst willkommen!
Und Digital Workcamps sind natürlich nicht kostenlos, auch wenn manche das glauben. Wir werden dafür finanzielle Mittel brauchen. Für SCI sehen wir jedenfalls eine große Chance, wenn Online-Projekte entwickelt werden. Außerdem wollen wir SCI in den sozialen Medien, vor allem Facebook und Instagram, stärker bewerben.

ijab.de: Was könnte man bewerben, wenn die Aktivität aufgrund der Corona-Pandemie möglicherweise abnimmt?

Liliia: In diesem Jahr wird SCI 100 Jahre alt. In diesen 100 Jahren ist viel erreicht worden und das soll und muss man bewerben. Außerdem gibt es wiederkehrende Jahrestage, wie zum Beispiel den Internationalen Freiwilligentag. Wir denken auch über Serien nach, zum Beispiel das „Zitat des Tages“ oder „interessante Tatsachen“. Wir möchten die Kommunikation aufrechterhalten. Unser Motto ist „Bleibt zu Hause, aber bleibt in Verbindung“.

Natalya: Außerdem möchten wir für ein bisschen gute Laune sorgen. Es hilft ja nichts, wenn alle in Panik verfallen. Es muss weitergehen. Und freiwillig etwas zu tun, das sorgt für gute Laune. Wenn du eine Freiwillige oder ein Freiwilliger bist, dann bist du wichtig. Es kommt auf dich an; das ist fast wie eine chemische Reaktion. Das fühlt sich gut an und das wollen wir den Leuten sagen.