Eine junge Aktivistin über Georgiens europäische Zukunft Eine junge Aktivistin über Georgiens europäische Zukunft
Demokratie und Menschenrechte

Zwischen Protest und Hoffnung

Aktivistin Shorena Vashad über Georgiens europäische Zukunft

Die Proteste in Georgien – unter den Protestierenden sind viele junge Menschen – gehen weiter. In diesem Gespräch erzählt uns die Aktivistin Shorena Vashadze, warum sie sich den Demonstrationen angeschlossen hat, welche Erfahrungen sie dort macht und welche Hoffnungen sie für Georgiens Zukunft hegt. Was treibt sie an? Mit welchen Herausforderungen haben die Aktivist*innen zu kämpfen?

18.03.2025 / K. Wondratschek

IJAB: Bitte stelle dich kurz vor.  

Shorena Vashadze: Ich bin Shorena, eine junge Erwachsene aus Georgien, und lebe zurzeit in der Hauptstadt, aber ich komme ursprünglich aus einer kleinen Bergbaustadt. Ich arbeite im NGO-Sektor und bin aktiv an den laufenden Protesten beteiligt.

IJAB: Warum beteiligst du dich an den Demonstrationen auf den Straßen und was hat dich persönlich motiviert, an den Protesten teilzunehmen?

Shorena Vashadze: Ich glaube, ich habe keine andere Wahl als zu demonstrieren. Meine Ideen, meine Werte und meine Lebensweise zeigen, dass ich Teil dieses Prozesses sein muss. Andernfalls wäre es unmöglich, im Land zu bleiben und so weiterzuleben, als ob nichts geschehen wäre. Ich glaube, dass hier die Zukunft meines Landes und der Demokratie auf dem Spiel steht, und nichts ist wichtiger als der Kampf für eine bessere Zukunft Georgiens. Ich habe mich in den vergangenen Jahren aktiv an allen Protesten beteiligt und werde meinen persönlichen Kampf fortsetzen, solange wir können.

IJAB: Was sind die Hauptforderungen der jungen Demonstranten?

Shorena Vashadze: Ich vermute, dass verschiedene Gruppen unterschiedliche Forderungen stellen, was ihrer Meinung nach das Beste für das Land ist. Aber die meisten von uns sind sich einig, dass wir eine Zukunft wollen, in der die Menschen selbst entscheiden können, ein Land, das nicht mit dem russischen Regime verbunden ist und eine funktionierende Demokratie hat. Wir fordern neue und faire Wahlen und Freiheit für alle politischen Gefangenen, die während der Demonstrationen verhaftet wurden.

IJAB: Wie reagiert die Regierung auf die Proteste? Gibt es Versuche, die Bewegung zu unterdrücken?

Shorena Vashadze: Zurzeit leben wir in einem Polizeistaat, und die Regierung tut ihr Bestes, um die Bewegung zu unterdrücken. Die so genannte Regierung von Georgien arbeitete an verschiedenen Gesetzen, die das Land diktatorischer machten und dafür sorgten, dass die Proteste stark reglementiert wurden. Da der Einsatz von Gewalt, zum Beispiel von Wasserwerfern und Tränengas, die Proteste nicht wirksam eindämmen konnte, werden nun Geldstrafen als Mittel zur Unterdrückung und Einschüchterung von Demonstranten eingesetzt. Diese Bußgelder sind in der Regel zehnmal höher als das Durchschnittsgehalt in Georgien, so dass es für die Menschen fast unmöglich ist, sie ohne finanzielle Unterstützung zu bezahlen. Wir haben auch zahlreiche Fälle von physischen Angriffen auf Demonstrant*innen und Journalist*innen erlebt, sowie Fälle, in denen die Polizei falsche Aussagen machte und das Regime bei der Inhaftierung von immer mehr Menschen unterstützte.

IJAB: Wie groß ist die Unterstützung in der Bevölkerung für die pro-europäische Bewegung?

Shorena Vashadze: Ich denke, die Bewegung ist nicht mehr nur pro-europäisch. Jetzt befindet sich das ganze Land an einem Wendepunkt, und wir müssen nicht nur für eine europäische Zukunft, sondern auch für unsere Demokratie selbst kämpfen.

Jüngste Untersuchungen zeigen, dass 82 % der Bevölkerung glauben, dass wir uns in einer politischen Krise befinden, und 77,8 % davon halten den “Georgian Dream” dafür verantwortlich.

Unterdessen lehnen 67,1 % die Erklärung von Kobakhidze vom 28. November ab. Von diesen 67,1% lehnen fast die Hälfte des Landes die Erklärung entschieden ab.

Fast 60 % der Menschen unterstützen die Proteste. 45 % von diesen 60% unterstützen die Proteste in sehr hohem Maße.

IJAB: Gibt es junge Menschen in Georgien, die noch skeptisch gegenüber einer Annäherung an Europa sind? Warum, denkst du, ist das so?

Shorena Vashadze: Im Moment ist es schwer vorstellbar, dass wir Teil der EU sind, da wir noch einen langen Weg vor uns haben. Aber der Großteil des Landes träumt von dem Tag, an dem dies Realität wird.

IJAB: Was sind deine Hoffnungen und Erwartungen für Georgien in den nächsten Jahren?

Shorena Vashadze: Ein Land, in dem die Stimme jedes Einzelnen gehört wird, in dem die Menschen solidarisch miteinander umgehen und Zugang zu allen Grundbedürfnissen haben. Ein Land, das demokratisch ist, in dem der Einzelne geschätzt wird und in dem es Gemeinschaften gibt, die sich gegenseitig stärken und die Machthaber ständig zur Rechenschaft ziehen.

IJAB: Vielen Dank.

Ein junger Mann spricht in ein Mikrofon
Über Demokratie und Menschenrechte

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