Ein Jahr ist seit dem Euromaidan vergangen. Nach Monaten zivilen Ungehorsams und zwei Tagen blutiger Auseinandersetzungen mit über 100 Toten flüchtete am 21. Februar 2014 der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch. Das ukrainische Parlament machte daraufhin den Weg für eine demokratische Erneuerung und eine Hinwendung zu Europa frei. Mit Europa verbinden viele Ukrainer/-innen Rechtssicherheit, Korruptionsbekämpfung, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. „Es ist schon erstaunlich, dass es Ukrainer sind, die uns zeigen, wofür die Idee „Europa“ in der Welt steht“, sagt Klaus Waiditschka, der seit Jahren den Jugendaustausch zwischen Fürstenwalde und der Ukraine initiiert.
Seit den schicksalhaften Tagen im Februar 2014 ist die Ukraine nicht aus den Schlagzeilen verschwunden – die Krim wurde von Russland annektiert, im Osten des Landes herrscht Krieg. Der Krieg ist sicher einer der Gründe, warum die deutsche Zivilgesellschaft bisher noch nicht in die Ukraine aufgebrochen ist. Ein weiterer Grund liegt in den geringen Kenntnissen über Osteuropa, seine Geschichte und Traditionen. Der Osten des Kontinents ist vielen schlicht „fremd“ – mit der Folge, dass wir leicht geneigt sind, die Ereignisse des letzten Jahres als „geopolitische Auseinandersetzung“ wahrzunehmen – ohne in den Ukrainer(inne)n Menschen zu sehen, die frei von äußerer Einflussnahme selbstbestimmt handeln und sich eine bessere Zukunft wünschen.
Gerade die Internationale Jugendarbeit könnte Brücken bauen zwischen Deutschland, Europa und der Ukraine. Es waren die jungen Leute, die in einer unabhängigen Ukraine und ohne sowjetische Prägung aufgewachsen sind, zuerst gegen die Regierung Janukowitsch aufstanden, als der damalige Präsident plötzlich und ohne weitere Erklärung die Verhandlungen über die Ratifizierung eines Assoziierungsabkommens mit der EU für beendet erklärte. Von ihnen können wir etwas über Courage beim Einsatz für Demokratie, Bürgerrechte und europäische Werte lernen. Und – um noch einmal Klaus Waiditschka zu zitieren – „wir könnten lernen, dass Europa nicht an den Grenzen der EU endet.“ Nicht zuletzt könnte Internationale Jugendarbeit einen Beitrag zur Unterstützung und Stärkung der ukrainischen Zivilgesellschaft leisten. Es war die Zivilgesellschaft, die den Euromaidan möglich gemacht hat, und sie wird weiterhin gebraucht. Der Krieg im Osten des Landes verbraucht die knappen Ressourcen der Ukraine, absorbiert die gesamte Aufmerksamkeit von Politik, Bürger(inne)n und Medien und sorgt so dafür, dass Reformen nur stockend vorankommen. Demokratie, Bürgerrechte und europäische Werte werden aber nur mit einer starken Zivilgesellschaft verwirklicht werden können.
Ukraine-Special
Fakten und Kontakte
- Länderkundliche Informationen und jugendpolitische Strukturen der Ukraine
- Organisationen mit Erfahrungen im internationalen Austausch mit der Ukraine in Deutschland
- Organisationen mit Erfahrungen im internationalen Austausch in der Ukraine
- Förderhinweise für die internationale Zusammenarbeit mit der Ukraine im außerschulischen Bereich
Zivilgesellschaft
- Interview mit Jurij Sulima: Wie ist die ukrainische Zivilgesellschaft heute aufgestellt und was kann Internationale Jugendarbeit leisten?
- Interview mit Klaus Waiditschka: 6 Jahre Erfahrungen im Jugendaustausch mit der Ukraine und was man daraus lernen kann
- Interview mit Mykola Kuschnir: Das jüdische Museum in Czernowitz ist seit 2010 Aufnahmeorganisation für Langzeitfreiwillige aus Deutschland. Was nützt das dem Museum und was den Freiwilligen?
- Interview mit Janne Katharina: Was für Erfahrungen macht man, wenn man als Freiwillige ein Jahr in die Ukraine geht?
- „Die Bürger sind besorgt über das, was sie zu erwarten haben“ - Interview mit Jenny Spektor, Jugendarbeiterin in Odessa