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Eurodesk

Mit Herzblut: Ausbildung für die Mobilitätsberatung

Extrameilen gehen

Als Eurodesk-Partner in Hamm hat er jahrelang Jugendliche über mögliche Wege ins Ausland beraten, nun baut er die Mobilitätsberatung in Werne auf: IJAB hat Karl Luster-Haggeney um Einblick in den Alltag einer Eurodesk-Dezentrale gebeten und wollte mehr über seinen Weg in die Mobilitätsberatung erfahren.

31.08.2020 / Stephanie Bindzus

IJAB: Herr Luster-Haggeney, wie wird man denn ein Eurodesk-Servicebüro?

Luster-Haggeney: Ich denke, da geht jede Einrichtung ihren eigenen Weg. In unserem Fall war es so, dass wir schon viele Jahre Spaß an allem Interkulturellem wie auch an internationalen Begegnungen hatten. Wir hatten Austauschpartner in Europa, dem Nahen Osten, den USA und China und haben jedes Jahr mindestens ein oder zwei Jugendbegegnungen durchgeführt. Die Leiterin des Nachbarjugendzentrums hatte Kontakt zu einer Eurodesk-Mitarbeiterin und irgendwann war klar, dass wir für unsere Stadt Hamm ein Eurodesk-Servicebüro mit Standorten in unseren beiden Jugendzentren einrichten wollten. So würden wir noch viel mehr Jugendliche informieren und dabei unterstützen können, angesichts der Vielfalt möglicher internationaler Erfahrungen das „richtige“ Format finden zu können. Da es in Nordrhein-Westfalen zu diesem Zeitpunkt erst vier Beratungsstellen gab und unser Einzugsbereich noch nicht abgedeckt war, durften wir diese Lücke schließen. Nach einer Eurodesk-Beraterausbildung eröffneten wir dann mit drei Berater(inne)n das Servicebüro.

IJAB: Das war in Hamm. Mittlerweile sind Sie daran, in Werne die Mobilitätsberatung aufzubauen. Die Mobilitätslots(inn)enschulung wurde aufgrund der derzeitigen Situation erstmals virtuell durchgeführt. Wie lief die Qualifizierung ab und was war Ihr Eindruck?

Luster-Haggeney: Wir haben uns in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Werne überlegt, wie wir trotz der Corona-Situation mit unserer Arbeit einen Mehrwert für die Jugendlichen in Werne schaffen könnten. Ihnen – nach Corona – vor Ort über ein Netzwerk von Mobilitätslots(inn)en qualifiziert zu Auslandserfahrungen verhelfen zu können war ein Punkt und so fragten wir bei Eurodesk nach einer entsprechenden Onlineschulung. Robert Helm-Pleuger vom IJAB-Eurodeskteam Deutschland sagte spontan zu, für uns als Pilotprojekt eine Onlineschulung zu entwickeln. Bereits vier Tage später ging es los. Wir trafen uns über Zoom und nach etwas zähem Beginn wurde die Schulung Stück für Stück interaktiver und machte uns am Ende viel Spaß. Mein Eindruck war, dass disziplinierter gearbeitet und gelernt werden kann, weil man sich zwangsläufig auf das jeweils Gesagte konzentriert. Und wenn man parallel Pizza backen oder an einem Holzregal bauen kann, stört das niemanden, solange man nicht vergisst, nach eigenen Wortbeiträgen das Mikro wieder abzustellen ... Was mir gefehlt hat, ist der persönliche Kontakt und hier vor allem das gemeinsam Pause machen.

IJAB: Sie haben ja bereits viel Beratungserfahrung gesammelt. Wie sieht der Alltag eines Eurodesk-Servicebüros normalerweise aus?

Luster-Haggeney: Auch hier setzt jedes Servicebüro eigene Schwerpunkte. In Hamm gab es vier. Zum einen war es die Beratung junger Menschen und – meistens mindestens genauso wichtig – ihrer besorgten Eltern. Zum anderen erhielten wir Anfragen von Schulen und Jobcentern, die Informationsveranstaltungen für die Zeit nach dem Schulabschluss ausrichteten und ihren Schüler(inne)n den Wert einer internationalen Erfahrung vermitteln wollten. Dabei haben uns nach Möglichkeit ehemalige Teilnehmer/-innen unserer Jugendbegegnungen unterstützt, besonders solche, die inzwischen selbst einen Freiwilligendienst im Ausland oder einen Au-pair-Dienst gemacht hatten und entsprechend lebendig berichten konnten. Seltener waren wir auf Ausbildungsmessen mit einem Stand vertreten. Jeder Außenauftritt hatte in der Regel eine gesteigerte Nachfrage nach Einzelberatung zur Folge. Schließlich haben wir versucht, ein Netzwerk von Eurodesk-Mobilitätslots(inn)en und -Infopunkten in unserer Stadt aufzubauen. Dazu hat Eurodesk in unserem Jugendzentrum eine Mobilitätslots(inn)enschulung durchgeführt. Leider fehlten uns im Anschluss daran die Kapazitäten, mit den ausgebildeten Mobilitätslots(inn)en in regelmäßigem Kontakt zu bleiben und das Beratungsangebot für unsere Stadt weiterzuentwickeln.

Dies war auch über all die Jahre eine ständige Herausforderung, dass wir eine uns ausfüllende Haupttätigkeit als Sozialarbeiter/-innen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit mit internationalem Schwerpunkt hatten und zusätzlich gern als „gutes“ Servicebüro dem vorhandenen Informations- und Beratungsbedarf der Jugendlichen, Eltern und Institutionen gerecht werden wollten. Das Verständnis für diese im Arbeitsalltag nicht selten belastende Situation beim Eurodesk-Team in Bonn und die gewährte Freiheit bei der konkreten Ausgestaltung unserer Arbeit war in all den Jahren wohltuend. Es ging immer um die Sache, an der mit Kreativität und viel Spaß gearbeitet werden durfte. Nicht einmal ging es darum, ein Konzept ohne Rücksicht auf Verluste abzuarbeiten. Das war aus meiner Sicht entscheidend dafür, dass unsere Arbeit tatsächlich nachhaltig wirksam war und wir über die Jahre viele Jugendliche erleben konnten, die aufgrund ihrer Erfahrungen im Ausland persönlich gewachsen sind und nicht selten gänzlich neue Perspektiven für ihr weiteres Leben entwickelt und verwirklicht haben. Genau das war immer wieder eine sehr schöne Erfahrung und hat uns oft motiviert, trotz begrenzter Kapazitäten Extrameilen zu gehen.

IJAB: Mit der Corona-Pandemie erleben wir seit einigen Monaten eine Ausnahmesituation. Naturgemäß ist davon auch die Beratung zu Auslandsaufenthalten betroffen. Vor welchen Herausforderungen stehen die Mobilitätsberater/-innen derzeit?

Luster-Haggeney: Die Größe der Herausforderung hängt von den aktuell gültigen Einschränkungen ab, die die verschiedenen Formen der Beratung (Einzelberatung, Vortrag, Messe) in unterschiedlichem Ausmaß betreffen. Gerade werden sie schrittweise gelockert bzw. sogar aufgehoben, so dass ich hier im Moment keine Schwierigkeiten sehe. Eine konkrete Beratung auch online durchzuführen wäre für uns in Werne und wohl auch für die meisten Jugendlichen und Eltern inzwischen kein Problem. Wie erfolgreich wir auf diesem Wege nicht nur informieren, sondern auch motivieren können, kann ich noch nicht sagen.

Gar nicht abschätzen kann ich, für wieviele Jugendliche und vor allem Eltern ein längerer Auslandsaufenthalt und damit gegebenenfalls auch eine Beratung überhaupt in Frage kommt, weil niemandem klar ist, wie sich die Situation entwickelt. Solange es keine wirksame Behandlung oder Impfung gegen das Virus gibt, werden wir als Mobilitätslots(inn)en wohl nicht viel zu beraten haben. Danach dann im Bereich der Motivation vermutlich umso mehr.

IJAB: Dafür wünschen wir Ihnen natürlich viel Erfolg und danken für das Gespräch!

Kontakt: Karl Luster-Haggeney (Sozialpädagoge Offene Kinder- und Jugendarbeit), Jugendhilfe Werne/Jugendzentrum JuWel, cultures-communication(at)hotmail.de

Dieser Beitrag erschien im IJAB journal 1/2020.

Fachkräftequalifizierung für die Internationale Jugendarbeit
IJAB journal 1/2020
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