Mit einer Auslandserfahrung junger Menschen verbinden wir vor allem positive Wirkungen. Der Blick auf die Welt weitet sich, Vorurteile werden abgebaut, junge Menschen nehmen die Dinge selbst in die Hand und werden ein aktiver Teil der Gesellschaft. Aber leider ist nicht jeder Auslandsaufenthalt eine gute Erfahrung. Internationaler Austausch bringt besondere Rahmenbedingungen mit – das erste Mal ohne die Eltern von zu Hause weg, eine fremde Sprache, unbekannte kulturelle und rechtliche Kontexte, der Aufenthalt in einer Gastfamilie oder die gemeinsame Zeit in einer Gruppe während einer Jugendbegegnung. Umstände also, die von Täter*innen gezielt für sexualisierte Gewalt genutzt werden können. Dagegen könnten Schutz- oder Präventionskonzepte helfen. Jedoch ergab eine Online-Befragung der Universität Kassel für das Verbund- und Transferprojekt „SchutzJu – Schutzkonzepte in der Kinder- und Jugendarbeit & Jugendsozialarbeit“, dass 47 % der befragten Mitarbeitenden der Internationalen Jugendarbeit in ihrer Organisation über kein Schutzkonzept verfügen und 15 % der Befragten nicht wissen, ob ein solches Konzept vorliegt.
Die Gastautor*innen und Interviewpartner*innen, die wir für unser Fokusthema „Internationale Jugendarbeit und sexualisierte Gewalt“ gewinnen konnten, bestätigen leider die Erkenntnisse der Wissenschaft. IJAB ist seit Ende 2021 Praxispartner im Teilprojekt „SchutzJu“, das sich mit der Prävention sexualisierter Gewalt und der Unterstützung bei der Implementierung partizipativer Schutzkonzepte befasst. Im Rahmen dieses Projekts arbeitet IJAB mit über 40 Partnerorganisationen zusammen, um bestehende Schutzkonzepte zu analysieren, weiterzuentwickeln und an die spezifischen Anforderungen der Internationalen Jugendarbeit anzupassen. Einige Ergebnisse möchten wir Ihnen in dieser Ausgabe von beyond vorstellen. Zugleich möchten wir Ihnen Mut machen, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, damit für junge Menschen der Aufenthalt im Ausland eine gute Erfahrung ist und nicht mit einem Trauma endet. Wie sagte eine unserer Interviewpartnerinnen? „Ich schlafe als Geschäftsführerin viel ruhiger, wenn ich weiß, dass das Thema bei uns nicht tabuisiert wird.“
Das Jahresende ist üblicherweise die Zeit für Glückwünsche. Leider lässt uns nicht alles mit Hoffnung ins neue Jahr blicken. Die kommende Bundestagswahl, ein neuer US-Präsident, geringe Fortschritte beim Kampf gegen den Klimawandel, die fortdauernde Aggression Russlands gegen die Ukraine – all dies verunsichert. Aber die Welt steckt nicht nur voller schlechter Nachrichten. Mit unserer neuen Rubrik „Weitwinkel – internationale Perspektiven“ wollen wir den Blick auf Entwicklungen und Ereignisse richten, die unsere Arbeit beeinflussen. In der vorliegenden Ausgabe von beyond nehmen wir Sie mit nach Schweden, zum UN-Zukunftsgipfel und in die Ukraine. Dieses Monitoring internationaler Entwicklungen ist nicht nur wichtig für die Internationale Jugendarbeit, es ermöglicht der gesamten Kinder- und Jugendhilfe eine Blickumkehr, die für unser Arbeitsfeld prägend ist, und damit verbunden Impulse für eine allzu oft selbstbezogene nationale Diskurskultur.
In unserer Rubrik Forschung reisen wir diesmal von Nord nach Süd und von West nach Ost. Wir erhalten Einblicke in die neue Jugendstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Südosteuropa und in partizipative Ansätze bei der Förderung der psychischen Gesundheit junger Menschen in Norwegen und Simbabwe.