Jugendpolitik

Spanischer Jugendbericht 2020

Zum Nachlesen

Das spanische Jugendinstitut INJUVE gibt alle vier Jahre den Jugendbericht heraus. Seit über 30 Jahren sind dort Daten und Informationen zur Situation der Jugendlichen in Spanien nachzulesen. Für die Ausgabe 2020 wurden 6.467 Jugendliche zwischen 15 und 29 Jahren befragt.

28.07.2021 / Susanne Klinzing
Person läuft auf einer Wegbegrenzung hin zum Herkulesturm in La Coruña, Galizien Person läuft auf einer Wegbegrenzung hin zum Herkulesturm in La Coruña, Galizien

Bereits im März 2021 hatte die spanische Regierung ihren Jugendbericht (PDF: 7,9 MB) vorgestellt, der einen allgemeinen Überblick über die Situation junger Spanier*innen auf der Grundlage zuverlässiger und repräsentativer Daten gibt. Diese sollen als Grundlage für die Gestaltung der öffentlichen Jugendpolitik dienen, die aufgrund der Auswirkungen der Pandemie dringender denn je ist.

Um die Lage der Jugend zu erfassen, wurde eine repräsentative Gruppe von 6.467 in Spanien lebenden jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren zu den Bereichen Bildung, Beschäftigung und Emanzipation, zu ihren Interessen und Einstellungen in Bezug auf Freizeit, Sexualität, Geschlechtergleichstellung und Klimawandel sowie zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf ihr Leben befragt.

Die Ergebnisse bestätigen die Folgen des so genannten "verlorenen Jahrzehnts", einer Generation junger Menschen, die die 2. große wirtschaftliche und soziale Krise erlebt und sich von den Auswirkungen der Finanzkrise 2008 noch nicht erholt hat. Dennoch lassen die Daten des Berichts eine Jugend erkennen, die María Teresa Pérez, Generaldirektorin des spanischen Jugendinstituts INJUVE, als "unterstützend, nonkonformistisch, offen, inklusiv, partizipativ, sich der Ungleichheiten und Diskriminierungen in unserer Gesellschaft bewusst und bereit ist, die Herausforderungen und Veränderungen anzunehmen, die in den Bereichen Bildung, Digitalisierung, ökologischer Wandel und Ausmerzung von Sexismus und dessen Gewalt notwendig sind" beschreibt.

Kampf gegen Klimawandel und für Gleichstellung der Geschlechter

Die Studie bestätigt, dass das Interesse junger Menschen an der Politik weiterhin bei fast 40% liegt und damit doppelt so hoch ist wie im letzten Jahrzehnt, und dass Arbeit, Bildung, Wohnen und Gleichstellung die Themen sind, die junge Menschen am meisten interessieren (8 und 9 von 10 Punkten).

Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist ein Thema, das die Jugendlichen im Allgemeinen interessiert (77%). Sie sind auch der Meinung (83%), dass von Männern angewandte Gewalt eines der wichtigsten sozialen Probleme ist. Der Bericht zeigt jedoch auch, dass junge Männer, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen, sich nicht gleich als Feministen betrachten. Während sich 8 von 10 jungen Frauen als Feministinnen bezeichnen, identifizieren sich nur 54% der jungen Männer mit dem Feminismus, während sich 70% der jungen Männer mit der Gleichstellung der Geschlechter identifizieren. Darüber hinaus befürwortet die Mehrheit der jungen Menschen die öffentliche Gleichstellungspolitik und lehnt eine kontrollierende Haltung generell ab, auch wenn Sexismus im häuslichen und pflegerischen Bereich weiterhin auftritt.

In jedem Fall ist die Gleichstellung der Geschlechter das Thema, das die Jugendlichen am meisten mobilisiert hat (38%), gefolgt von Bildung (15,5%) und Klimawandel (14,9%). So haben 77% der jungen Studierenden an irgendeiner Art von studentischer Aktion teilgenommen, wobei die Teilnahme an einem Streik und die Wahl von Vertretungsorganen mit jeweils 58% am häufigsten genannt werden.

Andererseits interessieren sich 4 von 5 jungen Menschen für Umweltfragen; dieses Interesse ist bei den 14- bis 19-Jährigen besonders ausgeprägt. Außerdem machen sich fast 5 von 10 jungen Menschen die größten Sorgen um die Umwelt (47% gegenüber 17% der Erwachsenen).

Pandemie vertieft Mängel auf dem Arbeitsmarkt, verzögert Emanzipation und verschärft Bildungsungleichheit

Spanien ist eines der Länder mit der spätesten Emanzipation junger Menschen in Europa (durchschnittliches Emanzipationsalter in der Europäischen Union: 26,2 Jahre; in Spanien: 29,5 Jahre) und die Situation droht sich wegen COVID-19 noch zu verschlechtern: Nach der Pandemie ist der Prozentsatz der jungen Menschen, die nicht mehr bei ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten leben wollen, um 15 Prozentpunkte gesunken. Im Jahr 2019 hatten 48% das vor, 2020 nur 32,8%.

COVID-19 hat sich auch auf die Familienplanung ausgewirkt: Der Prozentsatz der jungen Menschen, die keine Kinder haben wollen, ist von 16,8% auf 18% gestiegen.

Im Allgemeinen werden 75% der Jugendlichen weniger selbständig, weil es ihnen an Stabilität oder ausreichendem Einkommen mangelt. Der Arbeitsmarkt wurde auch durch die COVID-19-Pandemie in Mitleidenschaft gezogen, die bereits bestehende Probleme wie Arbeitsplatzunsicherheit und Instabilität verschärft hat und die Erwartungen der jungen Menschen hat sinken lassen: Mehr als die Hälfte (52%) der erwerbstätigen jungen Menschen hat einen befristeten Arbeitsvertrag, eine Quote, die 30 Prozentpunkte höher ist als die der übrigen Bevölkerung. Fast 38% würden gerne mehr Stunden arbeiten als bisher. Gleichzeitig glauben fast vier von zehn arbeitslosen jungen Menschen, dass sie im nächsten Jahr wahrscheinlich keinen Arbeitsplatz finden werden, während 66% meinen, dass ihre beruflichen und wirtschaftlichen Chancen nach der Pandemie schlechter sein werden als die vorheriger Generationen.

Ebenso haben die Auswirkungen der Pandemie die Bildungsungleichheit unter den spanischen Jugendlichen verschärft. 60% von ihnen haben das Gefühl, dass ihre schulischen Leistungen erheblich zurückgegangen sind, wobei 11,2% angaben, dass sie weniger als halb so viel gelernt haben wie in einem normalen Jahr.

Die Hälfte der Studierenden gibt außerdem an, dass die Betreuung durch die Lehrkräfte im Präsenzunterricht besser ist, und fast 8 von 10 ziehen diese Methode dem Online-Unterricht vor.

Psychische Gesundheit, Sexualität und andere Umfrageergebnisse

Der Bericht greift noch weitere Themen auf:

„Das Ergebnis dieses Berichts ermutigt uns und verpflichtet uns, weiter daran zu arbeiten, die Chancengleichheit zu gewährleisten und damit sicherzustellen, dass die Bildung ihre Funktion als Hebel für sozialen Aufstieg erfüllt, das Funktionieren von Arbeitsintegrationsplänen wie der Jugendgarantie zu verbessern, Wohnmaßnahmen durchzuführen, die jungen Menschen helfen, wirklich unabhängig zu sein, bereichernde Freizeit- und Mobilitätsalternativen anzubieten und das Netz der Jugendverbände zu stärken“, erklärte die Generaldirektorin von INJUVE. „Die europäischen Fonds und die sozialen Maßnahmen dieser Regierung müssen damit beginnen, Lösungen für die Probleme unserer jungen Menschen zu finden, die durch die Auswirkungen der Pandemie noch verschärft werden. Vor uns liegt die mühsame und anregende Aufgabe, den Wiederaufbau des Landes in Angriff zu nehmen, indem wir unsere Jugend in den Mittelpunkt stellen“, so Pérez abschließend.

Eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse (PDF: 4,5 MB; Dokument auf Spanisch; 28 Seiten) gibt es auf der Webseite von INJUVE.

Quelle: INJUVE