Abwehrende Hände einer jungen Frau Abwehrende Hände einer jungen Frau
SchutzJu − Schutzkonzepte erarbeiten

Sexualisierter Gewalt in der Internationalen Jugendarbeit vorbeugen

Eine erste Bestandsaufnahme

Einen Überblick über die verschiedenen Konzepte und Ansätze zur Prävention und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Internationalen Jugendarbeit bieten sowie den Austausch über die Entwicklung und Umsetzung dieser Ansätze ermöglichen: Das stand im Mittelpunkt des Online-Fachtags am 26. Juni 2020.

09.07.2020 / Susanne Klinzing

Internationale Jugendarbeit findet in ganz unterschiedlichen Formaten und vor dem Hintergrund sehr verschiedener Organisationsstrukturen und -kulturen statt. Dementsprechend groß ist die Bandbreite von Ansätzen und Maßnahmen zur Prävention von und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Bei einigen Trägern der Internationalen Jugendarbeit ist das Thema bereits fester Bestandteil in Schulungen und Fortbildungen für haupt- und ehrenamtliche Akteure. Andere verfügen über praxisorientierte Arbeitsmaterialien und haben Gesamtkonzepte oder Leitbilder erarbeitet. Anlass genug für IJAB in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sportjugend, der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V. und JUGEND für Europa diesen Online-Fachtag auszurichten.

Ein erster Aufschlag

Das Feld der rund 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer war bunt gemischt: Von Jugendämtern und Jugendringen über Jugend- und Sportverbände bis hin zu Schüleraustauschorganisationen und Anbietern von Freiwilligendiensten waren Interessierte vertreten. Die Verantwortlichen des Fachtags von IJAB – Christoph Bruners, Kerstin Giebel und Ulrike Werner – freuten sich über die große Resonanz, die das Thema des Fachtags hervorgerufen hatte. Kerstin Giebel betonte eingangs, dass die Veranstaltung damit auch an aktuelle Debatten wie beispielsweise im Kontext von Kindeswohlgefährdung anknüpfe. Die Erwartungen der Teilnehmenden an den Fachtag waren breit gefächert: Wissen, Einblicke, Vernetzung, Sensibilisierung, Austausch – um nur einige der Rückmeldungen zu nennen.

Rolf Witte (BKJ / IJAB-Vorstandsvorsitzender) betonte in seiner Begrüßung, wie wichtig ein Perspektivwechsel sei, wenn man sich mit dem Thema im Rahmen internationaler Begegnungen beschäftige. Insbesondere wies er noch einmal auf die Rolle der Partnereinrichtungen hin: „Ohne die Partner geht es nicht“. Als ersten Denkanstoß gab er den Teilnehmenden Fragen mit auf den Weg wie

Forschung zur Umsetzung von Schutzkonzepten

Mit ihrem Input fasste Selina Kappler vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) zentrale Ergebnisse des DJI-Forschungsprojekts zum Stand der Entwicklung und Umsetzung von Schutzkonzepten gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen zusammen. Sie erläuterte unter anderem, wie ein Schutzkonzept aussehen sollte und ging insbesondere auf die Spezifika des Bereichs Kinder- und Jugendarbeit ein. Als wichtige Gemeinsamkeiten in diesem Feld nannte sie die Selbstorganisation, die rechtlichen Grundlagen, das Ehrenamt sowie die Teilnehmenden. Bei den Unterschieden hob sie die Frequentierung, die Struktur, die Angebotsformen und die Forschung zu dem Handlungsfeld hervor.

Damit Schutzkonzepte auch im internationalen Austausch gelingen, ist es aus Sicht der Forschung in diesem Arbeitsfeld wichtig, dass sich Organisationen, die zu diesem Thema bereits Erfahrungen haben, mit anderen Trägern vertrauensvoll austauschen. Außerdem betonte Kappler, dass die Möglichkeiten und Strukturen von Dachorganisationen genutzt werden sollten.

Beispiele guter Praxis

Von der Kinder- und Jugendarbeit im Allgemeinen ging es dann zur Internationalen Jugendarbeit im Speziellen. Dr. Uta Wildfeuer stellte das bei AJA – Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch gGmbH umgesetzte Schutzkonzept im Kontext von Schüleraustauschprogrammen in über 50 Ländern vor. Seit 2006 besteht im Arbeitskreis ein Netzwerk Prävention – gegen sexualisierte Gewalt. Ziel von AJA sei es, alle Teilnehmenden zu schützen und die Beteiligten dafür zu sensibilisieren, dass aufgrund von kulturellen Unterschieden Akteure unterschiedlich angesprochen werden müssten. Zudem wurde hier ein eigenes Evaluationstool entwickelt, um die Prävention sexueller Gewalt auszuwerten. Laut Dr. Wildfeuer ist das Thema Schutzkonzepte ein sich entwickelnder Prozess und müsse daher immer wieder auf den Prüfstand.

Die Deutsche Sportjugend (dsj) im DOSB ist seit Jahren in der Prävention sexualisierter Gewalt aktiv. Lisa Salditt und Ferdinand Rissom erläuterten das Muster-Schutzkonzept für internationale Jugendbegegnungen im Bereich des Sports, das die dsj für ihre Mitgliedsorganisationen entwickelt hat. Frau Salditt unterstrich die Rolle eines Leitbilds zu dem Thema und dass es wichtig sei, sich als Organisation dazu zu positionieren. Die von der dsj zur Verfügung gestellten Materialien können für die eigene Organisation angepasst werden.

Im Nachgang zur Vorstellung der Praxisbeispiele setzte eine lebhafte Diskussion zu Fragen der Umsetzung der Konzepte ein, die insbesondere eines herausstellte: Es ist wichtig, das „Thema zu thematisieren“.

Ergebnisse aus den Workshops: Auf Augenhöhe zusammenarbeiten, Fachkräfte fortbilden

In verschiedenen Workshop-Sessions entwickelten sich rege Diskussionen zu verschiedenen Schwerpunkten. Dazu gehörten:

In den Beiträgen der Teilnehmenden wurde betont, dass die Zusammenarbeit mit den Partnern auf Augenhöhe einer der Schlüssel ist, um das Thema Sexualisierte Gewalt anzugehen. Oft ist es immer noch tabu, daher ist Sensibilität im Umgang damit und mit den Partnerstrukturen gefragt. Als weitere Zielgruppen wurden neben Kindern und Jugendlichen, Eltern, Gastfamilien, Betreuer/-innen und Fachkräften auch ehrenamtliche Gremienvertretungen und Einsatzstellen und Personen, die vor Ort anleiten, identifiziert. In puncto Internationalisierung von Ausbildungskonzepten stellten die Beteiligten fest, dass dieser Ansatz noch in den Kinderschuhen stecke, aber Bedarf vorhanden sei und Ideen zur Umsetzung gesucht würden. An Ansätzen für Schulungen mangelt es nicht, jedoch muss im Einzelnen geprüft werden, welcher Ansatz an welcher Stelle sinnvoll ist.

In einem fünften Workshop stellten Vertreter/-innen der Universität Kassel in Zusammenarbeit mit ijgd erste Zwischenergebnisse (PDF: 2,4 MB) eines Forschungsprojekts zu Sichtweisen junger Menschen auf Sexualität, Gewalt und Schutznormen in der Kinder- und Jugendarbeit vor, insbesondere die Implikationen für das Feld der Internationalen Jugendarbeit.

Ausblick

Rolf Witte bedankte sich zum Abschluss der Tagung bei allen Teilnehmenden für das große Engagement – an diesem bislang heißesten Tag des Jahres – und zog eine kurze Bilanz der Veranstaltung. Er wies darauf hin, dass der Vorstand von IJAB sich dazu beraten würde, in welcher Form das Thema weiterbearbeitet werden könne. Die in der Auswertungsphase des Fachtags erarbeitete Mindmap wird hierfür eine gute Grundlage bieten. Wichtige Punkte, die zu berücksichtigen sein werden, sind die Einbindung der internationalen Partner, die Verbindungen zu anderen Fragestellungen wie z. B. die Fachkräftequalifizierung und die Verbesserung des Austauschs mit den Partnern auf struktureller Ebene. Sein Resümee: Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist eine Daueraufgabe!

Im Nachgang des Fachtags wird eine Dokumentation erstellt. Das im Vorfeld erstellte und während der Veranstaltung genutzte Padlet zu bestehenden Leitlinien, Schutzkonzepten und Arbeitshilfen zur Prävention sexualisierter Gewalt steht der Fachöffentlichkeit zur Verfügung. Alle Träger sind eingeladen, ihre Expertise in diesem Online-Tool fortlaufend zu ergänzen oder auf Bestehendes zurückzugreifen, um das Thema in den eigenen Reihen voranzutreiben.

Eine vor lilafarbenem Hintergrund in die Höhe gestreckte Hand, auf der 'No' steht
Über das Projekt

Ziel des Projekts ist es, Träger Internationaler Jugendarbeit bei der Entwicklung von Instrumenten und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt zu unterstützen.

Eine Gruppe von Menschen steht in einem Raum und diskutiert.
Jahrestagung „Fachkräfte im Blick”

Die Jahrestagung „Fachkräfte im Blick” ist ein trägerübergreifendes Angebot von IJAB und JUGEND für Europa. Es zielt darauf, die Mobilität von Fachkräften zu stärken und einen Beitrag zur Kompetenzentwicklung dieser Berufsgruppe in Deutschland und Europa zu leisten.