Kerstin Giebel: Was bedeutete das konkret für Euch als Akademie der Jugendarbeit und landesweiten Träger der Bildungsarbeit in Baden-Württemberg? Wie habt Ihr das Wort „Internationalisierung“ mit Leben gefüllt?
Einen trägerspezifischen Internationalisierungsprozess anzuschieben und Türen in andere Felder der Kinder- und Jugendhilfe zu öffnen, bedeutet für eine landesweit tätige Qualifizierungseinrichtung wie die Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg zunächst, die internationale Fachlichkeit im Ländle zu sammeln und gemeinsam mit diesen Expert*innen voranzugehen. Dies wurde in der Zusammenarbeit und Kopplung des Projekts an das junge, landesweit arbeitende „Netzwerk Internationale Jugendarbeit“ umgesetzt. Dieses besteht aus Fachkräften und engagierten Personen, die in den unterschiedlichsten Feldern der außerschulischen, internationalen Kinder- und Jugendarbeit tätig sind.
Für das „Netzwerk Internationale Jugendarbeit Baden-Württemberg“ sowie für die Akademie bedeutet Internationalisierung konkret, dass mehr Organisationen und Personen auf Internationale Jugendarbeit aufmerksam gemacht werden, mit ihr in Berührung kommen und am Ende für diese Arbeit, in welcher Form auch immer, gewonnen werden. Das wiederum stärkt die Internationale Jugendarbeit und etabliert sie als selbstverständlichen und wichtigen Teil der Kinder- und Jugendarbeit in Baden-Württemberg. Internationalisierung geschieht in diesem Sinne für uns auch durch eine internationalere Ausrichtung bestehender und neuer Formate.
Kerstin Giebel: Es heißt, aller Anfang ist schwer. Wie sah Euer Projektstart aus? Was waren Eure ersten Schritte?
Im Projektzeitraum wurden viele Fortbildungen und Hospitationstage von Mitgliedern des Netzwerkes angeboten, sowie 3 zentrale Fortbildungen geschaffen, die die Internationale Jugendarbeit als wichtigen Kern der Jugendarbeit voranbringen sollten. Dabei war es zentral, neue Fachkräfte für das Themenfeld zu gewinnen und den Wissenstransfer trägerübergreifend zu gestalten. Eine Qualifizierung zu „Netzwerken“ fand dabei großen Anklang. In der Akademie der Jugendarbeit selbst wurde die Perspektive der Internationalen Jugendarbeit verstärkt berücksichtigt und versucht, diese in die anderen Felder unserer Bildungsangebote zu übertragen.
Bevor erste Maßnahmen geplant wurden, wurde eine Bedarfsanalyse durchgeführt. Da der Antrag mit großer Beteiligung des Netzwerks Internationale Jugendarbeit gestellt wurde, wurden die beteiligten Partner*innen als erstes kontaktiert und befragt, was das Projekt nach Ende der 3 Jahre für sie erfolgreich machen würde bzw. was sie als Netzwerk für Ziele haben. Zunächst fand dazu ein reger Austausch im „Netzwerk Internationale Jugendarbeit Baden-Württemberg“ zu den Qualifizierungsbedarfen statt. Es wurden Herausforderungen besprochen und gemeinsam nach Lösungen gesucht. Wie in anderen Feldern der Jugendarbeit lässt sich auch hier festhalten, dass Bedarfe sehr vielschichtig und unterschiedlich sind.
Bei allen Partner*innen des Netzwerks stand der gemeinsame Fortbildungskalender im Fokus. Den Weg über einen ein Fortbildungskalender zu gehen, passt einerseits zu einer landesweiten Qualifizierungseinrichtung und andererseits ermöglicht er, neben der Sichtbarkeit, eine andere Art der Zusammenarbeit – gemeinsam statt einsam. Beispielsweise können weniger besuchte Veranstaltungen einer einzelnen Organisation durch Öffnung und Bewerbung im Fortbildungskalender so beworben und mit Teilnehmenden „aufgefüllt“ werden, dass sie überhaupt sinnvoll stattfinden können. Gleichzeitig muss nicht jede Organisation für einen kleinen Bedarf für jede Fortbildung selbst entwerfen und organisieren. Weiter wird durch die Sichtbarmachung von Angebot und Nachfrage ein ganz anderer Raum für Bedarfe geschaffen.
In gemeinsamen Workshops zur Erstellung des Fortbildungskalenders, an dem sich die Mitglieder beteiligen konnten, wurde die Plattform nutzer*innenfreundlich und in einer für die Träger sinnvollen Anwendung geprüft. Die verschiedenen Perspektiven darauf erwiesen sich für die Erstellung des Kalenders als sehr hilfreich. Zugleich intensivierte der Workshop das Gefühl, sich zusammen zu engagieren und in den kommenden Jahren ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Die erste Sichtbarkeit wurde damit erreicht.
Kerstin Giebel: Welche Unterstützung war für Euch besonders wertvoll?
Insgesamt erhielt die Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg über das Projekt sehr viel Unterstützung und damit eine fachlich erfolgreiche Weiterentwicklung. Mit der finanziellen Förderung, auch durch Stellenanteile, konnte gesichert werden, dass ein inhaltlicher Dialog, ein Austausch über Bedarfe und mögliche Zusammenarbeit sowie eine Reflexion der eigenen Arbeit kontinuierlich fortgeführt werden konnte und das eine Ansprechbarkeit im wenig sichtbaren Bereich der Internationales Jugendarbeit gewährleistet war. Dadurch entstand ein Raum der Prozessgestaltung und die Bedarfsorientierung blieb im Fokus. Es war sehr wertvoll, seitens IJAB eine gut erreichbare und verständnisvolle Projektbegleitung zu haben.
Kerstin Giebel: Was ist Eure Botschaft an andere Träger, die sich auch internationaler aufstellen wollen? Worauf sollten sie sich einstellen?
Wir empfehlen allen, die sich internationaler aufstellen wollen, sich Partner*innen zu suchen und gemeinsam voranzuschreiten. Beginnt damit, Menschen und Träger anzusprechen, die bereits in der Internationalen Jugendarbeit tätig sind. Habt dabei im Fokus, dass es um Jugendarbeit geht und manches möglicherweise ungewiss ist oder noch nicht geklärt, wie z.B. die Förderung. ABER: Jugendarbeit heißt auch immer Ausprobieren, Menschen kennenlernen und dabei Spaß haben. Fragt einfach an, ob ihr bei schon bestehenden Netzwerken dabei sein dürft, macht mit! Wir empfehlen zudem sich auf unserer Plattform über Qualifizierungen in Baden-Württemberg zu informieren – oder das eigene Angebot dort zu bewerben.
Natürlich gab es auch Hürden: Eine besondere Herausforderung im Laufe der Projektlaufzeit war eine geballte Fluktuation von Fachkräften. Ob Ruhestand, Elternzeit, Arbeitsplatzwechsel oder sogar eine Stellenstreichung. Innerhalb der Projektzeit verlor das Netzwerk wichtige Schlüsselpersonen, was im Netzwerk und im Projekt bemerkbar wurde. Insbesondere, da dies in die Zeit von Corona fiel, in der digitales Arbeiten auch Netzwerkarbeit und Kontaktpflege erschwerten. Eine weitere Barriere bildeten Pauschalisierungen, wie beispielsweise „Internationale Jugendarbeit ist homogen und immer das Gleiche!“ oder „Internationale Jugendarbeit ist nur für bestimmte Personengruppen möglich“. Hitzige Diskussionen erregte die Aussage, dass doch nicht alle junge Menschen ins Ausland gehen können. Sowohl bei den Fachkräften, als auch bei den Jugendlichen sehen wir es auch als unsere Aufgabe, Pauschalisierungen zu entgegnen und differenzierter zu betrachten. Auf praktischer Seite wurde im Nachgang festgestellt, dass eine zu schnelle Planung und insbesondere Umsetzung nicht zielführend ist. Solche Auseinandersetzungen brauchen Zeit. Gerade durch die lange Laufzeit konnten Kontinuität und Verlässlichkeit aufgebaut werden, was für ein gutes Gelingen zielführend ist.
Kerstin Giebel: Was sieht Euer Fazit aus? Wenn Ihr heute in 2024 auf die Akademie schaut, was ist anders als vor dem Projektstart in 2021?
Es kann insgesamt ein positives Fazit gezogen werden: Es wurde eine digitale Plattform geschaffen, um sich vorzustellen und die Angebote zu bewerben – die mit weniger Aufwand betrieben, hoffentlich Bestand haben wird und weiterhin Einstieg und Vernetzung erleichtert. Das Netzwerk Internationale Jugendarbeit hat eine Anlaufstelle, um landesweite und trägerübergreifende Qualifizierungen zu planen. Außerdem wurden hilfreiche Erfahrungen gemacht: Das Netzwerk weiß nun viel mehr von seinen Möglichkeiten, was und wen es braucht, um Fortschritte zu machen und es hat auch über eine gelungene interne Zusammenarbeit dazugelernt. Das Netzwerk möchte das Angefangene weiterführen und sieht die Projektergebnisse als nachhaltige Bausteine seiner Arbeit an. Für die Akademie ist das ein Quantensprung. Sie hat die Internationale Jugendarbeit als Themenkomplex in ihrer Arbeit fester verankern können. Auch hier sind die gemachten Erfahrungen und die geknüpften Kontakte sehr wichtig und werden zukünftig eine Rolle in der Planung und Gestaltung der Angebote spielen. Im Allgemeinen konnte durch das Projekt während Corona der Stellenabbau in der Internationalen Jugendarbeit mit aufgefangen werden.
Kerstin Giebel: Wir bedanken uns herzlich für Euer Fazit und die Offenheit. IJAB sieht sich selbst als lernende Organisation und möchte dazu beitragen, dass Erfahrungen aus diversen Internationalisierungsprozessen aufbereitet und Serviceleistungen noch besser an die Bedarfe der Praxis angepasst werden. Ihr helft uns dabei und macht anderen Trägern Mut!
Weitere Infos zur Arbeit der Akademie und zum FKI-Projekt unter: www.jugendakademie-bw.de


