Demokratie und Menschenrechte

„Ich würde es jederzeit wieder machen“

Ein Freiwilligendienst in der Ukraine

Janne war vom Herbst 2013 bis Herbst 2014 Langzeitfreiwillige von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste am Czernowitzer Museum für jüdische Geschichte und Kultur der Bukowina. Was hat sie dort erlebt? Ist es gefährlich in die Ukraine zu reisen? Was kann man jungen Leuten raten, die über einen Freiwilligendienst in der Ukraine nachdenken? Wir haben sie gefragt.

11.02.2015 / Christian Herrmann

ijab.de: Janne, Sie waren als Langzeitfreiwillige am Czernowitzer Museums für jüdische Geschichte und Kultur der Bukowina. Was hat Sie bewogen, diesen Ort auszuwählen?

Janne: Ich habe mich schon immer sehr für Geschichte und vor allem die jüdische Geschichte interessiert. Ich war mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Czernowitz, einer Organisation die in den 50er Jahren gegründet wurde und die sich für die Aufarbeitung deutscher Kriegsverbrechen sowie gegen Ausgrenzung und Verfolgung in der heutigen Zeit einsetzt. Eine Idee die mir sehr gefällt und auch nach Ende meines Dienstes fühle ich mich ASF weiterhin sehr verbunden. Ein weiterer Grund für mich war, dass ich nach dem Abitur gerne ins Ausland gehen wollte. Ich interessiere mich sehr für fremde Länder und Kulturen und während meine Mitschüler ihre abenteuerlichen Reisen nach Australien planten, habe ich mir überlegt, dass ich Europa kaum kenne und dass es auch in unserer direkten Nachbarschaft Kulturen gibt, mit denen wir uns kaum beschäftigen und die wir kaum kennen.

ijab.de: Hatten Sie keine Bedenken, in dieser unruhigen politischen Situation ausgerechnet in die Ukraine zu gehen?

Janne: Meine Entscheidung im Herbst 2013 in die Ukraine zu gehen haben nur wenige verstanden. Die Ukraine war für viele irgendwo bei  –  vielleicht sogar in –  Russland, ein Stück Land mit dem man sich kaum beschäftigt  – „da war doch das mit den Hunden bei der EM oder?“. Wenn man etwas über das Land wusste, dann war das vor allem negativ: das Land der Kälte, des Vodkas, Tschernobyls, der Klitschkos und Timoschenkos – und bestimmt auch der russischen Mafia. Doch für politisch unsicher hielt es niemand. Nur ein paar Monate später hat sich das schlagartig geändert, ich habe somit beides erlebt, ich bin in ein Land gegangen, das viele für uninteressant hielten und kam aus einem Land zurück, das viele für gefährlich halten. Während meines Dienstes wurde mir von verschiedenen Leuten gesagt ich solle sofort zurück nach Deutschland gehen. Doch meine Arbeit dort war mir zu wichtig, ich hatte das Gefühl gebraucht zu werden und den Menschen helfen zu müssen. Ich bin jetzt seit knapp 4 Monaten wieder in Deutschland und in wenigen Wochen fahre ich wieder in die Ukraine, dieses wunderschöne Land voller Widersprüche, eine Entscheidung die nur wenige verstehen.

ijab.de: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht und haben Sie sich jemals in Gefahr gefühlt?

Janne: Hier muss ich ganz ehrlich sagen: Ja! Ich habe mich einige Male wirklich in Gefahr gefühlt und war auch wirklich in Gefahr. Ich würde gerne auf einiges, was ich dort erlebt habe, verzichten. Doch auch schwere Erfahrungen gehören zu so einem Jahr und ich wusste doch immer, dass ich das Land jederzeit verlassen kann. Viele Ukrainer haben ihr Land noch nie verlassen und haben auch kaum die Chance dazu, auch in der aktuellen Situation nicht. In der Stadt, wo ich gelebt habe, war es jedoch meistens sicher, auch dort bin ich zwar in brenzlige Situationen geraten, aber die hatten kaum die Ausmaße, die man sich in Deutschland vorstellt und ich war auch sehr gut aufgehoben und betreut in meinem Projekt, vor allem durch Mykola Kuschnir, den Direktor des Museums.

Auf der anderen Seite war die Zeit des Maidan auch unglaublich bewegend im positiven Sinne, vor allem zu Beginn. Zu sehen, wie ein Land in Bewegung gerät, auf dem Maidan zu stehen und zu sehen wie Tausende von Studenten geschlossen die Universität verlassen, weil man ihnen verbieten wollte zu demonstrieren. Die unglaubliche Solidarität der Menschen und die Dankbarkeit, die mir entgegenschlug, haben mich sehr gerührt und noch jetzt bekomme ich bei vielen Erinnerungen eine Gänsehaut. Zu Ende des Jahres haben mir viele der Menschen, mit denen ich dort zu tun hatte, gesagt, dass sie froh und dankbar seien, dass ich dort gewesen sei und ihnen geholfen hätte, ein Gefühl, das ich so kaum hatte, aber für diese Menschen war die Tatsache, dass ich dort geblieben bin und alles miterlebt habe, ein Zeichen: Es gibt noch Menschen in Europa, die sich für uns interessieren, die uns nicht im Stich lassen.

ijab.de: Würden Sie einen solchen Freiwilligendienst weiterempfehlen? Was können Sie potentiellen Freiwilligen mit auf den Weg geben?

Janne: Ich würde es jederzeit wieder machen. Es ist eine einmalige Erfahrung – auch wenn das Jahr bei den meisten Freiwilligen weitaus ruhiger abläuft (zum Glück), ist es doch immer bewegend. Die eigenen Horizonte zu erweitern hat noch Niemandem geschadet und ich kann nur jedem, der noch zweifelt ans Herz legen, den Schritt zu wagen.

Was ich neuen Freiwilligen sagen würde ist, dass es immer anders ist als man erwartet und jeder macht andere Erfahrungen, erlebt vielleicht sogar dieselbe Situation völlig anders. Diese Erlebnisse machen jeden Freiwilligendienst einmalig und besonders.
Ich habe mit vielen ehemaligen Freiwilligen gesprochen, bei vielen lief es ganz anders als sie erwartet hatten und auch wenn es oft hart war, waren die Meisten im Nachhinein sehr glücklich und würden ihre einmaligen Erfahrungen nicht gegen ein reibungsloses Jahr tauschen wollen.

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