Interview

Europa in Magdeburg: Quality Label des Europarats verliehen

Bildungsstätten-Leiter Christian Scharf im Interview

Die Europäische Jugendbildungsstätte Magdeburg (EJBM) trägt seit Beginn des Jahres 2025 das „Quality Label for Youth Centres" – ein besonderes Qualitätssiegel überreicht durch den Europarat. IJAB sprach mit Christian Scharf, dem Leiter der EJBM, über die Bedeutung des Qualitätssiegels für seine Einrichtung, welche Pläne für die Zukunft anstehen und welche Chancen damit verbunden sind.

13.01.2025 / K. Wondratschek

IJAB: Bitte stellen Sie die EJBM und Ihre Funktion kurz vor.
  
Christian Scharf: Ich bin Leiter der Europäischen Jugendbildungsstätte Magdeburg (EJBM). Als eine Einrichtung der Europäischen Jugendarbeit sind wir ein maßgebender Akteur der non-formalen Bildung in Sachsen-Anhalt. Dafür arbeiten wir in zahlreichen Bereichen: Wir organisieren internationale Jugendbegegnungen, Freiwilligendienste und Fachkräfteprogramme, wir beraten unter anderem im Eurodesk-Netzwerk zu den vielen tollen Möglichkeiten für junge Menschen, Auslandserfahrungen zu sammeln und unterstützen Schulen und andere formale Bildungseinrichtungen bei Austauschprojekten als Konsortialführer für Erasmus+ Schule und Berufsbildung. Wir setzen uns für die Rechte und Chancen junger Menschen ein und helfen dabei, Betriebe, Vereine und andere Bildungseinrichtungen europaweit zu vernetzen. Darüber schwebt immer das Ziel, junge Menschen zu stärken und es ihnen zu ermöglichen, ihr Potenzial auf Ideenreichtum, Offenheit, Resilienz und Schaffensfreude voll auszuschöpfen. So wollen wir sie auf einen sich schnell entwickelnden Wandel in Berufswelt und Gesellschaft vorbereiten und sie ermutigen, ihre Talente und Kompetenzen in unserer Region einzusetzen. 

Gleichzeitig bieten wir in der EJBM mit unseren Seminarräumen, Übernachtungsmöglichkeiten und unserer hauseigenen Gastronomie auch externen Gruppen, Raum und Möglichkeit, Veranstaltungen umzusetzen – auf Wunsch mit pädagogischer Begleitung von uns. 

Ich selbst engagiere mich seit 1991 in der Europäischen Jugendarbeit. Nach verschiedenen Stationen in Deutschland und Europa sowie einem Studium der Sozialen Arbeit habe ich in Sachsen-Anhalt die Fach- und Beratungsstelle GOEUROPE! aufgebaut und zehn Jahre geleitet. Vor fünf Jahren dann haben mein Team und ich mit tatkräftiger Unterstützung der Stadt Magdeburg und unseres Gesellschafters, des DRK-Landesverbands Sachsen-Anhalt, die EJBM gegründet. Hier bin ich als Geschäftsführer der Trägergesellschaft für das Tagesgeschäft, für unsere Vernetzung in der Region, im Land und in Europa sowie für die Qualität unserer fachlich-pädagogischen Angebote verantwortlich.
   
IJAB: Wie und wann kam es zu der Entscheidung, sich mit der EJBM für das „Quality Label for Youth Centres" des Europarates zu bewerben und eine Interessensbekundung einzureichen?
    
Christian Scharf: Die Entscheidung, uns für das Quality Label zu bewerben, war das Ergebnis einer langen und gewachsenen Zusammenarbeit mit der Jugendabteilung des Europarats. Schon vor der Gründung der EJBM waren wir immer wieder an dessen Kampagnen und Projekten beteiligt, wodurch sich ein starkes inhaltliches und ideelles Fundament für die Bewerbung entwickelte. 

Ein zentrales Ziel unserer Arbeit war es stets, die Qualität unserer Angebote zu sichern und weiterzuentwickeln. Das Quality Label schien uns dafür ein geeigneter Maßstab und gleichzeitig eine Möglichkeit, uns international als Bildungsstätte zu etablieren. Besonders da einige unserer Hauptarbeitsfelder – Demokratie- und Menschenrechtsbildung –  eng mit den Kernzielen des Europarats verwoben sind. Damit waren die ersten beiden Arbeitsschritte in der neu gegründeten EJBM klar: Die Mitgliedschaft im Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) beantragen und unsere Fühler in Richtung einer Bewerbung für das Quality Label ausstrecken.

IJAB: Für die Bewerbung um das Quality Label müssen viele Voraussetzung bereits gegeben sein und das Verfahren zur Erlangung der Plakette umfasst viele einzelne Schritte. Wie haben Sie das Verfahren für die EJBM erlebt?
    
Christian Scharf: Es war definitv ein fordernder Prozess für das ganze Team – aber auch enorm bereichernd und inspirierend! Von der förmlichen Bewerbung bis zur Vergabe des Quality Labels galt es, innerhalb von 15 Monaten in allen 65 gestellten Qualitätskriterien "Europaratsniveau" zu erreichen. Ich bin heilfroh, dass ich mich dabei auf meine engagierten Kolleg*innen verlassen konnte – von den Pädagog*innen über unser Gastro-Team bis hin zu unserer Verwaltung. Und in gewisser Hinsicht sogar die wichtigsten Unterstützer*innen: die engagierten jungen Menschen in unserem ehrenamtlichen Jugendbeirat. Aber auch von außerhalb hat uns viel Beistand erreicht, besonders aus den Institutionen, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten: von Vereinen in der Region über Landesministerien bis hin zur Bundesebene, aus der wir etwa vom Deutsch-Französischen Jugendwerk, dem Jugendministerium und von IJAB wichtigen Rückhalt erfahren haben.

Die Motivation war natürlich hoch: Die Chance, als europaweit fünfzehnte und deutschlandweit zweite Einrichtung in den Kreis der Quality-Label-Bildungsstätten des Europarats aufgenommen zu werden – und dann auch noch als erste originär ostdeutsche Einrichtung – war für uns eine einmalige Gelegenheit zu zeigen, dass wir als sachsen-anhaltinische Bildungsinstitution auch auf europäischem Parkett glänzen können und wollen! Und das nicht mit einer bequemen Finanzierung im Rücken und seit Jahrzehnten gewachsenen Strukturen, sondern mit frischen Ideen, einem offenen Geist und dem Drang, den jungen Menschen vor Ort die Chancen zu eröffnen, die sie verdienen.

IJAB: Welche Veränderungen mussten noch durchgeführt und welche Herausforderungen gemeistert werden, damit die erforderlichen Kriterien für das Quality Label erfüllt werden konnten?
    
Christian Scharf: Wie eben erwähnt, galt es 65 Qualitätskritieren zu erfüllen. Das reichte von fachlichen Ansprüchen wie der Qualifikation des Personals, dem Fokus unserer Angebote und unserer internationalen Vernetzung bis hin zu ganz praktischen Angelegenheiten: Sind alle Beschilderungen mehrsprachig? Ist die technische Ausstattung adäquat? Sind die Räumlichkeiten gepflegt? In vielen Bereichen waren wir schon sehr gut aufgestellt. Andere Bereiche boten uns den Anlass, endlich umzusetzen, was bis jetzt auf der Prioritätenliste noch nicht ganz oben gestanden hatte. Auch die Inhalte unserer Arbeit deckten sich schon größtenteils mit den Zielen des Europarats – man kann schlecht Europäische Jugendarbeit machen, ohne die Themen Demokratiebildung und Menschenrechte mitzudenken. Hier haben wir aber unseren Fokus auf diese Aspekte noch einmal geschärft. Und dann gab es auch Bereiche in denen wir aufholen mussten. So haben wir auf Anraten der Europarat-Expertengruppe neuerdings eine Online-Feedback-System, mit dem uns Gäste unkompliziert und auf Wunsch anonym kontaktieren können, etwa wenn es Differenzen in einer Gruppe gibt.

Die größte Hürde ist schnell ausgemacht und wird sicher von vielen Kolleg*innen im Land bestätigt: Es ist die Finanzierung. Obwohl wir dankenswerterweise starke Unterstützer/innen im Land haben, spiegeln sich die belegbar positiven Auswirkungen Europäischer Jugendarbeit (Stichwort: Demokratie, Offenheit, Beschäftigungsfähigkeit) selten in Haushaltsdebatten wider. Und dann scheitert es schnell an ganz grundlegenden Dingen: Qualifiziertes Personal arbeitet nicht kostenlos und nur ungern mit immer wieder befristeten Verträgen, wirksame Bildungsangebote brauchen gutes Equipment und eine effiziente Verwaltung braucht moderne Ausstattung. Mit der Auszeichnung durch das Quality Label haben wir bewiesen, dass wir alles mitbringen, um erstklassige Jugendarbeit leisten zu können – wir hoffen, der Wert dieser Arbeit für das Land wird damit in Zukunft besser erkannt.
    
IJAB: Welche Bedeutung hat das „Quality Label for Youth Centres" des Europarat für die zukünftige Arbeit der EJBM sowohl national als auch international? Was erhoffen Sie sich für die EJBM durch die Verleihung des Quality Labels?
    
Christian Scharf: Die Auszeichnung gilt zunächst für die Jahre 2025 bis 2027, und wir haben in dieser Zeit viel vor! Wir möchten unsere Angebote weiter ausbauen und neue Projekte starten, die sich an den Bedürfnissen junger Menschen in einer globalisierten Welt orientieren. Auch unser Bildungs- und Beratungsprogramm für Fachkräfte wird davon spürbar profitieren. Durch das Quality Label sind wir jetzt besser in europäische Netzwerke eingebunden und können uns so noch effektiver im Rahmen des Bonn-Prozesses engagieren. 

Gleichzeitig ist das Quality Label, wenn man es denn einmal hat, kein Selbstläufer: Fortan unterliegen wir einer wiederkehrenden Qualitätskontrolle. Bei regelmäßigen Netzwerk-Treffen und -Trainings mit den anderen Quality-Label-Bildungsstätten können wir neue Ansätze und Ideen austauschen. Und wenn man sich das herausragende Niveau der Arbeit unserer Kolleg/innen dort ansieht, muss man bescheiden sagen, da gibt es viel zu lernen. Wir freuen uns darauf, genau das zu tun.

Gleichermaßen wirkt diese Vernetzung auch in die andere Richtung: Als ausgezeichnete Quality-Label-Bildungsstätte des Europarats haben wir Magdeburg und Sachsen-Anhalt europaweit in eine hervorgehobene Position gebracht. Nicht nur im Bereich der Jugendarbeit werden wir damit auf dem Radar vieler anderer internationalen Organisationen und Netzwerke auftauchen.

In Kürze erscheint auf IJAB.de ein Interview mit Georges Metz, der zur Einführung des „Quality Label for Youth Centres“ beigetragen hat und Mitglied des Expertenteams für dieses Label ist.

Weitere Informationen zum “Quality Label for Youth Centres” des Europarats

Der Europäische Lenkungsausschuss für die Jugend hat vor 15 Jahren das Projekt „Quality Label for Youth Centres" entwickelt, um Jugendzentren und Jugendbildungsstätten in Europa zu unterstützen, ihre bewährten Praktiken in der Jugendpolitik zu fördern und die Einrichtungen stärker in Europa miteinander zu vernetzen. Mittlerweile hat sich in diesem Projekt ein Netzwerk von 15 Europäischen Jugendzentren und Jugendbildungsstätten aufgebaut. 

Kontaktadresse in der Jugendabteilung des Europarates: Sekretariat für das Programm "Qualitätssiegel für Jugendzentren" Europäisches Jugendzentrum Budapest, E-Mail: youthcentres.quality(at)coe.int